BSG Beschluss v. - B 10 EG 1/16 B

Instanzenzug: S 6 EG 1719/14

Gründe:

1Mit Urteil vom hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf weiteres Elterngeld anlässlich der Geburt der Zwillinge J. und J. am im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X verneint. Zwar stütze sich der Antrag vom auf Leistungsgewährung für das Jahr 2009 auf das - BSGE 114, 26 = SozR 4-7837 § 1 Nr 4), wonach bei einer Mehrlingsgeburt ein weiterer eigenständiger Elterngeldanspruch bestehe, allerdings könnten für das Jahr 2009 nach § 44 Abs 4 SGB X Leistungen nachträglich nicht mehr erbracht werden. Hierbei handele es sich um eine materielle Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei bei dieser Frist nicht möglich. Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei die Klägerin nicht so zu stellen, als hätte sie den Antrag bereits im Jahr 2013 gestellt. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung begründet.

2Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

3Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) Eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. Diesen Anforderungen genügt die folgende Beschwerdebegründung nicht.

4Die Klägerin hält folgende Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:

"Stellt die Anwendung der Ausschlussfrist von § 44 Abs. 4 SGB X bei der rückwirkenden Beantragung von Elterngeld aufgrund der Rechtsprechung des AZ: B 10 EG 8/12 R, einen Verstoß gegen Art. 6 GG dar?"

5Für die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage hat die Klägerin allerdings die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nur behauptet, nicht jedoch schlüssig dargelegt. Hierzu hätte sie im Einzelnen darstellen müssen, inwiefern die Rechtsfrage vom BSG bisher noch nicht entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65) und warum sich für die Beantwortung der Frage nicht bereits ausreichende Anhaltspunkte in vorliegenden Entscheidungen finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8). Allein der von der Klägerin zur Begründung der Klärungsbedürftigkeit angeführte Umstand, dass die von ihr aufgeworfene Frage betreffend die Gewährung von Elterngeld bisher nicht entschieden sei und die Beklagte vor dem Hintergrund einer Verletzung ihrer Beratungs- und Informationspflicht aus §§ 13 und 16 Abs 3 SGB I durch den Einwand aus § 44 Abs 4 SGB X nicht schützenswert sei, da die Familie gemäß Art 6 Abs 1 und Abs 4 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehe, reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Auflistung der ) und vom (B 13 R 23/13 R). Insoweit hätte es zunächst unter Auseinandersetzungen mit der vom LSG durchgeführten Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen einer konkreten Darlegung bedurft, wie die von der Klägerin benannte Rechtsfrage nach dem Wortlaut des Gesetzes zu beantworten ist und ob sich das von der Klägerin begehrte Ergebnis ggf erst aus dem Verfassungsrecht ergeben soll. Wie bereits das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ist die Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB X von Amts wegen zu beachten und findet auch Anwendung auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, ohne dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X möglich ist (vgl hierzu insgesamt KassKomm/Steinwedel, Dezember 2015, § 44 SGB X RdNr 50 ff). Entsprechende Darlegungen der Klägerin, insbesondere zur Rechtsprechung, fehlen ebenso wie eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen verfahrensrechtlichen Kriterien zu Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG nebst der hierzu vom BSG und BVerfG ergangenen Rechtsprechung, insbesondere betreffend den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (vgl auch ua - BVerfGE 106, 166, 175 f = SozR 3-5870 § 3 Nr 4 S 13 f). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfach gesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

6Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

7Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

8Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
FAAAF-76101