BVerwG Beschluss v. - 2 B 74/14

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 6 A 1116/13 Beschlussvorgehend VG Arnsberg Az: 9 K 2027/12 Urteil

Gründe

1Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

21. Der Kläger nahm im September 2010 seine Ausbildung als Kommissaranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf für den gehobenen Polizeivollzugsdienst auf. Den dafür notwendigen Bachelorstudiengang absolvierte er an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (Studiengang "Polizeivollzugsdienst"). Die damals gültige Studienordnung sah u.a. die theoretische Ausbildung in den Fachmodulen 2 - Verkehrssicherheitsarbeit (VS), Kriminalitätskontrolle (KK) und Gefahrenabwehr/Einsatz (GE) - vor. Nachdem der Kläger die Klausur Gefahrenabwehr/Einsatz "GE 2" erstmals nicht bestanden hatte, unterzog er sich im März 2012 der Wiederholungsklausur, die der Erstkorrektor und die beiden Zweitkorrektoren abermals mit "nicht ausreichend (5,0)" bewerteten.

3Daraufhin teilte die Fachhochschule dem Kläger mit Bescheid vom mit, dass er das Modul Theorie und damit zugleich die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden habe. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

4Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide der Fachhochschule aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die Klausur im Teilmodul GE 2 zu wiederholen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die auf einen Versuch beschränkte Wiederholungsmöglichkeit der vom Kläger abverlangten Prüfungsleistung im Teilmodul GE 2. Der Kläger habe die Wiederholungsklausur erfolglos in Anspruch genommen und habe deshalb die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden.

52. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen.

6Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - von der Beschwerde zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung im Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom - 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Dies ist in der Begründung der Beschwerde darzulegen (§ 133 Abs. 3 VwGO).

7Die von der Beschwerde der Sache nach als grundsätzlich aufgeworfenen Fragen,

- ob es verhältnismäßig ist, wenn bei einer Vielzahl von Teilprüfungen jeweils nur eine Wiederholungsmöglichkeit vorgesehen ist, sodass bei zweimaligem Nichtbestehen einer solchen Teilprüfung die Gesamtprüfung nicht bestanden ist,

und

- ob es verhältnismäßig ist, wenn das zweimalige Nichtbestehen einer solchen Teilprüfung im letzten Drittel des Studiums dessen erfolglose Beendigung zur Folge hat,

8betreffen ausgelaufenes Recht und rechtfertigen daher schon aus diesem Grund nicht die Zulassung der Grundsatzrevision (a.). Davon abgesehen sind die Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, sodass hierfür kein Revisionsverfahren durchgeführt werden muss (b.).

9a) Gegenstand der Verpflichtungsklage ist ein Bescheid der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, der auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den Laufbahnabschnitt II (Bachelor) der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen vom (GV. NRW. S. 554) i.d.F. der Änderungsverordnung vom (GV. NRW. S. 623) - VAPPol II Bachelor a.F. - ergangen ist. Danach konnte eine nicht bestandene Prüfung oder Studienleistung nur einmal wiederholt werden.

10Bei dieser Vorschrift handelt es sich indes um ausgelaufenes Recht, für das regelmäßig kein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung anzuerkennen ist. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig - und so auch hier - nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 11 und vom - 1 B 139.04 - Buchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 12 S. 6, jeweils m.w.N. und vom - 2 B 78.07 - juris Rn. 2 f.). Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist ( 8 B 40.12 - juris Rn. 5 und vom - 2 B 35.10 - juris Rn. 5). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

11Nach der seit dem geltenden Nachfolgeregelung (§ 12 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den Laufbahnabschnitt II <Bachelor> der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom (GV. NRW. S. 295) stehen den Absolventen nunmehr zwei Wiederholungsmöglichkeiten je Studienleistung offen. Demzufolge stellen sich die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen der Zulässigkeit nur einer Wiederholungsprüfung je Teilleistung nicht mehr. Nach dem Vortrag des Beschwerdegegners, an dessen Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat und der auch vom Kläger nicht bestritten worden ist, finden die Regeln der alten Studienordnung nur noch auf wenige Altfälle Anwendung. Der die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigende Ausnahmefall, dass die Altvorschrift für einen nicht überschaubaren Personenkreis weitergilt oder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden ist, liegt damit nicht vor.

12b) Im Übrigen genügt die angefochtene Altregelung, nach der das Nichtbestehen einer Teilprüfung auch bei nur einmaliger Wiederholungsmöglichkeit zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, den Anforderungen von Art. 12 Abs. 1 GG und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aber auch in der Sache.

