FinMin Schleswig-Holstein - VI 305 - S 1300 - 567

Besteuerung von in Deutschland ansässigem Personal von in Großbritannien und Irland ansässigen Fluggesellschaften; Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG

Hinsichtlich der o. a. Problematik ist je nach Ansässigkeit der Fluggesellschaft und Streitjahr zu unterscheiden.

1. Ausgangslage nach den DBA bzw. dem innerstaatlichen Recht des anderen Staates

1.1 Irland

1.1.1 Rechtslage bis zum Veranlagungszeitraum (VZ) 2010

Nach Art. XII Abs. 3 des DBA Irland 1962 können Vergütungen für Dienstleistungen, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erbracht werden, von Irland besteuert werden, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens in Irland befindet. Tatsächlich unterliegen in Irland die Vergütungen des dort nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Flugpersonals bis einschließlich VZ 2010 nur insoweit einer Besteuerung, als die Vergütungen auf die in Irland ausgeübte Tätigkeit entfällt, d. h. soweit dortige Flughäfen angeflogen werden. Ist Deutschland Ansässigkeitsstaat dieser Personen, sind, unabhängig vom Ort der Tätigkeit, die Vergütungen nach Art. XXII Abs. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 i. V. m. Abs. 3 DBA Irland 1962 vollständig von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Das führt dazu, dass die Vergütungen keiner Besteuerung unterliegen, sofern sie nach den soeben dargestellten Grundsätzen in Irland nicht steuerpflichtig sind.

1.1.2 Rechtslage ab dem VZ 2011

Irland hat sein Steuerrecht ab dem VZ 2011 dahingehend ausgeweitet, dass auch bei beschränkt steuerpflichtigem Flugpersonal Vergütungen für Dienstleistungen, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erbracht werden, von Irland im Rahmen der dort bestehenden beschränkten Steuerpflicht besteuert werden, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens in Irland befindet. Dies gilt auch dann, wenn die Dienstleistungen außerhalb Irlands erbracht werden.

1.1.3 Rechtslage ab VZ 2013 durch Änderung des DBA Irland 2011

In dem neu verhandelten Art. 23 Abs. 2 Buchstabe a DBA Irland 2011 (anzuwenden ab dem ) hat Deutschland die Möglichkeit, sein Besteuerungsrecht im Abkommen selbst zu verankern, genutzt und eine entsprechende Rückfallklausel vereinbart.

1.2 Großbritannien (GB)

1.2.1 Rechtslage bis zum VZ 2010

Nach Art. XI Abs. 5 des deutsch-britischen DBA (DBA-GB) können Vergütungen für Dienstleistungen, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erbracht werden, von GB besteuert werden, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens in GB befindet. Tatsächlich unterliegen in GB die Vergütungen des dort nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Flugpersonals bis einschließlich VZ 2010 nur insoweit einer Besteuerung, als die Vergütungen auf die in GB ausgeübte Tätigkeit entfällt, d. h. soweit dortige Flughäfen angeflogen werden. Ist Deutschland Ansässigkeitsstaat dieser Personen, sind, unabhängig vom Ort der Tätigkeit, die Vergütungen nach Artikel XVIII Abs. 2 Buchstabe a Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Buchstabe b DBA GB 1964 vollständig von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Das führt dazu, dass die Vergütungen keiner Besteuerung unterliegen, sofern sie nach den soeben dargestellten Grundsätzen in GB nicht steuerpflichtig sind.

1.2.2 Rechtslage ab dem VZ 2011

Nach Art. 14 Abs. 3 DBA GB 2010 hat Deutschland ab dem VZ 2011 das ausschließliche Besteuerungsrecht für Vergütungen, die eine in Deutschland ansässige Person für eine an Bord eines im internationalen Verkehr betriebenen Seeschiffs oder Luftfahrzeugs ausgeübte nichtselbständige Arbeit bezieht.

2. Besteuerung in Deutschland

2.1 Irland-Fälle

2.1.1 Besteuerung nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 50d Abs. 8 EStG

Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sind für in Deutschland ansässiges Flugpersonal im internationalen Verkehr von im Ausland ansässigen Fluggesellschaften in Bezug auf den Teil der Vergütung, der in Irland nicht besteuert wird, bis einschließlich VZ 2010 erfüllt, denn solche Einkünfte wären bei einer in Irland unbeschränkt steuerpflichtigen Person dort steuerpflichtig. Die Bezüge sind insoweit nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (vgl. BStBl 2008 I S. 988, ESt-Kartei, Karte 4.1.1 zu § 50d EStG).

