Online-Nachricht - Mittwoch, 14.05.2014

Berufsrecht | Haftung eines Wirtschaftsprüfers für fehlerhaftes Testat (BFH)

Erstellt ein Wirtschaftsprüfer ein zur Veröffentlichung in einem Wertpapierprospekt bestimmtes Testat zu den Gewinnprognosen eines Emittenten von Aktien und soll dieses nach dem Prüfauftrag den Anlegern ermöglichen, die Ausschüttung von Gewinnen einplanen zu können, so haftet er bei Fehlerhaftigkeit des Testats diesen gegenüber unmittelbar auf Schadensersatz nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (BGH, Urteil v. 24.4.014 - III ZR 156/13).

Hintergrund: Durch das richterrechtliche Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erhalten außerhalb einer vertraglichen Beziehung stehende Personen einen Anspruch gegen den Leistungserbringer, wenn sie

  • bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommen,

  • der Gläubiger an deren Schutz ein besonderes Interesse hat und

  • die Parteien den Willen haben, zugunsten dieser Dritten eine Schutzpflicht zu begründen.

Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und in dieser Eigenschaft gutachterliche Stellungnahmen abgeben (z.B. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige) können danach aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gegenüber Personen haften, denen gegenüber der Auftraggeber von dem Gutachten bestimmungsgemäß Gebrauch macht. Voraussetzung ist, dass das Gutachten den Zweck hat, das Vertrauen eines Dritten zu erwecken und Grundlage einer wirtschaftlichen Entscheidung werden soll.
Sachverhalt: Im Jahr 2007 legte die T. AG zwecks Ausgabe von Namensaktien einen Wertpapierprospekt auf. Dieser enthielt Planrechnungen und Gewinnprognosen für die Jahre 2007 bis 2011. Der im Prospekt veröffentlichte Prüfbericht der beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft stellte zusammenfassend fest, dass die Prognosen ordnungsgemäß aufgestellt worden seien. Im Juli erwarb der Rechtsvorgänger der Klägerin eine Beteiligung an der T. AG zum Nennwert von 9.000 €. Zur Eintragung der Kapitalerhöhung und Ausgabe der Aktien kam es infolge der Insolvenz der T. AG nicht. Die Schadensersatzklage gegen die WP-Gesellschaft hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Testat der Beklagten sei grob fahrlässig falsch gewesen, weil die Prognose der Dividendenausschüttung mit § 269 Satz 2 HBG aF unvereinbar gewesen sei. Diese Pflichtverletzung sei auch für die Anlageentscheidung kausal geworden.
Hierzu führen die Richter des BGH u.a. aus:

  • Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu.

  • Bei der Frage, ob Dritte in den Schutzbereich eines Vertrags einbezogen sind, gehören zum wesentlichen Auslegungsstoff die in dem Gutachten enthaltenen Angaben über dessen Zweck und der sonstige Inhalt des Gutachtens.

  • Die beabsichtigte Weitergabe des Testats an Dritte – hier durch Aufnahme in den Prospekt und die Verwendung des Prospekts bei der Zeichnung von Aktien durch Anleger – war hier Grundlage des Auftrags.

  • Denn wenn sich ein Emittent entschließt, in den Prospekt eine Gewinnprognose aufzunehmen, so muss darin auch ein Bericht enthalten sein, der von unabhängigen Abschlussprüfern erstellt wurde und in dem festgestellt wird, dass die Prognose ordnungsgemäß erstellt wurde und dass die zugrunde liegende Rechnungslegungsgrundlage mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist.

  • In dem von der Beklagten erstellten und im Prospekt abgedruckten Bericht wird unter Bezugnahme auf das Wertpapierprospektgesetz und die Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (Prospektverordnung) genau dieses festgestellt.

  • Der Anspruch ist nicht verjährt: Liegt der haftungsauslösende Fehler - wie hier - in einer falschen Rechtsanwendung, so beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht bereits mit dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte von dieser Rechtsanwendung als solcher Kenntnis erlangt hat; vielmehr muss er Kenntnis davon haben, dass die Rechtsanwendung fehlerhaft war.

Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
Quelle: NWB Datenbank

Fundstelle(n):
NWB CAAAF-11366