13Nach der Rechtsprechung des 6 C 18.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 27) ist das nach einmaliger Wiederholung endgültige Nichtbestehen einer Teilleistung, das zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führt, nicht zu beanstanden, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Prüflings bietet. Eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage kann eine Teilprüfung dann bieten, wenn gerade durch sie eine Fähigkeit nachgewiesen wird, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil derjenigen Qualifikation anzusehen ist, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden soll.

14Eine solche Fähigkeit kann etwa in der Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie oder, gegebenenfalls hiermit kombiniert, einer bestimmten Bearbeitungs- oder Darstellungsmethode bestehen, die nur in der betroffenen Teilprüfung abgeprüft werden. Der Normgeber kann aber davon ausgehen, dass ein positives Befähigungsurteil überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt ist; dann soll jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen. Dies obliegt regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des Normgebers, die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diesbezüglich beschränkt sich die grundrechtliche Bindung des Normgebers auf das Gebot der Wahrung eines sachlichen Zusammenhangs mit den Anforderungen des betreffenden Berufs. Die Definition beruflicher und akademischer Qualifikationsstandards sind vorwiegend Akte politisch wertender Gestaltung; sie werden durch die Verfassung im Kern nicht vorentschieden.

15Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung jüngst mit Kammerbeschluss vom - 1 BvR 2218/13 - (DVBl. 2015, 1192 <1193> juris Rn. 24) bestätigt, indem es zum Kongruenzerfordernis zwischen prüfungsrechtlichen Bestehensregelungen, Berufsfreiheit und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf seine bisherige Rechtsprechung hingewiesen und daran festgehalten hat:

"Prüfungsregelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind (vgl. BVerfGE 80, 1 <24> m.w.N.; stRspr). Das Bestehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten (vgl. BVerfGE 80, 1 <35>; siehe auch BVerwG 6 B 3.95 -, juris, Rn. 4 f. m.w.N.). Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen."

16Soweit der Normgeber unabdingbare Teilprüfungen vorsieht, ist er also dazu befugt, die Anzahl der Teilprüfungen und ihren Inhalt festzulegen, solange dafür ein sachlicher Grund erkennbar ist und die Geprüften durch die Ausgestaltung der Prüfung nicht unzumutbar belastet werden. Dafür ist es - entgegen den Ausführungen der Beschwerde - unerheblich, ob die Gesamtprüfung in 3 Teilprüfungen (juristische Universitätsprüfung) oder 29 Teilprüfungen (Kommissaranwärter) untergliedert ist und in welchem Studienabschnitt genau die Teilprüfungen dem Geprüften abverlangt werden, solange jede einzelne Teilprüfung mit Sachgrund eine vom Normgeber als unerlässlich eingestufte Fähigkeit abprüft. Denn zum einen ist die Zulässigkeit der Abschichtung von Prüfungsleistungen beispielsweise beim juristischen Staatsexamen in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. - BGHReport 2001, 443 f. zur Bewertung der Abschlussprüfung in der einstufigen Juristenausbildung bei Notarbestellung in Bremen). Zum anderen wirkt die Abschichtung der Prüfungsleistungen für die Geprüften nicht nur belastend, sondern auch entlastend (vgl. z.B.: VGH Mannheim, Beschluss vom - 9 S 2275/13 - juris Rn. 27). Sie müssen die Einzelleistungen nicht im Ganzen in einem kleinen festen Zeitfenster erbringen. Vielmehr unterziehen sie sich den einzelnen Teilprüfungen über ihre gesamte Ausbildung hinweg und können sich so auf jeden Prüfungsteil einzeln und konkret vorbereiten.

17Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass das einmal wiederholte endgültige Nichtbestehen einer Teilprüfung - hier der Prüfung im Teilmodul „GE 2“ Kompetenzen und Fähigkeiten im Bereich der Gefahrenabwehr, insbesondere im Bereich des Einsatzes im täglichen Dienst - rechtmäßig ist, weil diese Kompetenzen notwendig sind, um praxisrelevante Einsatzanlässe wie „Täter am Ort“ erfolgreich und den rechtlichen Grundlagen entsprechend bewältigen zu können und diese nach den dem Dienstherrn obliegenden Anforderungen für die Wahrnehmung der Kernaufgaben polizeilichen Handelns unerlässlich sind. Einen sich hieraus ergebenden weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2015:300915B2B74.14.0

Fundstelle(n):
BAAAF-06700