Ab VZ 2011 sind die Voraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG in Bezug auf Irland nicht mehr erfüllt, da Irland die Vergütungen für Dienstleistungen, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erbracht werden, sowohl bei dort unbeschränkt als auch bei dort beschränkt steuerpflichtigen Personen besteuert. Daher sind die Vergütungen ab VZ 2011 von der deutschen Bemessungsgrundlage auszunehmen (vgl. BStBl 2012 I S. 1248, ESt-Kartei, Karte 4.1.2 zu § 50d EStG).

2.1.2 

Ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger erzielte im Streitjahr 2007 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Pilot einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland. Die vom irischen Arbeitgeber einbehaltene Steuer auf diese Einkünfte wurde dem Piloten durch die irische Finanzbehörde in voller Höhe erstattet, da Irland national keinen Besteuerungstatbestand für die Einkünfte des in Irland beschränkt steuerpflichtigen Piloten hatte. Das Finanzamt besteuerte den Arbeitslohn im Wege des Besteuerungsrückfalls nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Der BFH entschied im Urteil vom , dass eine Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG (in der Fassung des JStG 2007) durch die vorrangige Regelung des ebenfalls einschlägigen § 50d Abs. 8 EStG verdrängt wird. Sofern der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem das Besteuerungsrecht zusteht, darauf verzichtet, steht § 50d Abs. 8 EStG einer Freistellung nicht entgegen.

2.1.3 Gesetzliche Änderung

Der Gesetzgeber hat auf das mit einer gesetzlichen Änderung reagiert. Zur Wiederherstellung einer Besteuerung im ursprünglichen Sinne wurde § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRL-UmsG) vom ( BGBl. 2013 I S. 1809) dahingehend geändert, dass die in § 50d Abs. 8 und 9 EStG enthaltenen Regelungen nebeneinander anzuwenden sind. Die Gesetzesänderung ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden. Vor diesem Hintergrund wurde das o. a. Urteil vom nicht veröffentlicht, weil es eine nicht mehr bestehende Gesetzeslage zur Grundlage hat.

2.1.4  (AdV-Verfahren)

Ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger erzielte in den Streitjahren 2007, 2009 und 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Pilot einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland. Die vom irischen Arbeitgeber einbehaltene Steuer auf diese Einkünfte wurde dem Piloten durch die irische Finanzbehörde teilweise erstattet, da Irland national die Einkünfte des in Irland beschränkt steuerpflichtigen Piloten nur insoweit besteuert, wie die Flüge innerhalb Irlands durchgeführt werden. In Deutschland besteuerte das Finanzamt den Arbeitslohn im Wege des Besteuerungsrückfalls nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Der BFH hat sich der Vorinstanz () angeschlossen, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG auch dann nicht zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland führt, wenn der Besteuerungsverzicht des anderen Staates nur einen Teil der betreffenden Einkünfte erfasst. Die Rechtsfolgen des § 50d Abs. 9 EStG werden tatbestandlich nur dann ausgelöst, „wenn” – nicht aber „soweit” – die betreffenden Einkünfte im anderen Vertragsstaat nicht steuerpflichtig sind. Da das FG in diesem Fall vor Inkrafttreten des AmtshilfeRL-UmsG und damit vor der Änderung des § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG urteilte, hat der BFH die gegen das FG-Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom abgewiesen.

2.1.5 

Der in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige war bei einer in GB ansässigen Fluggesellschaft angestellt und in den Streitjahren 2007 bis 2009 auf Flügen in- und außerhalb GB eingesetzt. Die zunächst vom Arbeitgeber einbehaltene Lohnsteuer auf das danach zu versteuernde Einkommen wurde, da der steuerbare Teil des Einkommens unter einem allgemeinen Freibetrag lag, später erstattet. Bei nicht in GB ansässigen Piloten im internationalen Luftverkehr werden in GB nur diejenigen Einkommensbestandteile besteuert, die auf Strecken entfallen, bei denen Start oder Landung in GB liegen. Bei denjenigen Bestandteilen, die auf Strecken entfallen, die vollständig außerhalb GB geflogen werden (weder Start noch Landung in GB) wird dagegen auf die Besteuerung verzichtet. Die in GB ansässigen Piloten müssen alle Einkommensbestandteile versteuern.

