BAG Urteil v. - 9 AZR 550/12

Urlaubsabgeltung - Ausschlussfrist - Fälligkeit

Gesetze: § 271 BGB, § 7 Abs 4 BUrlG, § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Herne Az: 4 Ca 955/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 16 Sa 322/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch über Urlaubsabgeltung und zusätzliche Urlaubsvergütung (Urlaubsgeld) für die Jahre 2007 und 2008.

2Die Klägerin war vom bis zum bei der Beklagten als Monteurin beschäftigt. Sie bezog zuletzt ein monatliches Grundentgelt in Höhe von 1.674,61 Euro brutto, welches sich durch regelmäßige Entgeltbestandteile um durchschnittlich 30,92 Euro pro Tag erhöhte. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit richtete sich das Arbeitsverhältnis ua. nach den Vorschriften des „Einheitlichen Manteltarifvertrags“ für die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen vom (EMTV). In diesem heißt es zum Urlaub und zum Arbeitsentgelt ua.:

3§ 19 EMTV regelt für die Geltendmachung und den Ausschluss von Ansprüchen ua. Folgendes:

4Nach der bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Regelung erfolgen die monatlichen Entgeltzahlungen spätestens bis zum sechsten Werktag des jeweiligen Folgemonats. Die zusätzliche Urlaubsvergütung ist nach § 6 des bei der Beklagten geltenden Sanierungstarifvertrags vom ab dem Kalenderjahr 2007 jeweils mit der Vergütung für Juni zu zahlen.

5Die Klägerin war seit dem bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des arbeitsunfähig krank. Sie bezog seit dem wegen voller Erwerbsminderung eine zunächst befristete Rente, die mit Bescheid vom bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weitergewährt wurde. Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem eine Entgeltabrechnung für Dezember 2008. In dieser wurde der Urlaubsanspruch der Klägerin mit null Tagen angegeben, während eine am für November 2008 erteilte Abrechnung einen Urlaubanspruch der Klägerin von 13 Tagen ausgewiesen hatte.

6Die Klägerin verlangte mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom die Auszahlung einer Urlaubsvergütung für 13 Urlaubstage aus den Jahren 2005 und 2006, die sie einschließlich eines Urlaubsgelds von 50 % mit 2.430,68 Euro brutto berechnete. Mit weiterem Schreiben vom machte sie für Urlaubsansprüche aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 im Umfang von insgesamt 58 Arbeitstagen eine weitere Urlaubsvergütung von 7.229,70 Euro brutto geltend. Mit ihrer Klageschrift vom beanspruchte sie die Abgeltung ihres tariflichen Urlaubsanspruchs im Umfang von jeweils 30 Tagen für die Jahre 2006, 2007 und anteilig für das Jahr 2008 sowie Urlaubsgeld iHv. insgesamt 16.453,80 Euro brutto. Die Klageschrift übermittelte die Klägerin der Beklagten am zum Zwecke der Geltendmachung ihrer Ansprüche per Telefax. Das Original der Klageschrift ging am beim Arbeitsgericht ein.

7Die Klägerin hat beantragt,

8Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, Urlaubsansprüche der Klägerin seien während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente nicht entstanden. Im Übrigen seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche infolge der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 11.167,02 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht unter jeweiliger Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.524,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Gründe

10Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2007 und 2008 abzugelten und an die Klägerin Urlaubsgeld zu zahlen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind jedenfalls nach § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen.

11I. Die Regelungen in § 19 EMTV gelten für die tarifgebundenen Parteien (§ 3 Abs. 1 TVG) gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend. Nach § 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV sind alle nicht in § 19 Nr. 2 Buchst. a EMTV genannten Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen, damit sie nicht gemäß § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen sind. Das Schreiben der Klägerin vom wahrte die Ausschlussfrist ebenso wenig wie die Übersendung der Klageschrift an die Beklagte per Telefax zum Zwecke der Geltendmachung der Abgeltungsansprüche am .

121. Der Anspruch auf Abgeltung des nach lang andauernder Arbeitsunfähigkeit bestehenden gesetzlichen Mindesturlaubs kann aufgrund tariflicher Ausschlussfristen verfallen ( - Rn. 16 f., BAGE 139, 1). Er ist nicht in dem Sinne Surrogat des Urlaubsanspruchs, dass für ihn dieselben Regeln wie für den Urlaubsanspruch gelten, sondern ist ein reiner Geldanspruch. Er unterfällt deshalb den Bedingungen, die nach dem anwendbaren Tarifvertrag für die Geltendmachung von Geldansprüchen vorgeschrieben sind. Solche Ausschlussfristen können dabei kürzer als ein Jahr sein. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellte Rechtssatz, dass die Dauer des Übertragungszeitraums, innerhalb dessen der Urlaubsanspruch bei durchgängiger Arbeitsunfähigkeit nicht verfallen kann, die Dauer des Bezugszeitraums deutlich übersteigen muss, ist auf die Mindestlänge einer tariflichen Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht übertragbar ( - Rn. 31, BAGE 140, 133; vgl. auch  - Rn. 27).

