BFH Beschluss v. - I B 158/12

Beschränkung der übereinstimmenden Erledigungserklärung auf das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision

Gesetze: AktG § 302, KStG § 17 Satz 2 Nr. 2, KStG § 34 Abs. 10b Satz 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 138

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. In der Sache stritten die Beteiligten über die Wirksamkeit einer körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft.

2 Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine AG und alleinige Gesellschafterin der V-GmbH. Mit dieser schloss die Klägerin am einen Gewinnabführungsvertrag (GAV), ohne darin ausdrücklich eine Verlustübernahme entsprechend § 302 des Aktiengesetzes (AktG) zu vereinbaren.

3 Auf einen Hinweis des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) hin änderte die Klägerin den Gewinnabführungsvertrag am . Für die Verlustübernahme sollte § 302 AktG in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden (§ 2 Abs. 1 GAV). Der geänderte Gewinnabführungsvertrag sollte mit seiner Eintragung in das Handelsregister spätestens rückwirkend auf den wirksam werden (§ 5 Abs. 2 GAV).

4 Für das Jahr 2008 erkannte das FA eine Organschaft zwischen der Klägerin und der V-GmbH nicht an und erließ entsprechende Bescheide für 2008 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag. Darin wurde ein Verlust der V-GmbH in Höhe von 23.814.785 € nicht berücksichtigt.

5 Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos; die daraufhin erhobene Klage wies das , das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 159 veröffentlicht worden ist, ab. Das FG ließ die Revision nicht zu.

6 Während des Verfahrens über die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts (UntSt/RKVereinfG) vom (BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188) § 17 Satz 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) geändert. Zugleich hat er in den Übergangsvorschriften geregelt, dass die §§ 14 bis 16 KStG 2002 auch dann anwendbar sind, wenn ein vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes abgeschlossener Gewinnabführungsvertrag keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 entsprechenden Verweis auf § 302 AktG enthält, aber eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 in der Fassung des UntSt/ RKVereinfG (KStG 2002 n.F.) bis zum Ablauf des wirksam vereinbart wird (§ 34 Abs. 10b Satz 2 KStG 2002 n.F.).

7 In Folge dieser Rechtsänderung hat das FA antragsgemäße Bescheide für 2008 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbescheid erlassen. Die Beteiligten haben das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde daraufhin einvernehmlich für erledigt erklärt.

8 II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren im Streitfall nach der Erledigung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin aufzuerlegen.

9 1. Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde erledigt. Auf die Erklärung des FA, „die zulässige Beschwerde [...] als erledigt zu beenden” und „die Kosten für die Nichtzulassungsbeschwerde [...] dem Beschwerdeführer aufzuerlegen”, hat die Klägerin das „Verfahren ebenfalls für erledigt” erklärt und beantragt, im „Rahmen der Kostenentscheidung [...] die Kosten des Verfahrens” dem FA aufzuerlegen. Eine hierin zum Ausdruck kommende Beschränkung der übereinstimmenden Erledigungserklärungen auf das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision ist zulässig (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom III B 10/91, BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846; vom IX B 152/91, juris).

10 2. Für die Wirksamkeit der Erledigungserklärungen ist unerheblich, ob die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig erhoben worden ist. Ebenso wie ein unzulässiges Klageverfahren durch einvernehmliche Erledigungserklärung wirksam für erledigt erklärt werden kann, ist auch die Erledigung eines Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde durch hierauf beschränkte einvernehmliche Erledigungserklärungen möglich (BFH-Beschluss in BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Beteiligten den Rechtsstreit insgesamt hätten für erledigt erklären wollen (, BFH/NV 2011, 1181), weil dann dem Rechtsmittelgericht von vornherein die Möglichkeit gefehlt hätte, sachlich auf den Antrag des Rechtsmittelführers einzugehen (, BFH/NV 2012, 2013). Dies ist aber —wie erläutert— aufgrund der von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen nicht der Fall.

11 3. Entsprechend § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat im Streitfall die Klägerin die Kosten des erledigten Beschwerdeverfahrens zu tragen.

12 a) § 138 FGO ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, da sich der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt hat. § 138 FGO ist jedoch bei einer Erledigung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anwendbar. Die in der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Prinzipien müssen nach ihrem Sinn entsprechend gelten, wenn sich nur das Rechtsmittelverfahren erledigt hat (BFH-Beschluss in BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846).