Das FG teilt in seinem Zwischenurteil die Auffassung des , dass § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG nicht anwendbar ist, „wenn” im anderen Staat (nur) ein Teil der Einkünfte steuerpflichtig ist. Im Übrigen kommt das FG zu dem Ergebnis, dass nach der gesetzlichen Neuregelung durch das AmtshilfeRLUmsG § 50d Abs. 9 EStG auch neben § 50d Abs. 8 EStG anwendbar ist und die rückwirkende Änderung des Konkurrenzverhältnisses nicht verfassungswidrig ist, da sich ein schutzwürdiges Vertrauen nicht bilden konnte.

Das Revisionsverfahren beim BFH wird unter dem Aktenzeichen I R 41/14 geführt. Bis zu einer Entscheidung in diesem Hauptsacheverfahren wird die Veröffentlichung der zurückgestellt.

2.1.6 

Der unbeschränkt Steuerpflichtige erzielte aus seiner Tätigkeit als Pilot bei einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die seitens der irischen Fluggesellschaft einbehaltenen und an die irischen Finanzbehörden abgeführten Steuern wurden auf Antrag des Klägers diesem in voller Höhe erstattet. Der Bruttoarbeitslohn der Streitjahre 2007 bis 2010 wurde seitens des Finanzamtes vollständig der deutschen Besteuerung unterworfen.

Das FG gab der Klage unter Hinweis auf das statt. Mit hat der BFH das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt, um eine Entscheidung darüber einzuholen, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG gegen Verfassungsrecht verstößt und um klären zu lassen, ob die rückwirkende Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig ist.

2.1.7  ( BGBl. 2014 I S. 255)

Das BVerfG hat sich in dem Verfahren 1 BvL 5/08 (zu § 43 Abs. 18 KAGG) mit den verfassungsrechtlichen Grenzen für eine rückwirkende Rechtsetzung auseinandergesetzt. Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung im Steuerrecht liegt danach vor, wenn diese Vorschrift konstitutiven Charakter hat, die Rechtslage also nicht lediglich klarstellt. Da der Beschluss nur zur Anwendung des § 43 Abs. 18 KAGG ergangen ist, entfaltet er nach der Verwaltungsauffassung keine unmittelbare Auswirkung auf die Rückwirkungsklausel in § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG (zur Änderung des § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG). Darüber hinaus ist es der Verwaltung angesichts des eindeutigen Wortlauts und Regelungsgehalts des § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG verwehrt, die BVerfG-Entscheidung vom insoweit normverwerfend anzuwenden.

2.1.8 Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 8 EStG „(Treaty override)”

Der dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG gegen das Grundgesetz verstößt. Das Verfahren beim BVerfG wird unter dem Aktenzeichen 2 BvL 1/12 geführt (vgl. insoweit AO-Kurzinformation Nr. 2014/17).

2.2 GB-Fälle

2.2.1 Besteuerung nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 50d Abs. 8 EStG

Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sind für in Deutschland ansässiges Flugpersonal im internationalen Verkehr von im Ausland ansässigen Fluggesellschaften in Bezug auf den Teil der Vergütung, der in GB nicht besteuert wird, bis einschließlich VZ 2010 erfüllt, denn solche Einkünfte wären bei einer in GB unbeschränkt steuerpflichtigen Person dort steuerpflichtig. Die Bezüge sind insoweit nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (vgl. BStBl I S. 988, ESt-Kartei, Karte 4.1.1 zu § 50d EStG).

Ab VZ 2011 können Vergütungen, die eine Person für eine an Bord eines im internationalen Verkehr betriebenen Luftfahrzeugs ausgeübte nichtselbständige Arbeit bezieht, nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden (vgl. BStBl 2012 I S. 1248, ESt-Kartei, Karte 4.1.2 zu § 50d EStG).

3. Fazit


Tabelle in neuem Fenster öffnen
VZ
Irland
GB
bis 2010
Besteuerung der in Irland freigestellten Einkünfte
Besteuerung der in GB freigestellten Einkünfte
VZ 2011 und 2012
wenn kein Fall des § 50d Abs. 8 EStG → keine Besteuerung land der in Irland freigestellten Einkünfte
ausschließliche Besteuerung in Deutschland
ab VZ 2013
Besteuerung der in Irland nicht besteuerten Einkunftsteile
ausschließliche Besteuerung in Deutschland

FinMin Schleswig-Holstein v. - VI 305 - S 1300 - 567

Fundstelle(n):
YAAAE-79683