BGH Beschluss v. - XII ZB 719/12

Verjährungsfrist für Unterhaltsforderungen aus einem vollstreckbaren Unterhaltsabfindungsvergleich

Leitsatz

Zur (hier: dreißigjährigen) Verjährungsfrist für Unterhaltsforderungen aus einem vollstreckbaren Unterhaltsabfindungsvergleich.

Gesetze: § 197 Abs 1 Nr 4 BGB, § 197 Abs 2 BGB

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 2 UF 177/12vorgehend AG Bamberg Az: 206 F 1452/11

Gründe

I.

1Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) wendet sich im Wege des Vollstreckungsgegenantrags gegen die Zwangsvollstreckung durch die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) wegen Ehegattenunterhalts nebst Zinsen.

2Die Beteiligten schlossen im Jahr 1992 die Ehe, aus der ein inzwischen volljähriger Sohn hervorgegangen ist. Die Ehe wurde am rechtskräftig geschieden.

3Durch Vergleich vom sowie durch wurden unter anderem Regelungen zum Kindes- sowie zum Trennungsunterhalt getroffen. Am schlossen die Beteiligten im Scheidungsverfahren einen gerichtlichen Vergleich, in dem unter anderem der Ehegattenunterhalt geregelt wurde.

4Ziff. 2 des Vergleichs lautet:

"Zur Abgeltung der Ansprüche der Antragsgegnerin auf Trennungsunterhalt (einschl. des bisher titulierten Trennungsunterhaltes) und nachehelichen Unterhaltes zahlt der Antragsteller an die Antragsgegnerin 65.000 € in folgenden Raten:

a) bis : 20.000 €

b) bis : 15.000 €

c) bis : 15.000 € und

d) bis : 15.000 €.

Ab Verzug ist der jeweils rückständige Betrag mit 5 % über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen.

Im Übrigen verzichten die Parteien wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt auch für den Fall der Not und der Erwerbslosigkeit und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an."

5Mit Schreiben vom forderten die Antragsgegnervertreter den Ehemann zur Zahlung von 60.633,57 € auf, um weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden. Dabei verwiesen sie auf eine Forderungsaufstellung, in der als Titel der Vergleich vom , der Beschluss vom und ein Vergleich vom genannt waren.

6Der Ehemann hat zunächst beantragt, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich Ziff. 1 und 2 der Vereinbarung vom , hinsichtlich Ziff. 1 und 2 des Beschlusses vom und hinsichtlich Ziff. 1 des Vergleichs vom für unzulässig zu erklären. Nachdem die Ehefrau klarstellte, nur wegen des Ehegattenunterhalts aus Ziff. 2 des Vergleichs vom zu vollstrecken, hat er sein Begehren, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, nur im Hinblick auf diesen Titel aufrechterhalten und insoweit die Einrede der Verjährung erhoben. Im Übrigen hat er seinen Antrag für erledigt erklärt. Die Ehefrau hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt.

7Das Amtsgericht hat im beantragten Umfang die Erledigung der Hauptsache festgestellt und den weitergehenden Antrag abgewiesen. Die Beschwerden beider Beteiligten, mit denen sie jeweils ihre Begehren weiterverfolgt haben, sind erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Ehemann weiterhin, die Zwangsvollstreckung aus Ziff. 2 des Vergleichs vom für unzulässig zu erklären.

II.

8Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

91. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung über die Beschwerde des Ehemanns ausgeführt:

10Der Zinsanspruch sei nicht verjährt. In der Forderungsaufstellung vom sei eine offene Zinsforderung aus dem Zeitraum vom bis zum in Höhe von 4.611,78 € enthalten. Die Zinsforderung aus dem vorangegangenen Zeitraum vom bis 24. (richtig: 23.) September 2008 sei durch Erfüllung erloschen. Aus den Forderungsaufstellungen gehe hervor, dass eingehende Zahlungen entsprechend der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet worden seien. Nicht getilgt sei danach die Zinsforderung aus dem Zeitraum vom bis zum in Höhe von 4.611,78 €. Für Verzugszinsen gelte gemäß §§ 195, 197 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BGB die Regelverjährung von drei Jahren. Die dreijährige Verjährung des betreffenden Anspruchs seit dem habe mit Ablauf des begonnen. Aufgrund des Vollstreckungsauftrags vom habe die Verjährung von diesem Zeitpunkt an erneut begonnen (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB), so dass hinsichtlich des Zinsanspruchs seit dem keine Verjährung eingetreten sei.