132. Die Klägerin hat Ansprüche auf Urlaubsabgeltung nicht rechtzeitig geltend gemacht. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch keinen Anspruch auf „Zuschläge“ iSd. § 19 Nr. 2 Buchst. a EMTV darstellt, ist er innerhalb von drei Monaten nach seiner Fälligkeit geltend zu machen (§ 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV). Ansonsten ist der Anspruch nach § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten.

14a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am fällig. Der Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ( - Rn. 45, BAGE 142, 371; - 9 AZR 365/10 - Rn. 17, BAGE 139, 1). Das Arbeitsverhältnis endete nach der von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts zum .

15aa) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung gemäß § 271 BGB sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. Fehlen Sonderregeln, gilt der Grundsatz sofortiger Fälligkeit der Leistung (vgl. Palandt/Grüneberg 73. Aufl. § 271 BGB Rn. 2). Das gilt auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch, der grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird (vgl.  - Rn. 18, BAGE 139, 1; MüArbR/Düwell 3. Aufl. Bd. 1 § 80 Rn. 67).

16bb) Der EMTV enthält für die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs keine vom Grundsatz der sofortigen Fälligkeit abweichende Sonderregelung. Zwar ist es grundsätzlich zulässig zu vereinbaren, dass die Urlaubsabgeltung in die allgemeine Abrechnung einbezogen und zum Beispiel erst zum Monatsende mit der letzten Entgeltzahlung fällig wird (vgl.  - Rn. 32, BAGE 135, 312). Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit eine auf eine finanzielle Vergütung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG gerichtete reine Geldforderung darstellt (vgl.  - Rn. 17, BAGE 139, 1). Auch kann es im Interesse des Arbeitgebers liegen, bei einer Beendigung im laufenden Monat die Urlaubsabgeltung nicht getrennt von anderen Ansprüchen abrechnen und auszahlen zu müssen. Die Tarifvertragsparteien des EMTV haben jedoch keine eigenständige Regelung zur Fälligkeit der Urlaubsabgeltung getroffen. Nach § 15 Abschn. I Nr. 11 EMTV in Verbindung mit der bei der Beklagten bestehenden Regelung muss den Beschäftigten das Monatsentgelt spätestens zum sechsten Werktag des jeweiligen Folgemonats zur Verfügung stehen. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass der Tarifvertrag den Begriff des Monatsentgelts in § 15 EMTV selbstständig definiert. Nach § 15 Abschn. I Nr. 2 EMTV setzt sich das Monatsentgelt aus den festen und den variablen Entgeltbestandteilen zusammen. Diese sind wiederum in § 15 Abschn. I Nr. 3 ff. EMTV definiert. Die Urlaubsabgeltung fällt weder unter die festen noch unter die variablen Entgeltbestandteile. Vielmehr ist sie eine Einmalzahlung iSd. § 15 Abschn. I Nr. 8 EMTV. Der Begriff der Einmalzahlung wird in dieser Tarifbestimmung durch eine beispielhafte, aber nicht abschließende Aufzählung („Jahressonderzahlungen, zusätzliche Urlaubsvergütungen“) konkretisiert. Beim Urlaubsabgeltungsanspruch handelt es sich um eine einmalige Zahlung, durch die nicht gewährter Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten wird. Einmalzahlungen sind nach § 15 Abschn. I Nr. 8 Satz 2 EMTV unabhängig von den Regelungen zum Monatsentgelt zu erfüllen. Die Fälligkeitsregelung des § 15 Abschn. I Nr. 11 EMTV einschließlich der dort vorgesehenen Möglichkeit der abweichenden betrieblichen Regelung gilt damit für die Urlaubsabgeltung nicht.

17b) Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass sie trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt iSd. § 19 Nr. 4 EMTV verhindert war, die Ausschlussfrist einzuhalten (zu diesem Ausnahmetatbestand: vgl.  - Rn. 12 ff.). Es ist auch sonst nicht erkennbar, warum die Klägerin nicht in der Lage gewesen sein sollte, die tarifliche Ausschlussfrist von drei Monaten zu wahren.

18II. Die Klägerin ist auch mit etwaigen Ansprüchen auf zusätzliche Urlaubsvergütung nach § 14 Nr. 1 Abs. 2 und Abs. 3 EMTV (Urlaubsgeld) ausgeschlossen. Das Urlaubsgeld war wie der Urlaubsabgeltungsanspruch innerhalb der Frist des § 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV geltend zu machen. Es war spätestens mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Urlaubsgeld akzessorisch zur Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung ausgestaltet ist. Etwaige Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld sind damit mit dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung verfallen.

19III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1908 Nr. 32
BB 2015 S. 1334 Nr. 22
DB 2014 S. 1816 Nr. 32
NJW 2014 S. 8 Nr. 32
BAAAE-69213