13 b) Die Kosten waren nicht entsprechend § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dem FA aufzuerlegen, weil dieses während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde antragsgemäße Bescheide erlassen hat (vgl. hierzu , juris). Das Risiko der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts trägt die Behörde nach dieser Bestimmung nur bei unveränderter Sach- und Rechtslage, nicht aber wie im Streitfall bei einer während des Rechtsmittelverfahrens erfolgenden und in die Streitzeiträume rückwirkenden Gesetzesänderung (so auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Rz 62, 74; offenlassend , BFH/NV 1991, 123; BFH-Beschlüsse vom VII R 42/91, BFH/NV 1992, 854; vom III R 53/01, BFH/NV 2004, 1119; vom III R 44/02, juris).

14 c) Nach dem deshalb analog anzuwendenden § 138 Abs. 1 FGO, nach dem über die Kosten des erledigten Beschwerdeverfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden ist, hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.

15 Denn die Nichtzulassungsbeschwerde wäre ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses als unzulässig zu verwerfen gewesen. Die Begründung der Klägerin genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. In ihr wird weder die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch das Erfordernis der Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) in der gebotenen Weise dargelegt. Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung keine klärungsbedürftige Rechtsfrage herausgearbeitet.

16 aa) Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (BFH-Beschlüsse vom X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165; vom X B 113/11, BFH/NV 2013, 929). Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so muss eine fundierte Stellungnahme dazu erfolgen, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuer Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (BFH-Beschlüsse vom II B 107/06, BFH/NV 2008, 573; vom II B 119/08, juris). Hierfür müssen die vermeintlichen Unklarheiten möglichst genau beschrieben und insbesondere in Rechtsprechung und Schrifttum erhobene, vom BFH bislang nicht geprüfte Einwände unter Angabe der Quellen benannt werden (, BFH/NV 2006, 1877; Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 116 Rz 66).

17 bb) Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, klärungsbedürftig sei die Rechtsfrage, ob die in § 41, § 42 der Abgabenordnung verankerte objektive Betrachtungsweise ein explizites Vereinbarungserfordernis gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 ausschließe, sind die vorstehend erläuterten Darlegungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Im Kern will die Klägerin die Frage klären lassen, ob im Falle eines zivilrechtlich wirksamen und durchgeführten Gewinnabführungsvertrages das Festhalten an Formvorschriften sinnlos sei. Hiermit hat sich der erkennende Senat indes bereits in seinem Urteil vom I R 43/99 (BFH/NV 2000, 1250) ausführlich auseinandergesetzt; später hat er diese Rechtsprechung unter Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur mehrmals bekräftigt (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2006, 1009, und I R 74/05, BFH/NV 2006, 1513). Die Klägerin hat nicht in ausreichender Weise dargelegt, warum eine erneute Auseinandersetzung mit dieser Frage geboten ist.

18 cc) Ebenso wenig hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der Frage ausreichend dargelegt, ob das konkrete Vereinbarungserfordernis nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 verfassungswidrig sei. Mit diesem Einwand hat sich der BFH bereits in mehreren Beschlüssen beschäftigt (BFH-Beschlüsse vom IV R 76/06, juris; vom IV R 88/05, BFH/NV 2008, 1705), ohne dass sich die Klägerin im Einzelnen mit den dort genannten Rechtfertigungsgründen unter Einbeziehung von Rechtsprechung und Schrifttum substantiiert auseinandergesetzt hätte.

19 dd) Soweit die Klägerin schließlich die Rechtsfrage aufwirft, ob ein Ergebnisabführungsvertrag gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 eine dem § 302 AktG entsprechende Vereinbarung enthalten müsse, hat sie ebenfalls keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dargelegt. Hiermit wendet sich die Klägerin gegen die seit langem bestehende ständige Rechtsprechung des BFH (s. z.B. , BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383; in BFH/NV 2000, 1250; in HFR 2006, 1009; in BFH/NV 2006, 1513; vom I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132; BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1705; Senatsbeschluss vom I B 83/10, BFHE 232, 190), was unter Einbeziehung von Rechtsprechung und Literatur eine besonders eingehende Auseinandersetzung damit erforderlich gemacht hätte, warum trotz der Vielzahl von Entscheidungen zu dieser Rechtsfrage eine weitere Klärung geboten erscheint. Angesichts der oberflächlichen Begründung der Klägerin fehlt es daran im Streitfall.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 1807 Nr. 11
OAAAE-44190