BGH Urteil v. - IX ZR 41/14

Betriebliche Altersversorgung durch Versicherungsvertrag für einen GmbH-Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH: Widerruf eines eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts; Anspruch des Geschäftsführers auf Zahlung der Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Insolvenzverfahrenseröffnung; Befreiung des Versicherers von der Zahlungsverbindlichkeit durch Zahlung an einen nach Erlass eines Zustimmungsvorbehalts zum Einzug ermächtigten Dritten

Leitsatz

1. Erteilt der später in Insolvenz gefallene Arbeitgeber seinem Geschäftsführer in einem zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung geschlossenen Versicherungsvertrag ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht, kann das Bezugsrecht nicht widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen des Vorbehalts nicht gegeben sind.

2. Hat der Arbeitgeber seinem Geschäftsführer ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, so erwirbt der Geschäftsführer den Anspruch gegen die Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme, wenn der Versicherungsfall nach Verfahrenseröffnung eintritt, ohne dass der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht widerrufen hat.

3. Ermächtigt der Versicherungsnehmer nach Erlass eines Zustimmungsvorbehalts einen Dritten zum Einzug einer ihm zustehenden Versicherungsforderung, wird der Versicherer auch bei Gutgläubigkeit nicht durch die Zahlung an den Ermächtigten von seiner Verbindlichkeit befreit.

Gesetze: § 21 Abs 2 Nr 2 InsO, § 24 Abs 1 InsO, § 47 InsO, § 81 Abs 1 S 1 InsO, § 82 InsO, § 91 Abs 1 InsO, § 159 Abs 2 VVG, § 159 Abs 3 VVG, § 185 Abs 1 BGB, § 362 Abs 2 BGB

Instanzenzug: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Az: 3 U 52/13 Urteilvorgehend Az: 6 O 1767/12

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem am über das Vermögen der M.                    GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Bereits am wurde der Kläger von dem Amtsgericht Bremen zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, der Schuldnerin ein Zustimmungsvorbehalt auferlegt und der Kläger ermächtigt, Forderungen der Insolvenzschuldnerin einzuziehen. Diese Anordnungen wurden noch am im amtlichen Internetportal öffentlich bekannt gemacht.

2Die Schuldnerin unterhielt bei der Beklagten für ihren Geschäftsführer      R.   als Versicherten im Blick auf eine ihm erteilte Versorgungszusage eine Rentenversicherung und eine kapitalbildende Lebensversicherung in Form einer Rückdeckungsversicherung. Die im Jahre 1994 abgeschlossene Rentenversicherung, die ein Kapitalwahlrecht vorsah, lief zum ab; nach dem Inhalt des Vertrages war R.   als Versicherter sowohl für den Todes- als auch den Erlebensfall unter dem Vorbehalt der Unverfallbarkeit unwiderruflich bezugsberechtigt. Vor dem Ablaufdatum beantragte R.   am die Erbringung der Kapitalzahlung anstelle laufender Rentenzahlungen. Die im Jahre 1995 abgeschlossene, als Direktversicherung ausgestaltete Lebensversicherung endete am . Insoweit war R. lediglich widerruflich bezugsberechtigt. Die Rechte aus der Lebensversicherung verpfändete die Schuldnerin am zugunsten von R.  . Dies wurde der Beklagten angezeigt.

3Auf Anweisung von R.   entrichtete die Beklagte am den kapitalisierten Barwert aus der Rentenversicherung in Höhe von 40.774,41 € an dessen Tochter sowie am die Ablaufleistung aus der Lebensversicherung in Höhe von 99.157,57 € direkt an R.  . Im Zeitpunkt beider Zahlungen waren der Beklagten mangels Einsichtnahme in das Internetportal die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts und die Verfahrenseröffnung unbekannt.

4Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 139.931,96 € in Anspruch. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

5Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

7Die Beklagte habe die Leistungen aus den beiden Versicherungsverträgen gemäß § 362 BGB in Verbindung mit § 82 InsO mit schuldbefreiender Wirkung an den Versicherten erbracht, weil sie zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt unstreitig keine positive Kenntnis von den angeordneten vorläufigen Verfügungsbeschränkungen gehabt habe. Eine Kenntnis könne nicht aufgrund des Umstandes unterstellt oder fingiert werden, dass die Beklagte vor der Zahlung weder eine individuelle Internetabfrage vorgenommen noch einen automatisierten Datenabgleich mit dem Internetportal implementiert habe. Ein mögliches Organisationsverschulden könne eine Kenntnisfiktion nicht herbeiführen, weil § 82 InsO eine Befreiung des Leistenden nur bei positiver Kenntnis und nicht schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis ausschließe.

8Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes lasse sich eine Obliegenheit zur Abgleichung von Kundendaten mit Internetseiten, auf denen Insolvenzverfahren öffentlich bekannt gemacht würden, nicht im Wege der Rechtsfortbildung herleiten. Eine etwaige zukünftige Änderung der technischen Möglichkeiten zum Abgleich von Unternehmensdaten mit den öffentlichen Bekanntmachungen über Insolvenzeröffnungen habe entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht zur Folge, dass die Berufung institutioneller Gläubiger auf § 82 InsO rechtsmissbräuchlich sei.

II.

9Diese Ausführungen tragen die angefochtene Entscheidung nicht. Die Klage ist, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 82 InsO bedarf, im Ergebnis unbegründet, weil die Beklagte die Versicherungsleistungen jeweils mit befreiender Wirkung (§ 362 BGB) an R.   als dem Bezugsberechtigten (§ 159 VVG) erbracht hat. Da Ansprüche aus einer Rentenversicherung und einer Lebensversicherung betroffen sind, ist die Regelung des § 159 VVG im Streitfall anwendbar (vgl. Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 159 Rn. 1).

101. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung des Barwerts der Rentenversicherung in Höhe von 40.774,41 €. An dieser Versicherung stand dem Geschäftsführer R.   als unwiderruflich Bezugsberechtigtem (§ 159 Abs. 3 VVG) jedenfalls ein insolvenzfestes Aussonderungsrecht zu (§ 47 InsO). Die Beklagte hat ihre gegenüber R.   bestehende Verbindlichkeit durch Zahlung an dessen Tochter als Einziehungsermächtigte mit befreiender Wirkung erfüllt (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB).

11a) Hinsichtlich der Bezugsberechtigung an einer Versicherungsleistung ist zwischen dem Rechtsverhältnis des Arbeitgebers und Versicherungsnehmers zum Versicherer (Deckungsverhältnis) und dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Versorgungsverhältnis, Valutaverhältnis) zu unterscheiden. Das Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Versicherer richtet sich allein nach dem Versicherungsvertrag. Demgegenüber richten sich die auf die Versicherung bezogenen Verpflichtungen des Arbeitgebers nach dem Rechtsverhältnis, das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht. Das kann dazu führen, dass der Arbeitgeber aus dem Versicherungsvertrag abgeleitete Rechte versicherungsrechtlich ausüben kann, obwohl er dies nach den arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnissen nicht darf. Versicherungsrechtlich ist in diesem Falle die Ausübung wirksam. Arbeitsrechtlich können jedoch Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche, bestehen (, BAGE 134, 372 Rn. 17; vom - 3 AZR 176/10, ZIP 2012, 2269 Rn. 13).

12b) Die Frage, ob die Rechte aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossenen Direktversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers der Masse zustehen oder ob der Arbeitnehmer ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO hat, ist allein nach der versicherungsrechtlichen Lage zu beantworten. Allein danach richtet sich, in welcher Weise der Arbeitgeber noch in der Lage ist, rechtswirksam auf die Versicherung zuzugreifen, und ob diese Rechte noch zu seinem Vermögen gehören, in das der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO bei Insolvenzeröffnung eintritt ( aaO Rn. 18 f; vom , aaO Rn. 13).

13aa) Hat der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer dem Arbeitnehmer als Versichertem - was nach § 159 VVG (früher: § 166 VVG) der gesetzliche Regelfall ist - lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht im Versicherungsfall eingeräumt, kann er die bezugsberechtigte Person jederzeit ersetzen. Der Versicherte hat vorher lediglich eine Hoffnung auf die später fällig werdende Leistung ( aaO Rn. 21; vom , aaO Rn. 14; vgl. , WM 1984, 817, 818). Diese Rechte gehören in das Vermögen des Arbeitgebers und fallen mit Insolvenzeröffnung in die Insolvenzmasse (, WM 2002, 1852, 1853; BAG, jeweils aaO).

