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Grundlagen vom

Betriebliche Altersversorgung: Praxisfragen

Dr. Peter A. Doetsch

A. Problemanalyse

I. Praxis der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland

1. Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung

1 Die betriebliche Altersversorgung (bAV), d. h. eine ergänzende Altersversorgung durch den Arbeitgeber, ist recht weit verbreitet. Am stärksten verbreitet ist sie bei Großunternehmen (Verbreitungsgrad 88 %) und im öffentlichen Dienst (hier zumeist Zusatzversorgung genannt). Bei sehr kleinen Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern ist sie dagegen in den meisten Fällen wohl noch nicht angekommen (Verbreitungsgrad 29 %) trotz eines gesetzlichen Anspruchs jedes sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers auf eine Umwandlung von Barvergütung in betriebliche Altersversorgungsleistungen (vgl. § 1a BetriebsrentengesetzBetrAVG). In etwa einem Viertel der Fälle werden zugesagte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung allein vom Arbeitgeber und in knapp 70 % der Fälle von beiden gemeinsam finanziert.

2. Beratungsmarkt betriebliche Altersversorgung

2 Die betriebliche Altersversorgung ist – nicht zuletzt, weil sie viele Gebiete berührt (Arbeits-, Steuer-, Bilanz-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht, Betriebswirtschaft, Mathematik etc.), – ein für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehr komplexes Thema, bei dem Unterstützung durch Experten geboten ist. Es ist zugleich ein Markt, der – bis heute – erhebliche Umsätze ermöglicht, im Jahre schätzungsweise deutschlandweit Umsätze von deutlich mehr als einer halben Milliarde Euro. Und so tummeln sich in dem Markt viele sehr unterschiedliche Spieler, Ein-Produktverkäufer, Makler und Mehrfachagenten, Versicherungsaktuare, Beratungshäuser, die zu in- oder ausländischen Finanzdienstleistungsunternehmen gehören und sehr wenige echte, produktunabhängig beratende bAV-Berater.

Insbesondere Versicherungsvermittler „beraten“ häufig Arbeitnehmer (bei der Entgeltumwandlung) und Arbeitgeber mit einem trotz unterschiedlicher Ausgangslage und vermutlich auch Wünsche immer gleichen Ergebnis, nämlich die eigene Versicherungslösung für die betriebliche Altersversorgung zu wählen.

Die Beratung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist weitgehend juristisches Niemandsland. Da Vertragspartner der Arbeitgeber ist, vertreten viele Marktteilnehmer die Auffassung, dass die für die Beratung von Endkunden zu Versicherungen notwendigen Anforderungen, insbesondere an die Dokumentation, hier nicht gelten. Dem zum Trotz werden häufig allein die Arbeitnehmer bezogen auf die betriebliche Altersversorgung aus Entgeltumwandlung beraten … und dies zum Teil gegen die Interessen des Arbeitgebers, der jedoch immer für die betriebliche Altersversorgung haftet.

3. Beteiligte bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung

3 An der Betreuung betrieblicher Versorgungswerke wirken viele verschiedene Personen und Stellen mit. Im Unternehmen sind es Personal- und Finanzbereich bzw. Rechnungswesen und ggf. die Geschäftsleitung. Extern unterstützen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beim Jahresabschluss, verwenden dafür – bei Direktzusagen – die Bilanzgutachten von Versicherungsmathematikern. Die laufende Betreuung wird intern oder extern durch spezialisierte Beratungshäuser erbracht bzw. – soweit sie extern finanziert sind – durch Versicherer oder andere Pensionseinrichtungen. Schließlich sind bei größeren Pensionsvermögen ggf. noch Investment Consultants und/oder Fiduciary Manager beteiligt.

Die Betreuung der betrieblichen Altersversorgung weist damit ggf. eine sehr hohe Zahl an Schnittstellen auf. Dies ist einer der Gründe, warum Full-Service-Angebote im Markt zunehmen, die eine umfassende aktuarielle, rechtliche und betriebswirtschaftliche Dauerbetreuung bestehender Versorgungswerke bieten.

II. Allgemeine Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung

1. Einschlägige Rechtsgrundlagen

4 Die wesentlichen Rechtsgrundlagen der betrieblichen Altersversorgung finden sich im Betriebsrentengesetz, dem EStG/EStR und KStG/KStR, SGB IV sowie in der Rechtsprechung von BAG, BGH, BSG und BFH.

