BGH Beschluss v. - X ARZ 201/15

Instanzenzug:

Gründe

1I. Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben. In der gegen die "S. AG" gerichteten Klageschrift fordert die Klägerin eine "sofortige Stromzuschaltung sowie Schadensersatz". Zur Begründung verweist sie u.a. auf fehlerhafte Abrechnungen, eine damit zusammenhängende Stromabschaltung und daraus resultierende Schäden. Das Sozialgericht hat die Klage an die "Stadtwerke AG" zustellen lassen und die Parteien darauf hingewiesen, dass die Klage in die Zuständigkeit des Amtsgerichts Görlitz falle. In ihrer Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis ist die Klägerin einer Verweisung an das Amtsgericht entgegen getreten und hat zur Zuständigkeit des Sozialgerichts u.a. ausgeführt, das "J. G. " habe Mitwirkungspflichtenverletzt und sei in die Klage zu "involvieren". Das Sozialgericht hat daraufhin die Klage als gegen den "Landkreis G. , J. " gerichtet angesehen, das Passivrubrum in den Verfahrensdaten entsprechend geändert und als eigentliches Klagebegehren Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung angenommen. Mit Beschluss vom 15. Januar 2015 hat es den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Görlitz verwiesen. Das die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und diesen an das Sozialgericht zurückverwiesen. Es ist der Auffassung, die gerichtsseitige Änderung des Passivrubrums sei vom klägerischen Begehren nicht gedeckt, weshalb der Verweisungsbeschluss objektiv willkürlich sei und daher keine Bindungswirkung entfalte.

2Das Sozialgericht hat eine Rücknahme des Verfahrens abgelehnt. Das Landgericht hat die Akten daraufhin dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zulässigen Rechtswegs vorgelegt.

3II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.

41. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Eine Zuständigkeitsbestimmung ist im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es - wie vorliegend - innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung einer Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (vgl. , MDR 2013, 1242 Rn. 4 mwN).

52. Das Landgericht Görlitz ist zur Fortführung des Verfahrens und weiteren Entscheidung des Rechtsstreits aufgerufen. Seine Rechtswegzuständigkeit beruht auf § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.

6a) Die Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Sozialgerichts, mit dem dieses den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Landkreis als Beklagtem an das Landgericht verwiesen hat. Da weder die Klägerin noch der Landkreis den Verweisungsbeschluss mit der Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG in Verbindung mit § 172 SGG angegriffen haben, ist der Beschluss des Sozialgerichts formell unanfechtbar und bindend geworden (vgl. , MDR 2013, 1242 Rn. 9).

7b) Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, verbleibt neben der gesetzlich eröffneten Überprüfung der Rechtswegzuständigkeit im Rechtsmittelzug jedenfalls grundsätzlich kein Raum (, MDR 2013, 1242 Rn. 12). Sie kommt, wenn überhaupt, allenfalls bei extremen Verstößen gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht.

8Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Sozialgerichts, die Klage sei von Anfang an gegen den Landkreis gerichtet gewesen, jedenfalls aber sei die erste Stellungnahme der Klägerin als gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite anzusehen, im Ergebnis zutreffend ist. Auch wenn dies zu verneinen und als Beklagter ein privatrechtlich organisierter Stromversorger anzusehen wäre, fehlte es an der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten. Öffentlich-rechtliche Beziehungen, die die Zuständigkeit des Sozialgerichts begründen könnten, sind auch unter dieser Prämisse aus dem Klagevorbringen nicht ersichtlich. Schon deshalb ist es weder geboten noch zweckmäßig, die Sache an das Sozialgericht zurückzugeben.

9Sollte das Landgericht bei der weiteren rechtlichen Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Klage zivilrechtliche Ansprüche zum Gegenstand hat, die keine Amtshaftungsansprüche sind, ist es an einer Weiterverweisung an ein örtlich und sachlich zuständiges Amtsgericht nicht gehindert. Eine Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtswegs ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG - anders als eine Verweisung gemäß § 281 ZPO (dazu , NJW 1998, 1219) - nur hinsichtlich des Rechtswegs bindend (vgl. , BAGE 70, 374, 379, 380; , NJW 1996, 742).

Fundstelle(n):
QAAAF-00075