14bb) Räumt der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer dem Arbeitnehmer als Versichertem dagegen abweichend hiervon ein unwiderrufliches Bezugsrecht ein, stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag von vornherein dem Arbeitnehmer zu. Mit der Unwiderruflichkeit erhält das Bezugsrecht dingliche Wirkung. Insolvenzrechtlich hat dies zur Folge, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zum Vermögen des Arbeitgebers und damit auch nicht zur Insolvenzmasse gehören. Sie stehen vielmehr dem Arbeitnehmer zu, der deshalb ein Aussonderungsrecht hat ( aaO Rn. 22; vom , aaO Rn. 15 jeweils mwN). Im Falle der Unwiderruflichkeit gehört das Bezugsrecht also sofort zum Vermögen des Begünstigten (Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, 2006, S. 48).

15cc) Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Versicherungsvertrag ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, dieses jedoch unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen - sogenannt eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht -, so ist zu unterscheiden: Wenn die Voraussetzungen des Widerrufsvorbehalts vorliegen, bleibt das Widerrufsrecht ebenso erhalten wie im gesetzlichen Regelfall. Das Bezugsrecht kann dann widerrufen werden. Der Insolvenzverwalter kann von der Widerrufsmöglichkeit Gebrauch machen mit der Folge, dass die Rechte aus der Versicherung der Masse zustehen. Sind die Voraussetzungen des Vorbehalts demgegenüber nicht gegeben, kann das Bezugsrecht nicht widerrufen werden ( aaO Rn. 23; vom , aaO Rn. 16). Das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht steht also einem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht gleich, solange die tatbestandlichen Voraussetzungen des vereinbarten Vorbehalts nicht erfüllt sind (, WM 2005, 2141, 2142; Beschluss vom - IX ZR 85/04, ZIP 2005, 1836, 1837; Urteil vom - IV ZR 134/05, WM 2006, 1393 Rn. 10; vom - IV ZR 127/12, nv Rn. 11). Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gehören dann zum Vermögen des Arbeitnehmers und nicht zur Masse. Der Arbeitnehmer hat ein Aussonderungsrecht ( aaO Rn. 23; vom , aaO Rn. 16).

16c) Maßgeblich für den Inhalt eines Bezugsrechts ist, welche konkrete Ausgestaltung der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer ihm in seiner Erklärung gegenüber dem Versicherer gegeben hat. Im Streitfall war der Geschäftsführer R.   eingeschränkt unwiderruflich Bezugsberechtigter. Da die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vorlagen, hat er hinsichtlich der Versicherungsleistungen ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) erworben.

17aa) Ausweislich des Versicherungsscheins sollte der Geschäftsführer R.   unwiderruflich zum Bezug der Versicherungsleistung berechtigt sein. Allerdings hatte sich die Schuldnerin das Recht vorbehalten, die Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles endete, es sei denn, der Versicherte hatte das 35. Lebensjahr vollendet und entweder die Versicherung zehn Jahre oder das Arbeitsverhältnis zwölf Jahre und die Versicherung drei Jahre bestanden. Entsprechendes galt, wenn der Versicherte Handlungen begeht, die den Arbeitgeber berechtigen, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen.

18bb) Die grundsätzliche Unwiderruflichkeit des von der Schuldnerin ihrem Geschäftsführer eingeräumten Bezugsrechts wurde durch diese Vertragsregelungen eingeschränkt. Es handelt sich um eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), deren Einfügung den sofortigen Eintritt der rechtlichen Wirkungen des Rechtsgeschäfts nicht hindert (vgl. , WM 2012, 2294 Rn. 10). Damit erlangt der Bezugsberechtigte die Rechte aus dem Versicherungsvertrag sofort in vollem Umfang (vgl. BGH, aaO Rn. 16). Solange die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Vorbehalts nicht erfüllt sind, steht das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht einem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht gleich.

