BGH Beschluss v. - NotZ(Brfg) 6/14

Instanzenzug:

Gründe

1Der Senat kann in seiner nach dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Galke, des Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke und des Notars Dr. Frank entscheiden, obwohl der Kläger die vorstehend genannten Richter in seiner Anhörungsrüge wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Der Einholung vorheriger dienstlicher Erklärungen der abgelehnten Richter gemäß § 111d Satz 2 BNotO, § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO bedurfte es nicht.

21. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann im Verwaltungsprozess bei Wahrung der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unter strengen Voraussetzungen ein abgelehnter Richter über ein "gänzlich untaugliches oder rechtsmissbräuchliches" Ablehnungsgesuch selbst ohne vorherige Durchführung des Verfahrens aus § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 44 f. ZPO entscheiden (BVerfGK 13, 72, 78 mwN; Rn. 28 - 30). Im Verwaltungsprozess wie auch im Zivil- und Strafprozess (siehe § 26a StPO) gerät in solchen Fällen unzulässiger Ablehnungsgesuche die Beteiligung des abgelehnten Richters mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache erfolgt (vgl. BVerfGK 13, 72, 79; Rn. 30). Die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten Richters kommt regelmäßig allerdings nur dann in Betracht, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein - ohne jede weitere Aktenkenntnis - offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag ( Rn. 30). Ist eine über die bloß formale Prüfung hinausgehende inhaltliche Bewertung erforderlich, würde sich der abgelehnte Richter zum "Richter in eigener Sache machen"; eine unter Beteiligung des abgelehnten Richters erfolgende Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig kommt dann nicht in Betracht (vgl. BVerfGK 11, 434, 442; BVerfGK 13, 72, 79 f.; Rn. 30 aE).

32. Ein Ablehnungsgesuch ist dann unzulässig, wenn dieses erst nach dem Abschluss der Instanz erfolgt (vgl. für das finanzgerichtliche Verfahren BFHE 130, 20, 21; für den Zivilprozess Gehrlein in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., Bd. 1, § 44 Rn. 4 mwN). Für das Strafverfahren hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass bei aufgrund einer Hauptverhandlung ergehenden Entscheidungen das Erlöschen des Ablehnungsrechts nach dem letzten Wort des Angeklagten (§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO) - also sogar noch vor dem Ergehen der die Instanz abschließenden gerichtlichen Entscheidung - verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. , NStZ 2007, 709, 710 Rn. 4). Ebenso wenig bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Strafverfahrensrecht außerhalb der Geltung von § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO allgemein vertretene Ansicht, das Recht der Richterablehnung spätestens mit dem Erlass der Entscheidung entfallen zu lassen (BVerfG aaO Rn. 5 mit zahlr. Nachw.). Entscheidet das Gericht, wie etwa das Revisionsgericht in Strafsachen gemäß § 349 Abs. 2 StPO, ohne Hauptverhandlung durch Beschluss, gebietet die Verfassung nicht, das Ablehnungsrecht noch nach dem Ergehen der fraglichen Entscheidung zu gewähren (BVerfG aaO Rn. 7; siehe auch BeckOK-StPO/Cirener, 2. Aufl., § 25 Rn. 8a und 8a.1).

4Nach Maßgabe dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze erweist sich auch ein nach Erlass der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 111d Satz 2 BNotO i.V.m. § 124a Abs. 4 VwGO angebrachtes Ablehnungsgesuch als unzulässig. Mit dieser Entscheidung wird die Instanz vollständig abgeschlossen, das erstinstanzliche Urteil wird rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO). Das Bundesverfassungsgericht hat in Bezug auf die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 ZPO im Zivilprozess ausgeführt, dass es sich bei dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde um eine letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidung handele (, NJW 2011, 1497 Rn. 12). Die Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO eröffnet als außerordentlicher Rechtsbehelf keine weitere Instanz (BVerfG aaO NJW 2011, 1497, 1498 Rn. 20).

