Online-Nachricht - Freitag, 05.06.2015

Reverse-Charge-Verfahren | Rückwirkende Änderung der Besteuerung von Bauleistungen (FG)

Unternehmer, die Bauleistungen an Bauträger erbracht haben, dürfen vorerst nicht rückwirkend zur Zahlung der auf ihre Leistungen angefallenen Umsatzsteuer herangezogen werden. Dies hat das FG Berlin Brandenburg in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden ().

Sachverhalt: Der Antragsteller hatte im Jahr 2009 Bauleistungen an mehrere Bauträger ausgeführt und diese entsprechend den damals maßgeblichen Richtlinien des BMF nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Die Steuerschuld hatten vielmehr die Bauträger als Leistungsempfänger zu tragen (sog. Reverse-Charge-Verfahren). Nachdem der BFH im August 2013 entschieden hatte, dass der für die Umkehr der Steuerschuld maßgebliche § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung - auf Bauträger regelmäßig nicht anzuwenden sei ( NWB PAAAE-50006), und die Bauträger hierauf die von ihnen gezahlte Umsatzsteuer zurückgefordert hatten, setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer gegenüber dem Antragsteller fest. Es stützte sich dabei auf die vom Gesetzgeber im Juli 2014 - in Reaktion auf die BFH-Entscheidung - neu geschaffene Regelung des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG, die den Vertrauensschutz für die hier in Rede stehenden Fälle rückwirkend ausschließt.

Hierzu führten die Richter des FG Berlin Brandenburg weiter aus:

  • Es bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Regelung des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG.

  • Denn nach § 176 Abs. 2 AO besteht bei der Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen Vertrauensschutz, wenn ein oberster Gerichtshof des Bundes entscheidet, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nicht mit dem geltenden Recht in Einklang steht.

  • Der Ausschluss des Vertrauensschutzes verstößt möglicherweise gegen das im Grundgesetz verankerte Verbot der Rückwirkung von Gesetzen.

  • Der Gesetzgeber hat mit § 27 Abs. 19 UStG in die im Zeitpunkt seiner Verkündung bereits entstandene Steuerschuld für 2009 nachträglich eingegriffen, so dass eine unzulässige sog. echte Rückwirkung jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint.

  • Dem Antragsteller droht auch ein erheblicher Vermögensschaden, da er die Steuer wegen der zivilrechtlichen Verjährung seinem Vertragspartner nicht nachträglich in Rechnung stellen kann.

  • Da die verfassungsrechtlichen Zweifel nur eine einzelne Norm betreffen, war die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht ausgeschlossen.

  • Eine endgültige Klärung der Frage ist einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Derzeit ist ein solches noch nicht anhängig.

Hinweis: Den vollständigen Entscheidungstext finden Sie in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank der Länder Berlin und Brandenburg. Eine Aufnahme der Entscheidung in die NWB Datenbank erfolgt ebenfalls in Kürze.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung v.

Anmerkung (aktualisiert am ): Lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Schneider im NWB Experten-Blog.

 

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-45817