19cc) Die Vorbehalte haben sich im Streitfall nicht verwirklicht. Zum einen endete das Dienstverhältnis nicht vor Eintritt des Versorgungsfalls; eine insolvenzbedingte Beendigung wäre unschädlich ( aaO S. 2142 f; Beschluss vom , aaO S. 1837). Ferner kann dahin stehen, ob der Geschäftsführer R.   Handlungen vorgenommen hat, welche die Schuldnerin berechtigten, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen. Dieser Vorbehalt hätte jedenfalls nur bis zum Ablauf der Versicherung am geltend gemacht werden können. Der Kläger hat jedoch erst in der Klageschrift vom unter Berufung auf von dem Geschäftsführer R.  nach Insolvenzreife vorgenommene verbotene Zahlungen (§ 64 GmbHG) den Vorbehalt ausgeübt. Zu diesem Zeitpunkt hatte R.   die Versicherungsleistung aus dem am abgelaufenen Versicherungsvertrag bereits rechtswirksam erworben (vgl. , BGHZ 45, 162, 165). Können die Vorbehalte nicht mehr umgesetzt werden, hat der eingeschränkt unwiderruflich bezugsberechtigte Arbeitnehmer die Rechtsstellung eines uneingeschränkt unwiderruflich bezugsberechtigten Arbeitnehmers (BAG, aaO; aaO S. 2142; Bruck/Möller/Winter, VVG, 9. Aufl., § 159 Rn. 243). Da R.  Rechtsinhaber war, ist ohne Bedeutung, dass die Beklagte der Umwandlung des Rentenbezugs in eine Kapitalleistung zugestimmt hat, obwohl der Antrag von R.   entgegen den Vertragsbedingungen später als drei Monate vor Beginn der Rentenzahlung gestellt worden war.

202. Ebenso hat die Beklagte die Ablaufleistung aus der Lebensversicherung in Höhe von 99.157,57 € an R.   nach Verwirklichung der Bezugsberechtigung mit Erfüllungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB) ausgekehrt.

21a) Durch die Erteilung einer lediglich widerruflichen Bezugsberechtigung (§ 159 Abs. 2 VVG) hat der Dritte vor Eintritt des Versicherungsfalls weder einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag noch eine sonstige gesicherte Rechtsposition - etwa ein Anwartschaftsrecht - erworben.

22Vielmehr besitzt der Dritte lediglich eine mehr oder weniger starke tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs. Da der Versicherungsnehmer sich allein durch die widerrufliche Benennung des Dritten keiner Rechte aus dem Vertrag begeben hat, also jederzeit die Bezugsberechtigung durch einseitige Erklärung auf sich selbst oder eine andere Person umleiten kann, verbleiben vor dem Eintritt des Versicherungsfalles alle vertraglichen Rechte bei ihm (, BGHZ 156, 350, 356). Das widerrufliche Bezugsrecht gemäß § 159 Abs. 2 VVG ist darum nicht mehr als eine ungesicherte Hoffnung auf den Erwerb eines künftigen Anspruchs, mithin rechtlich ein Nullum (, ZIP 2010, 1964 Rn. 3 mwN; , BAGE 134, 372 Rn. 21; vom - 3 AZR 176/10, ZIP 2012, 2269 Rn. 14; Bruck/Möller/Winter, VVG, 9. Aufl., § 159 Rn. 52). Es vermag nach allgemein anerkannter Ansicht in der Insolvenz kein Aussonderungsrecht desjenigen, zu dessen Gunsten die Schuldnerin eine Direktversicherung abgeschlossen hat, zu begründen (, WM 2002, 1852, 1853).

23b) Mit Eintritt des Versicherungsfalls entfällt das bis dahin widerrufliche Bezugsrecht vollständig. Die in ihm verkörperte bloße tatsächliche Hoffnung verwirklicht sich, indem der Bezugsberechtigte den neu entstandenen Anspruch gegen die Versicherung auf die Versicherungssumme erwirbt ( aaO).

24Es entspricht ständiger, vom Reichsgericht begründeter (vgl. RGZ 51, 403, 404 f; 54, 94, 96; 61, 217, 219; 80, 175, 177 f; 88, 137, 138 f; 127, 269, 271; 128, 187, 190) höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Begünstigte eines Lebensversicherungsvertrages den Anspruch auf die Versicherungssumme mit Eintritt des Versicherungsfalls originär selbst erwirbt (, BGHZ 130, 377, 380; vom - IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 353; vom - IV ZR 112/95, WM 1996, 1634, 1635; Beschluss vom , aaO Rn. 2 mwN). Folglich findet kein Rechtsübergang von der Masse an den Bezugsberechtigten statt, dem § 91 Abs. 1 InsO entgegenstehen könnte ( aaO Rn. 2, 3 jeweils am Ende). Der Erwerb setzt allerdings voraus, dass die Bezugsberechtigung noch besteht (vgl. Kayser in Festschrift Kreft, 2004, 341, 349).

