BFH Beschluss v. - I B 109/12

Abgrenzung von Kircheneinkommensteuer und Kirchgeld; Kircheneinkommensteuer in sog. glaubensverschiedenen Ehen

Gesetze: GG Art. 3, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, KiStG BW § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, KiStG BW § 19 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr (2006) Mitglied der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Baden (der Beigeladenen); seine Ehefrau, mit der er zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, war konfessionslos. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte in Höhe von 53.529 €, seine Ehefrau in Höhe von ./. 1.543 €.

2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erließ gegenüber dem Kläger einen Bescheid über evangelische Kircheneinkommensteuer und setzte diese zunächst auf 444,08 € fest. Im weiteren Verlauf wurde die Kircheneinkommensteuer auf nunmehr 258,96 € herabgesetzt. Als Bemessungsgrundlage wurde hierbei ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 35.874 € unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags von 5.808 €, der steuerfreien Halbeinkünfte des Klägers von 1.004 € und der Steuerermäßigung nach § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) von 117 € die Einkommensteuer unter Anwendung des Splittingtarifs mit 3.237 € errechnet. Der Anteil des Klägers an der gemeinschaftlichen Bemessungsgrundlage der Ehegatten wurde entsprechend § 19 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (KiStG BW) vom (Gesetz- und Verordnungsblatt Baden-Württemberg 1978, 369, BStBl I 1978, 403) nach dem Verhältnis der Steuerbeträge, die sich bei Anwendung der Einkommensteuergrundtabelle auf die Summe der Einkünfte eines jeden Ehegatten ergaben, im Streitfall mit 100 v.H. bestimmt.

3 Mit seiner dagegen erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung des ihm entstehenden Lebensführungsaufwands für die nicht kirchenangehörige Ehefrau; er begehrt die Minderung der festgesetzten Kirchensteuer um 96 €, dieser Betrag entspreche dem besonderen Kirchgeld bei glaubensverschiedenen Ehen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KiStG BW, das festgesetzt würde, wenn seine Ehefrau Alleinverdienerin wäre. Die Klage blieb erfolglos (). Die Revision hat das FG nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger und macht sinngemäß geltend, die Aufteilungsregelung des § 19 Abs. 4 Satz 2 KiStG BW verstoße —aufgrund der Nichtberücksichtigung eines „negativen” besonderen Kirchgelds— gegen das Gebot der Folgerichtigkeit sowie das Prinzip der Leistungsfähigkeit und damit gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).

4 II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

5 Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist (so z.B. , BFH/NV 2009, 1140). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich (, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N.). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (BFH-Beschlüsse vom II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; vom III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081, m.w.N.). Es fehlt jedoch an der Klärungsbedürftigkeit, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist und nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (ständige Rechtsprechung z.B. , BFH/NV 2011, 285; vgl. hierzu auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.).

6 a) Wenn der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage formuliert, ob § 19 Abs. 4 KiStG BW insofern gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und damit gegen das Gleichheitsgebot in Art. 3 GG verstößt, als in glaubensverschiedenen Ehen bei der Anteilsbemessung der Kircheneinkommensteuer der Lebensführungsaufwand des nicht-verdienenden Ehegatten (Nicht-Kirchenmitglied) beim alleinverdienenden Ehegatten (Kirchenmitglied) nicht berücksichtigt wird, im umgekehrten Fall aber (Alleinverdiener ist Nicht-Kirchenmitglied und nicht-verdienender Ehegatte ist Kirchenmitglied) das besondere Kirchgeld vom nicht-verdienenden Ehegatten als Kirchenmitglied erhoben wird und sich typisierend an dessen Lebensführungsaufwand bemisst, ist diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Die Rechtslage ist eindeutig.

7 b) Die für die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. insbesondere , 2 BvR 1689/09, 2 BvR 2698/09, 2 BvR 2715/09, 2 BvR 148/10, 2 BvR 816/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2011, 98, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG) und des BFH (vgl. Senatsurteil vom I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274, m.w.N.) geklärt. So hat das BVerfG hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden kann (vgl. , BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196). Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensführungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2011, 98, unter Hinweis auf Senatsurteil in BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274).