11Auch der Hauptanspruch sei nicht verjährt. Es handele sich um einen Anspruch aus einem vollstreckbaren Vergleich. Soweit ein solcher Anspruch künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen zum Inhalt habe, trete an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB). Ein Anspruch der vorgenannten Art müsse sich seiner Natur nach auf Leistungen richten, die in zeitlicher Wiederkehr zu erbringen seien. Es müsse sich um eine Verbindlichkeit handeln, die nur in den fortlaufenden Leistungen bestehe und darin ihre charakteristische Erscheinung habe, und nicht etwa um eine in Raten zerlegte Kaufpreisforderung oder sonstige Kapitalschuld. Daher gelte § 197 Abs. 2 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa nicht für einen Aufopferungsanspruch in Rentenform, da es sich hierbei um einen einheitlichen Anspruch handle, bei dem die zeitliche Aufteilung der Leistungen nur eine besondere Form der Erfüllung darstelle. So liege der Fall auch hier. Vorliegend bestehe die vereinbarte Verbindlichkeit nicht in regelmäßig wiederkehrenden Leistungen. Sie habe darin auch nicht ihre charakteristische Erscheinung. Es handle sich zwar nach wie vor um eine Unterhaltsschuld. Diese sei aber nicht mehr regelmäßig wiederkehrend zu erfüllen, sondern in einem einmaligen Abfindungsbetrag. Die Merkmale der ursprünglichen Unterhaltsforderung, dass die Leistungen in zeitlicher Wiederkehr zu erbringen und die einzelnen Unterhaltsleistungen jeweils an einen bestimmten Zeitabschnitt gebunden seien, besitze der vereinbarte Abfindungsbetrag nicht mehr. Er sei auch nicht zeitlich wiederkehrend zu erbringen; die Aufteilung der Zahlung in vier Raten stelle nur eine besondere Form der Erfüllung dar. Abgesehen davon greife der Schutzzweck der kurzen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 2 BGB im vorliegenden Fall nicht ein. Da es sich somit nicht um eine wiederkehrende Leistung handle, gelte gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB die 30-jährige Verjährungsfrist.

122. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Anspruch auf Zahlung der Hauptforderung ist nicht verjährt, weil das Berufungsgericht insoweit zu Recht von einer 30-jährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist.

13a) Nach § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB verjähren Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen in 30 Jahren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach Abs. 2 der Bestimmung tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), soweit die Ansprüche nach Abs. 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben.

14Ein Anspruch auf Rückstände von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen iSv § 197 Abs. 2 BGB ist dann gegeben, wenn der Anspruch von vornherein und seiner Natur nach auf Leistungen gerichtet ist, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind, insbesondere wenn der Gesamtumfang der geschuldeten Leistungen nicht beziffert werden kann, weil der Anspruch zeitabhängig entsteht ( - NJW 2005, 3146, 3147 mwN). Andererseits findet nicht auf jeden Zahlungsanspruch auf wiederkehrende Leistungen die regelmäßige Verjährungsfrist Anwendung. So sind die vorgenannten Voraussetzungen bei einem Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB auch in den Fällen nicht erfüllt, in denen wegen wiederkehrenden Bedarfs wiederkehrende Teilwertersatzleistungen in Geld bis zur Erschöpfung des Werts der Schenkung zu erbringen sind. Zwar besteht in diesen Fällen ein Anspruch auf Zahlung einer Geldrente. Für eine Qualifizierung als regelmäßig wiederkehrende Leistung iSv § 197 Abs. 2 BGB ist jedoch nicht ausreichend, dass eine bestimmte Verbindlichkeit in Rentenform geschuldet wird. Gegen eine Einordnung als regelmäßig wiederkehrende Leistung im Sinne dieser Vorschrift spricht entscheidend, dass sich der Rückforderungsanspruch des Schenkers - anders als etwa Unterhaltsansprüche - nicht als ein "Stammrecht" darstellt, aus dem einzelne abtrennbare Ansprüche (laufend) fließen. Vielmehr handelt es sich auch bei dem auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Teilwertersatzanspruch um einen einheitlichen Anspruch auf teilweise Herausgabe des Geschenkes in Form einer Ersatzleistung in Geld (BGHZ 146, 228, 233 = FamRZ 2001, 409, 410 mwN).

15b) Wiederkehrende Leistungen iSv § 197 Abs. 2 BGB, zu denen Unterhaltsforderungen regelmäßig gehören, verlieren diesen Charakter grundsätzlich nicht dadurch, dass sie in einer Summe ausgeworfen werden (Staudinger/Peters/Jacoby BGB [2009] § 197 Rn. 74). Zur Kapitalisierung künftiger Leistungen, etwa einer Unterhaltsrente, wird insofern allerdings vertreten, dass sich hierdurch der Charakter der Schuld so nachhaltig ändere, dass in aller Regel von einer Novation auszugehen sei, weshalb § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB und nicht § 197 Abs. 2 BGB anwendbar sei (Staudinger/Peters/Jacoby BGB [2009] § 197 Rn. 74).

16aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Abgrenzung zwischen einer Änderung des Schuldverhältnisses und einer Novation durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Bei dieser Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, im Hinblick auf die damit verbundenen einschneidenden Folgen große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen. Im Zweifel ist daher eine bloße Änderung des Schuldverhältnisses anzunehmen ( - NZM 2013, 545 Rn. 14 mwN).

17bb) Ob das Beschwerdegericht von einer Novation des Schuldverhältnisses oder von dessen Änderung ausgegangen ist, lässt sich der Entscheidung nicht zweifelsfrei entnehmen. Die vom Beschwerdegericht angestellten Erwägungen tragen aber die Annahme, dass das Schuldverhältnis in der Weise geändert worden ist, dass an die Stelle laufender Unterhaltszahlungen im Interesse beider Beteiligten ein Abfindungsbetrag getreten ist. Die für eine Unterhaltsschuld charakteristische Erbringung der Leistung in zeitlicher Wiederkehr und für bestimmte Zeitabschnitte ist entfallen. Die Unterhaltsschuld ist nicht mehr in einzelne Forderungen zerlegbar, vielmehr ist sogar der bei Abschluss des Vergleichs bereits fällige rückständige Trennungsunterhalt in dem Betrag von 65.000 € mit erfasst worden, obwohl es sich von vornherein nicht um künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen iSv § 197 Abs. 2 BGB handelt. Angesichts dieser Sachlage begegnet die tatrichterliche Würdigung keinen Bedenken, dass den Unterhaltsleistungen durch die begründete Verpflichtung zur Zahlung eines Abfindungsbetrags der Charakter einer wiederkehrenden Leistung iSv § 197 Abs. 2 BGB genommen worden ist. Der Umfang der Unterhaltsleistung steht fest, weitere Zahlungen werden im Hinblick auf den Unterhaltsverzicht nicht geschuldet. Umstände, die unterhaltsrechtlich grundsätzlich von Bedeutung sind, wie Änderungen von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit, die Wiederheirat des Berechtigten oder dessen Tod (vgl. § 1586 Abs. 1 BGB), wirken sich nicht mehr aus (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 73/05 - FamRZ 2005, 1662, 1663). Mit Rücksicht auf die daher überschaubare Belastung bedarf es auch nicht des Schutzes durch eine kurze Verjährung. Denn der Schuldner kann sich auf eine bestimmte Höhe des Anspruchs einstellen und muss nicht mit der Geltendmachung einer über Jahre aufgelaufenen Schuld rechnen, was durch die regelmäßige Verjährung verhindert werden soll (vgl. - NJW 2005, 3146, 3147). An diesem Ergebnis vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der Abfindungsbetrag in vier Raten zu zahlen ist. Hierbei handelt es sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, um eine besondere Form der Erfüllung eines einheitlichen Anspruchs und nicht um wiederkehrende Leistungen (vgl. - NJW 1957, 1148, 1149).

183. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts hinsichtlich des Zinsanspruchs hat die Rechtsbeschwerde nicht im Einzelnen angegriffen. Die Annahme, der Zinsanspruch sei nicht verjährt, begegnet im Ergebnis auch keinen rechtlichen Bedenken. Da der Hauptanspruch nicht verjährt ist, greift § 217 BGB nicht ein. Die Zinsforderung ist ebenfalls nicht verjährt, weil die Verjährung aufgrund der von der Ehefrau veranlassten Vollstreckungshandlung erneut begonnen hat (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und die dreijährige Verjährungsfrist deshalb selbst bezüglich der ältesten noch offenen Zinsforderung nicht abgelaufen ist.

194. Soweit die Rechtsbeschwerde die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts beanstandet, hat sie auch damit keinen Erfolg. Die Rüge, das Oberlandesgericht habe übersehen, dass zwischen den Kosten erster und zweiter Instanz zu unterscheiden sei, ist nicht gerechtfertigt. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde waren sowohl in erster als auch in zweiter Instanz der Vollstreckungsgegenantrag und der Antrag auf Feststellung der einseitigen Erledigung der Hauptsache Gegenstand des Verfahrens, da auch die Ehefrau Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt hatte. Deshalb hat das Beschwerdegericht folgerichtig eine einheitliche Kostenentscheidung getroffen. Dabei sind bezüglich des Feststellungsbegehrens die vom Senat zur Kostenentscheidung aufgestellten Grundsätze beachtet worden (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 295/02 - NJW-RR 2005, 1728 f.).

Dose                               Weber-Monecke                        Schilling

           Nedden-Boeger                                 Guhling

Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 2637 Nr. 36
DAAAE-71414