2. Begriff der betrieblichen Altersversorgung
5 Gesetzliche Definition

Betriebliche Altersversorgung liegt nach der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 1 BetrAVG vor, wenn „einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt“ werden.

6 Versorgungszweck

Der Begriff der „Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung“ setzt voraus, dass die biologischen Ereignisse Alter, Invalidität und Tod der Auslöser für die Leistung sein müssen. Entscheidend ist der Versorgungszweck und nicht die Form, weshalb ggf. auch im Alter gewährte Rabatte, Deputate oder andere Sachleistungen eine Altersversorgungsleistung darstellen. Für eine Altersleistung wird regelmäßig zu fordern sein, dass die Versorgungsleistungen frühestens beim Ausscheiden nach Vollendung des 62. Lebensjahres fällig werden. Vorruhestandsleistungen, Altersteilzeitleistungen, Abfindungen, Jubiläumsleistungen etc. sind damit keine betriebliche Altersversorgung.

7 Arbeitsverhältnis

Der Begriff „aus Anlass des Arbeitsverhältnisses“ macht deutlich, dass das arbeitsrechtliche Grundverhältnis immer die Basis des Versorgungsversprechens ist, selbst wenn es extern erfüllt wird. Die Versorgungsleistung muss einem Arbeitnehmer, Auszubildenden oder einer arbeitnehmerähnlichen Person aus Anlass des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 17 BetrAVG) zugesagt werden. Das liegt nicht vor bei der Zusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF mit Stimmrechten oder Anteilen von 50 % oder mehr) und ggf. auch nicht bei der an einen Gesellschafter-Prokuristen im Hinblick auf dessen Stellung als Gesellschafter.

8 Altersversorgungsleistungen

In Deutschland können Altersversorgungsleistungen grundsätzlich als lebenslängliche Rente, Kapital oder in einer Mischform erbracht werden. Für einzelne Arten der betrieblichen Altersversorgung gelten aus steuerlichen Gründen aber ggf. engere Vorgaben für die Leistungsgewährung.

3. Grundstruktur des Betriebsrentengesetzes seit 2018
8/1 Zwei separate Betriebsrentenrechts-Regime

Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde mit Wirkung ab dem ein neuer Abschnitt in das Betriebsrentengesetz eingefügt, mit dem ein geschlossenes neues Regime betreffend tarifvertraglich begründeter Versorgungsverpflichtungen und insbesondere in den neuen §§ 21-25 BetrAVG eine durch die Tarifvertragsparteien vereinbarte betriebliche Altersversorgung in Form der reinen Beitragszusage geregelt wird. Faktisch bestehen damit ab 2018 zwei separate Betriebsrentenrechts-Regime:

  • das Betriebsrentenrechts-Regime I (traditionelle Betriebsrenten),

  • das Betriebsrentenrechts-Regime II (neue Tarifrenten mit reiner Beitragszusage).

Die Besonderheit der reinen Beitragszusage besteht darin, dass bei ihr die Verpflichtung des Arbeitgebers auf Beitragszahlung beschränkt, die Leistungshöhe nicht garantiert ist (auch nicht in der Rentenphase) und es keine gesetzliche Insolvenzsicherung gibt. Die reine Beitragszusage kann nur durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags durch die Betriebspartner in Kraft gesetzt werden.

In der Praxis gibt es bisher nur traditionelle Betriebsrentenzusagen. Derzeit wird jedoch zwischen Verdi und Talanx über einen Haustarifvertrag verhandelt, mit dem für die Talanx-Beschäftigten eine erste Tarifrente eingeführt werden soll.

Der Schwerpunkt der Darstellung der arbeitsrechtlichen Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung liegt nachfolgend daher auf traditionellen Betriebsrenten (siehe nachfolgend Abschnitt III.). Zum Regime II mit einer neuen reinen Beitragszusage wird jedoch auch der arbeitsrechtliche Rahmen erläutert. Die Darstellung der steuerlichen Behandlung (siehe nachfolgend Abschnitt V.) betrifft beide Regime gleichermaßen, da die Besteuerung an den Durchführungsweg und nicht die Zusageart anknüpft.

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