25c) Die Lebensversicherung ist am abgelaufen. Zwar war bereits am das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden. Die Rechte aus der Lebensversicherung hat R.  als Bezugsberechtigter jedoch unmittelbar aufgrund der fortbestehenden widerruflichen Bezugsberechtigung von der Beklagten erlangt.

26aa) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlieren die Ansprüche der Parteien eines Versicherungsvertrages, insbesondere eines Lebensversicherungsvertrages, lediglich ihre Durchsetzbarkeit, bleiben aber als solche erhalten. Die Verfahrenseröffnung bewirkt keine materiell-rechtliche Umgestaltung des Versicherungsvertrages (, ZIP 2012, 34 Rn. 18). Darum muss der Verwalter den Vertrag beenden, um den Rückkaufswert zur Masse zu ziehen (, BAGE 134, 372 Rn. 21). Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter nur dann gegen den Lebensversicherer einen Anspruch auf Zahlung des Rückkaufswerts hat, wenn er den Versicherungsvertrag kündigt. In der Kündigung ist zugleich der Widerruf der Bezugsberechtigung des Dritten zu erkennen (, WM 2005, 937, 938; Bruck/Möller/Winter, VVG, 9. Aufl., § 159 Rn. 484; MünchKomm-VVG/Heiss, 2011, § 159 Rn. 130). Das Widerrufsrecht geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über (RG, Veröffentlichungen des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung, 13. Jahrgang (1914), Anhang S. 78 Nr. 831). Infolge des Widerrufs der Bezugsberechtigung steht nach einer Kündigung des Insolvenzverwalters der Rückkaufswert der Masse zu ( aaO Rn. 23; vom - 3 AZR 176/10, ZIP 2012, 2269 Rn. 16; MünchKomm-InsO/Huber, 3. Aufl., § 103 Rn. 118; Schmidt/Büteröwe, InsO, 18. Aufl., § 35 Rn. 15; Bruck/Möller/Winter, VVG, 9. Aufl., § 159 Rn. 483; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, 2006, S. 48 f).

27bb) Sofern der Insolvenzverwalter weder den Versicherungsvertrag kündigt noch die Bezugsberechtigung widerruft, erstarkt die Rechtsstellung des Bezugsberechtigten bei Eintritt des Versicherungsfalls (Kayser, aaO S. 51). Damit verliert der Insolvenzverwalter die Möglichkeit der Verfügung über den Versicherungsvertrag und insbesondere das Recht zum Widerruf (Bruck/Möller/Winter, VVG, 9. Aufl., § 159 Rn. 482 ff; Kayser, aaO S. 51 f; Hasse, VersR 2005, 15, 32; Gittermann, Der Widerruf einer Bezugsberechtigung im Lebensversicherungsvertrag, Diss. Göttingen 1953, S. 86 f; Bruck/Dörstling, Das Recht des Lebensversicherungsvertrages, 2. Aufl., 1933, § 15 Anm.15 f). Da der Kläger hier vor Ablauf des Versicherungsvertrages das Kündigungs- und Widerrufsrecht nicht wahrgenommen hat, erlangte R.   die Rechte aus der Lebensversicherung mit Vertragsablauf. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob der Kläger infolge der Verpfändung der Versicherung an R.   gehindert war, dessen Bezugsberechtigung zu widerrufen (vgl. aaO S. 938 f; vom , aaO Rn. 33).

283. Schließlich kann dahinstehen, ob im Streitfall Pfandreife eingetreten und R.   im Verhältnis zu dem Kläger gemäß § 1282 Abs. 1, § 1228 Abs. 2 BGB zum Einzug der Versicherungsforderungen berechtigt war (vgl. , WM 2013, 935 Rn. 14 ff). Das Einziehungsrecht von R.   beruht hier unabhängig von der Verpfändung im Verhältnis zu der Beklagten auf der ihm von der Schuldnerin erteilten Bezugsberechtigung (§ 159 Abs. 2, 3 VVG). Der Bezugsberechtigte erwirbt einen unmittelbaren vertraglichen Anspruch (§ 330 BGB) gegen den Versicherer (MünchKomm-VVG/Heiss, § 159 Rn. 65). Das Bezugsrecht hängt allein von den dafür im Versicherungsvertrag vereinbarten Bedingungen ab; Erstattungsansprüche können nur im Valutaverhältnis des Versicherungsnehmers zu dem Bezugsberechtigten bestehen (, BGHZ 128, 125, 132 f). Diese sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

III.

