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Vermietung und Verpachtung von Gebäuden zur Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern

Infolge der gestiegenen Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern vermieten oder verpachten vermehrt Unternehmer Gebäude an die öffentliche Hand oder die Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften.

1. Langfristige Vermietung oder Verpachtung

Die Verträge werden meist langfristig, d. h. länger als mindestens sechs Monate abgeschlossen. Dabei ist auf die Laufzeit der Verträge abzustellen und nicht auf die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts der untergebrachten Personen. Auch wenn sich der Miet- oder Pachtzins nach der tatsächlichen Belegung (der Anzahl der jeweils untergebrachten Personen) richtet, liegt keine kurzfristige Vermietung oder Verpachtung vor, wenn der Vertrag insgesamt über mehr als sechs Monate oder unbefristet abgeschlossen wurde.

1.1 Ausschließliche Wohnraumüberlassung

Wird ausschließlich Wohnraum überlassen, sind die Umsätze aus dieser Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei.

1.2 Wohnraumüberlassung zusammen mit der Erbringung weiterer Dienstleistungen

1.2.1 Nebenleistungen

Als übliche Nebenleistungen, die wie die Hauptleistung der Vermietung oder Verpachtung zu besteuern sind, können insbesondere angesehen werden:

  • Bereitstellung von Mobiliar

  • Versorgung der Einrichtung mit Strom, Wasser und Wärme

  • Reinigung der allgemeinen Außen- und Innenbereiche

  • Hausmeisterservice

Auch ein pauschaler Abnutzungszuschlag, der vom Mieter gezahlt wird, da er keine Reno-vierung der angemieteten Räume vorzunehmen hat, ist wie die eigentliche Vermietungsleistung zu besteuern.

1.2.2 Eigenständige Dienstleistungen

Werden weitere Leistungen erbracht, die üblicherweise nicht im Zusammenhang mit der Vermietung oder Verpachtung von Räumlichkeiten stehen, so sind diese als eigenständige Leistungen gesondert zu beurteilen. Hierunter fallen unter anderem:

  • Verpflegung der untergebrachten Personen

  • Zurverfügungstellung und Reinigung der (Bett-)Wäsche

  • Waschdienst

  • Kontrolle der Zimmer

  • Führen von Anwesenheitslisten

  • Sicherheitsdienst

  • Zurverfügungstellung von Hauspersonal

  • Soziale Betreuung der Bewohner

Diese Leistungen unterliegen dem Regelsteuersatz. Es ist kein Vertrag besonderer Art anzunehmen, weil die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber diesen Leistungen nicht zurücktritt (Abschn. 4.12.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE).

1.3 Option nach § 9 UStG

Da die Vermietung oder Verpachtung regelmäßig an die öffentliche Hand erfolgt, besteht in diesen Fällen keine Möglichkeit der Option nach § 9 Abs. 1 UStG, da die Verwendung durch die öffentliche Hand als Flüchtlings-/Asylbewerberunterkünfte dem hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich zuzuordnen ist.

2. Kurzfristige Vermietung

Sollten ausnahmsweise kurzfristige Verträge abgeschlossen werden, handelt es sich bei der Wohnraumüberlassung um eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ermäßigt zu besteuernde Beherbergungsleistung. Dasselbe gilt für andere Leistungen, die unmittelbar der Beherbergung dienen, auch wenn die Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbracht werden (z. B. Bereitstellung von Mobiliar und anderen Einrichtungsgegenständen, Stromanschluss, Reinigung der gemieteten Räume, Überlassung von Bettwäsche und Handtüchern; vgl. Abschn. 12.16. Abs. 4 UStAE). Eventuell erbrachte zusätzliche Dienstleistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen (z. B. Verpflegungsleistungen, Nutzung von Kommunikationsnetzen, Reinigung von Kleidung) unterliegen dem Regelsteuersatz. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot; vgl. Abschn. 12.16. Abs. 5 und 8 UStAE).

3. Rahmenverträge anstelle von Miet- oder Pachtverträgen

Teilweise werden die Räumlichkeiten an die öffentliche Hand nicht vermietet, sondern es wird lediglich ein Rahmenvertrag oder eine Belegungsvereinbarung abgeschlossen. In diesen Fällen geht die öffentliche Hand zwar ggf. auch langfristige Rechtsbeziehungen mit dem Eigentümer der Räumlichkeiten ein, sie kann jedoch nicht wie ein Mieter oder Besitzer über die Räumlichkeiten verfügen. Stattdessen regeln die Verträge lediglich die Modalitäten einer möglichen Belegung der Unterkunft durch Flüchtlinge/Asylbewerber. Die Frage, wann eine Vermietung oder Verpachtung im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG vorliegt, richtet sich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach Unionsrecht. Die Grundsätze hierfür sind in Abschn. 4.12.1. Abs. 1 Sätze 2 – 6 UStAE dargestellt. Danach muss dem Mieter vom Vermieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt werden, das Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen, unabhängig von der gewählten Vertragsbezeichnung.

Ein Rahmenvertrag begründet für sich genommen noch kein umsatzsteuerliches Leistungsverhältnis, sondern legt nur die einheitlichen Bedingungen für eine Vielzahl von noch abzuschließenden Einzelmietverhältnissen (zwischen dem Eigentümer und der öffentlichen Hand) fest. Das jeweilige Einzelmietverhältnis wird erst begründet, wenn die unterzubringende Person durch Einweisung tatsächlich untergebracht wird. Der durch die jeweilige „Einweisung” möglicherweise nur mündlich oder konkludent geschlossene Einzelmietvertrag unter den Bedingungen des schriftlichen Rahmenvertrages ist ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der untergebrachten Person. Damit werden die Bestimmungen des Rahmenvertrages entscheidend für die Beurteilung der Einzelmietverträge. Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung richtet sich nach der späteren tatsächlichen Umsetzung der Vereinbarung.

3.1 Unterbringung von mehr als sechs Monaten Dauer

Es gelten die unter Tz. 1 dargestellten Grundsätze (grundsätzlich steuerfreie Vermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG mit Prüfung hinsichtlich von Nebenleistungen).

3.2 Unterbringung von weniger als sechs Monaten

Dies können z. B. Fälle einer nur zur vorübergehenden Unterbringung vorgesehenen Notunterkunft sein oder Fälle, in denen die Unterkunft aufgrund anderer Umstände nur kurzfristig beziehbar ist (z. B. saison- oder wetterbedingt oder wegen geplanter anderweitiger Nutzung).

Hier greift der ermäßigte Steuersatz für Beherbergungsleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG. Eventuell erbrachte zusätzliche Dienstleistungen unterliegen entsprechend Abschn. 12.16. UStAE dem Regelsteuersatz (vgl. Tz. 2).

4. Vorübergehende Unterbringung in Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts, steuerbegünstigten Körperschaften und Vermietungsgenossenschaften sowie -vereinen

Zur vorübergehenden Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern in Zweckbetrieben steuerbegünstigter Körperschaften, in Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder in Wohnungen von Vermietungsgenossenschaften sowie -vereinen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG hat sich das , BStBl. 2014 I, 1613, geäußert.

5. Leistungen von Einrichtungen, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen

Bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Leistungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung, die durch Einrichtungen erbracht werden, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, ist das , BStBl 2016 I, 223 zu beachten.

Die bisherige Rundvfg. vom wird aufgehoben.

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Fundstelle(n):
DAAAF-77237