Online-Nachricht - Mittwoch, 18.05.2011

Abgabenordnung | Bindungswirkung einer unverbindlichen Auskunft (BFH)

Ändert sich die einer unverbindlichen Auskunft zugrunde liegende Rechtslage, ist das Finanzamt nicht nach Treu und Glauben gehindert, einen der geänderten Rechtslage entsprechenden erstmaligen Umsatzsteuerbescheid zu erlassen, es sei denn, es hat anderweitig einen Vertrauenstatbestand geschaffen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben kann in besonders liegenden Fällen auch gesetztes Recht verdrängen. Dies kommt nach ständiger Rechtsprechung allerdings (nur) dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. NWB LAAAC-86068).
Sachverhalt: Die Klägerin ist Diplom-Psychologin und betreibt eine psychotherapeutische Praxis. Daneben erstellt sie Gutachten für Gerichte. Auf telefonische Anfragen der Klägerin und nach Vorlage von ihr erstellter Gutachten erteilte ihr das Finanzamt 1997 die unverbindliche, schriftliche Auskunft, dass die Steuerfreiheit der Umsätze aus der Gutachtertätigkeit nach Aktenlage gegeben ist. Nach einer Außenprüfung 2006 behandelte das Finanzamt die Gutachtertätigkeit für die Streitjahre (2002 bis 2004) jedoch als umsatzsteuerpflichtig und erließ erstmalige Umsatzsteuerbescheide.
Hierzu führt der BFH weiter aus: Der Klägerin ist im Streitfall keine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie eine verbindliche Zusage beantragt und das Finanzamt eine solche ohne Einschränkung oder Vorbehalte erteilt hätte. Jedenfalls letztere Voraussetzung liegt hier nicht vor. Das Finanzamt hat im Streitfall durch sein Verhalten auch nicht außerhalb einer verbindlichen Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten. Die Klägerin konnte im Streitfall nicht davon ausgehen, das Finanzamt werde an seiner vertretenen Rechtsauffassung auf Dauer festhalten. Denn die Auskunft, dass nach Aktenlage die Umsatzsteuerfreiheit für die Gutachtertätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 UStG und Abschn. 88 UStR gegeben sei, stand wegen der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung offensichtlich unter dem Vorbehalt, dass sich die Rechtslage nicht änderte - was hier aber der Fall war. Hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit ärztlicher Gutachten nach § 4 Nr. 14 UStG ist nach Erteilung der Auskunft eine Rechtsänderung eingetreten. Wie das Finanzamt 1997 zutreffend ausgeführt hat, stellte nach damaliger Rechtsauffassung und Besteuerungspraxis die Erstellung von Gutachten für Gerichte bei Ärzten und Heilpraktikern eine „heilberufliche Tätigkeit“ dar. Im Jahr 2000 hat aber der EuGH entschieden, der Begriff der „Heilbehandlungen“ nicht in diesem Sinne ausgelegt werden kann ( NWB VAAAC-70844).
Anmerkung: Der BFH weist in seinem o.g. Urteil auch darauf hin, dass das Finanzamt in der Regel auch nicht dadurch einen Vertrauenstatbestand schafft, dass es nach Änderung der einer unverbindlichen Auskunft zugrunde liegenden Rechtslage einen entsprechenden Hinweis an den Steuerpflichtigen unterlässt.
Quelle: BFH online
 

 

Fundstelle(n):
NWB FAAAF-17152