8 Diese Ausführungen des BVerfG beziehen sich allerdings auf das besondere Kirchgeld, das im Gegensatz zu Kirchensteuern, die als Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer erhoben werden (Kircheneinkommensteuer), als eine eigenständige Steuer, die auf einem kircheneigenen Steuertarif beruht, erhoben wird (vgl. hierzu: Marré in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 1135; v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., Art. 137 WRV Rz 541; Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 327 ff. und 473 ff., m.w.N.). Den Ausführungen des BVerfG liegt damit erkennbar die Grundannahme einer strikten Trennung zwischen der Kircheneinkommensteuer als Annexsteuer und dem besonderen Kirchgeld als eigenständige Steuer zugrunde. Ein „Korrespondenzprinzip”, wie es der Kläger für die Kircheneinkommensteuer steuerlich berücksichtigen will, liegt ihnen erkennbar nicht zugrunde. Denn mit dem besonderen Kirchgeld sollen Kirchenangehörige, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch eine Eheschließung im Hinblick auf das Einkommen des —konfessionslosen— Ehegatten erhöht hat, und die mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bleiben würden, einer angemessenen Besteuerung unterworfen werden. Nur für diese Fallkonstellation orientiert sich das besondere Kirchgeld als eigenständige Steuer der Höhe nach an dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten und nach der Rechtsprechung des BVerfG als unbedenkliches Besteuerungsmerkmal am „Lebensführungsaufwand” des kirchenangehörigen Ehegatten (BVerfG-Urteil in BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196; ebenso: VII C 48.73, BVerwGE 52, 104; Senatsbeschluss vom I B 18/01, BFH/NV 2002, 674, m.w.N.). Dies bedeutet, dass —entgegen den Ausführungen des Klägers in der Beschwerdeschrift— es jedenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten ist, den für das besondere Kirchgeld herangezogenen Besteuerungsmaßstab des Lebensführungsaufwandes „korrespondierend” auch auf die Kircheneinkommensteuer zu übertragen. Dies insbesondere auch deshalb nicht, weil sich im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach §§ 26, 26b EStG 2002 die Bemessungsgrundlage der Kircheneinkommensteuer bereits durch die Anwendung des Splitting-Verfahrens nach § 32a Abs. 5 EStG 2002 vermindert hat und hierdurch innerhalb der Erwerbs-, aber auch Verbrauchsgemeinschaft der Ehegatten im Ergebnis auch die gegenseitigen Unterhaltspflichten abgebildet werden. Die zusätzliche Berücksichtigung eines „Lebensführungsaufwandes” würde demgegenüber den „Sonderfall” der glaubensverschiedenen Ehe in der Konstellation des Streitfalls gegenüber konfessionsgleichen und konfessionsverschiedenen Ehen besser stellen. Dem kann nach Auffassung des Senats nicht mit der Beschwerde entgegengehalten werden, dass im Kirchensteuerrecht die glaubensverschiedene Ehe nicht als „Leistungsfähigkeitsgemeinschaft” zu verstehen sei. Diese Betrachtung mag —obwohl wie ausgeführt die Anwendung des Splitting-Verfahrens die Bemessungsgrundlage vermindert hat— zutreffend sein, da sich der Gesetzgeber bei der Bemessungsgrundlage für glaubensverschiedene Ehen im Falle der Zusammenveranlagung für das Individualisierungsprinzip entschieden hat und gerade nicht jedem Ehegatten die Hälfte des gemeinsamen Einkommens bzw. der Einkommensteuer zurechnet, dies hat jedoch nicht die vom Kläger begehrte Rechtsfolge zur Konsequenz, dass eine Berücksichtigung des „Lebensführungsaufwandes” auch bei der Kircheneinkommensteuer verfassungsrechtlich geboten ist. Vergleicht man die Kirchensteuerbelastung konfessionsgleicher und konfessionsverschiedener Ehen einerseits und die glaubensverschiedener Ehen andererseits, so ist eine Ungleichbehandlung der Ehe als Leistungsfähigkeitsgemeinschaft nicht festzustellen. Sowohl die konfessionsgleiche oder konfessionsverschiedene Ehe als auch die glaubensverschiedene Ehe ist, sofern nur ein Ehegatte Einkünfte bezieht, mit Kirchensteuer in Höhe von 8 v.H. bzw. 9 v.H. der gemeinsamen Einkommensteuer belastet (vgl. insoweit auch Senatsurteil vom I R 68/96, BFHE 183, 107, BStBl II 1997, 545). Im Grunde möchte der Kläger als verheiratetes Kirchenmitglied besser als der Ehepartner einer konfessionsgleichen oder konfessionsverschiedenen Ehe gestellt werden. Verfassungsrechtlich besteht hierfür keine Handhabe.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 182 Nr. 2
UAAAE-50334