5Für den Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 4 VwGO durch das Oberverwaltungsgericht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das für die hier vorliegende verwaltungsrechtliche Notarsache (§ 111 BNotO) maßgeblich ist (§ 111d Satz 2 BNotO), gilt nichts anderes. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 ZPO kann der die Zulassung ablehnende Beschluss nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden (siehe § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO; BeckOK-VwGO/Roth § 124a Rn. 87 mwN). Die statthafte Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO (zur Statthaftigkeit , NJW 2013, 3506, 3507) eröffnet ebenfalls keine weitere Instanz.

6Das Recht der Ablehnung der mit der Entscheidung über den Zulassungsantrag befassten Richter endete dementsprechend mit dem Ergehen des Beschlusses vom , durch den die Instanz und das Verfahren insgesamt vollständig abgeschlossen wurden. Eine Befangenheit in Bezug auf das Anhörungsrügeverfahren wurde nicht geltend gemacht. Die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Prof. Dr. Radtke sowie den Notar Dr. Frank sind damit unzulässig. Einer inhaltlichen Befassung mit den Gesuchen bedurfte es nicht, so dass Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG der Mitwirkung der Vorgenannten nicht entgegensteht.

73. Über die Ablehnungsgesuche musste nicht durch gesonderten Beschluss entschieden werden (vgl. BFH, Beschlüsse vom - V S 13/14 und V S 15/14 Rn. 5 mwN bzgl. § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO).

II.

8Die zulässige Anhörungsrüge hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss des Senats vom verletzt das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht.

91. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG zwar verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG wird jedoch nicht dadurch begründet, dass der Senat die Rechtsauffassung des Klägers nicht teilt (vgl. BVerfGE 64, 1, 12). Auch gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (st. Rspr., vgl. BVerfGE 21, 191, 194; 70, 288, 294). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (st. Rspr., siehe nur Rn. 9). Das Gericht braucht nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.). Dementsprechend sieht die Vorschrift in § 124a Abs. 5 Satz 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO vor, dass der Beschluss über den Zulassungsantrag nur kurz begründet werden soll.

102. Gemessen an diesem Maßstab ist eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch den angegriffenen Senatsbeschluss nicht festzustellen.

11a) Der Senat hat insbesondere das Vorbringen des Klägers über die - von ihm auf die angenommene Verfassungswidrigkeit von § 111 BNotO gestützte - vermeintliche Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs berücksichtigt und sich damit auseinandergesetzt. Er hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Klägers in seinem Zulassungsantrag dargelegt, warum es keiner Vorabentscheidung über den Rechtsweg gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG bedurfte. Anders als in dem von dem Kläger ebenfalls betriebenen, bei dem Senat unter dem Aktenzeichen NotZ(Brfg) 12/14 geführten Verfahren war von ihm vorliegend keine Vorabentscheidung begehrt worden.

12b) Im Hinblick auf den Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) hat der Senat sich auch mit den diversen Ablehnungsgesuchen des Klägers gegen Richter des Notarsenats des Oberlandesgerichts umfassend beschäftigt. Wie sich sowohl aus dem Zulassungsantrag als auch der Anhörungsrüge ergibt, führt der Kläger nach wie vor die geltend gemachte Befangenheit der betroffenen Richter der Sache nach allein auf die Zugehörigkeit zu dem Gericht zurück, dessen Präsident Beklagter in den von dem Kläger betriebenen Verfahren ist. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, resultiert daraus keine Befangenheit.

13c) Zudem hat sich der Senat auch mit den Ausführungen des Klägers zu den Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO auseinandergesetzt und dargelegt, warum an der Richtigkeit des Urteils des Oberlandesgerichts auch unter Berücksichtigung der Entwicklungen seit der vorläufigen Amtsenthebung des Klägers keine ernstlichen Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Dass er die Rechtsauffassung des Klägers nicht teilt, stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
EAAAF-04353