29Hätte R.   - wie das Berufungsgericht unterstellt hat - kein Bezugsrecht erworben und stünden die Versicherungsleistungen der Schuldnerin zu, wäre die Beklagte - wie ergänzend anzumerken ist - durch die an ihn bewirkte Zahlung entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts nicht gemäß § 82 InsO von ihrer Leistungspflicht gegenüber der Schuldnerin befreit worden. Die Schuldnerin war wegen des gegen sie angeordneten Zustimmungsvorbehalts gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO nicht berechtigt, diese Personen mit Hilfe einer Einziehungsermächtigung (§ 362 Abs. 2, § 185 BGB) als Leistungsempfänger einzusetzen.

301. Der Schutz des § 82 InsO beschränkt sich auf den guten Glauben des Leistenden in den Fortbestand der zum Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit noch gegebenen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder den Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots nachträglich entfallenden Empfangszuständigkeit des Schuldners (, WM 2012, 1553 Rn. 6). Die Vorschrift greift hingegen nicht zugunsten des Leistenden ein, wenn durch eine von dem Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots getroffene Verfügung - gleich ob im Wege einer Forderungsabtretung (§§ 398 ff BGB) oder einer Einziehungsermächtigung (§ 362 Abs. 2 BGB, § 185 Abs. 1) - die Einziehungsbefugnis eines Dritten begründet werden soll. Verfügungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung oder nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots sind - abgesehen von Fällen eines grundbuchmäßigen Gutglaubensschutzes - gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO schlechthin unwirksam (BGH, aaO).

312. Ermächtigt danach der noch uneingeschränkt verfügungsbefugte Schuldner einen anderen zum Empfang einer Leistung (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB), wird ein Drittschuldner im Falle einer nach Verfahrenseröffnung an den Ermächtigten bewirkten Leistung gemäß § 82 Satz 1 InsO von seiner Schuld befreit, wenn er keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hatte. Erteilt der Schuldner die Ermächtigung hingegen erst nach Verfahrenseröffnung oder nach Erlass eines Verfügungsverbots (§ 81 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO), ist die Ermächtigung als Verfügung unwirksam. Dann kommt einer Leistung auch des gutgläubigen Drittschuldners an den vermeintlich Ermächtigten keine schuldbefreiende Wirkung zu (BGH, aaO Rn. 7 f mwN; Beschluss vom - IX ZR 213/11, WM 2012, 1496 Rn. 14).

323. Eine Einziehungsermächtigung kann gemäß § 362 Abs. 2, § 185 BGB erteilt werden, indem der Dritte vom Gläubiger ermächtigt wird, die Leistung (mit befreiender Wirkung) in Empfang zu nehmen, oder indem der Forderungsschuldner vom Gläubiger ermächtigt wird, die Leistung (mit befreiender Wirkung) an den Dritten zu erbringen (, BGHZ 87, 156, 163; vom - IX ZR 133/10, WM 2011, 1178 Rn. 12). Da die Schuldnerin vertreten durch ihren Geschäftsführer R.   (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) die Beklagte am 7. Februar und angewiesen hat, die Versicherungsforderungen an dessen Tochter sowie an diesen selbst als Privatperson auszuzahlen, beruht die Forderungszuständigkeit beider Leistungsempfänger auf einer ihnen von der Schuldnerin durch Erklärung an die Beklagte als ihrer Forderungsschuldnerin erteilten Einziehungsermächtigung. Zu den maßgeblichen Zeitpunkten war die Schuldnerin wegen des bereits am ergangenen Zustimmungsvorbehalts nicht mehr verfügungsbefugt (§ 81 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO).

Kayser                      Gehrlein                        Vill

              Fischer                          Grupp

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 2753 Nr. 46
DB 2014 S. 2646 Nr. 46
DB 2014 S. 7 Nr. 46
DStR 2014 S. 12 Nr. 47
NJW 2015 S. 341 Nr. 5
WM 2014 S. 2183 Nr. 46
ZIP 2014 S. 2251 Nr. 46
ZIP 2014 S. 87 Nr. 45
FAAAE-78781