BAG Urteil v. - 9 AZR 731/11

Tarifliche Ausschlussfrist - Widerspruch gegen Betriebsübergang - Urlaubsabgeltung

Leitsatz

Widerspricht der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, so läuft eine tarifliche Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber, die von dem Widerspruch abhängen, grundsätzlich erst ab dem Zugang des Widerspruchs.

Gesetze: § 613a Abs 6 BGB, § 613a Abs 1 BGB, § 7 Abs 3 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG

Instanzenzug: Az: 2 Ca 1492/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 12 Sa 1530/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs.

Die Beklagte stellte den Kläger zum als Reinigungskraft ein und beschäftigte ihn im Krankenhaus H. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom heißt es ua.:

Der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom (RTV) lautet auszugsweise:

4Zum verlor die Beklagte den Reinigungsauftrag für das Krankenhaus H an einen Wettbewerber. Nach Zustimmung des Integrationsamts kündigte sie am das Arbeitsverhältnis mit dem seit dem Jahr 2006 durchgehend arbeitsunfähigen Kläger. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des .

In einem der Beklagten am zugegangenen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom heißt es ua.:

Die Beklagte antwortete mit einem dem Kläger am zugegangenen Schreiben vom . Dieses lautet auszugsweise:

Im Antwortschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom heißt es ua.:

8Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zuletzt noch die Abgeltung von 73 Urlaubstagen (13 Tage für das Jahr 2006 und jeweils 20 Tage für die Jahre 2007 bis 2009) verlangt und die Auffassung vertreten, er habe die tariflichen Ausschlussfristen gewahrt. Bei seiner Bitte um Abrechnung und Auszahlung im Schreiben vom habe es sich noch nicht um die Geltendmachung eines Anspruchs im Tarifsinne gehandelt, sodass die zweite Stufe der Ausschlussfrist dadurch nicht ausgelöst worden sei. Im Übrigen habe die Beklagte im Antwortschreiben vom seinen Anspruch nicht ausdrücklich abgelehnt. Schließlich hätten die tariflichen Ausschlussfristen erst mit der Fälligkeit seines Abgeltungsanspruchs zu laufen begonnen. Diese sei erst mit seinem Widerspruch gegen den Betriebsübergang vom eingetreten.

Der Kläger hat beantragt,

10Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers seien nach § 22 RTV verfallen, weil er die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nicht gewahrt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision hat der Kläger zuletzt sein Klageziel nur noch bezüglich der Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 iHv. 2.807,60 Euro weiterverfolgt, wobei er sich hinsichtlich der Höhe der Urlaubsabgeltung die Berechnung der Beklagten zu eigen gemacht und pro Urlaubstag 70,19 Euro brutto zugrunde gelegt hat. Die Beklagte bittet um die Zurückweisung der Revision.

Gründe

12Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen, soweit der Kläger die Abgeltung seiner Urlaubsansprüche aus den Jahren 2008 und 2009 verlangt hat.

13I. Die Beklagte hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG jeweils 20 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 mit 70,19 Euro brutto pro Urlaubstag abzugelten und damit Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 2.807,60 Euro brutto an den Kläger zu zahlen.

141. Der Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub gemäß § 1 BUrlG aus dem Jahr 2008 ist trotz seiner Arbeitsunfähigkeit entstanden (vgl.  - Rn. 8 mwN) und war zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am nicht verfallen. Der Kläger war aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Der Urlaubsanspruch ging daher nach unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht am unter (vgl.  - Rn. 32). Für den Abgeltungsanspruch des Klägers ist es unerheblich, ob dieser über den hinaus weiterhin arbeitsunfähig krank war (vgl.  - Rn. 21, BAGE 134, 196; - 9 AZR 983/07 - Rn. 59 mwN, BAGE 130, 119).

152. Der Urlaub aus dem Jahr 2009 war entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am anteilig zu kürzen. § 14 Ziff. 1.5 RTV regelt zwar, dass bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe des Urlaubsjahres der Urlaubsanspruch 1/12 für jeden vollen Kalendermonat beträgt, in dem das Beschäftigungsverhältnis während des betreffenden Urlaubsjahres bestanden hat. Jedoch ist ferner ausdrücklich tariflich angeordnet, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht unterschritten werden darf. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers länger als sechs Monate bestanden hatte und in der zweiten Jahreshälfte endete, stand dem in einer Fünftagewoche beschäftigten Kläger der volle Jahresurlaub von 20 Arbeitstagen zu (arg. e contrario § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG).

16II. Der Abgeltungsanspruch des Klägers ist nicht gemäß § 22 RTV verfallen. Der Kläger wahrte mit seinem Schreiben vom und mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom beide Stufen der Ausschlussfrist des § 22 RTV.

171. Nach § 22 Abs. 1 RTV müssen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist hielt der Kläger mit seinem der Beklagten am zugegangenen Schreiben vom ein, in dem er die Beklagte auf den ihm zustehenden Urlaub hinwies und um Abrechnung und Zahlung bat. Bei dieser Abrechnungs- und Zahlungsbitte handelte es sich um eine sogenannte nichttypische Erklärung.

18a) Die Auslegung nichttypischer Erklärungen ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist lediglich, ob gesetzliche Auslegungsregeln iSd. §§ 133, 157 BGB, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen worden ist. Bei der Geltendmachung einer Forderung handelt es sich zwar um keine Willenserklärung, sondern um eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Auf solche Handlungen sind aber die Vorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen entsprechend anzuwenden. Das gilt auch für den revisionsrechtlichen Prüfmaßstab ( - zu II 2 a der Gründe mwN).

19b) Danach ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, der Kläger habe mit dem Schreiben vom die inhaltlichen Anforderungen der ersten Stufe der Ausschlussfrist des § 22 RTV erfüllt.

20aa) Unerheblich ist, dass der Kläger nicht ausdrücklich die Abgeltung seiner Urlaubsansprüche verlangte. Auf die Wortwahl kommt es nicht an. Für die Geltendmachung eines Anspruchs genügt die Erklärung einer Partei, mit der klargestellt wird, sie stelle an die Gegenseite einen näher bestimmten Anspruch ( - zu II 3 a der Gründe; Steffan in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag Teil 5 (22) Rn. 9). Für die Beklagte war ohne Weiteres erkennbar, dass der Kläger Urlaubsabgeltung iSd. § 7 Abs. 4 BUrlG verlangte. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam eine bezahlte Freistellung des Klägers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht mehr in Betracht. Der Kläger verlangt auch nicht nur Abrechnung (vgl. dazu  - zu II 3 b der Gründe; enger Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1776), sondern forderte die Beklagte ausdrücklich auch zur Auszahlung des Nettobetrags auf. Das Antwortschreiben der Beklagten vom , in dem die Beklagte den Kläger aufforderte, sich bezüglich der Urlaubsabgeltung „mit der Firma K in Verbindung zu setzen“, zeigt, dass die Beklagte das Schreiben des Klägers vom auch als Aufforderung zur Abrechnung und Zahlung der Urlaubsabgeltung verstanden hatte.

21bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe seinen Anspruch hinreichend konkretisiert. Zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen muss grundsätzlich jede Forderung nach Grund und Höhe angemeldet werden. Dabei meint die Anmeldung dem Grunde nach den tatsächlichen Lebenssachverhalt, auf den sich der Anspruch stützt, nicht die rechtliche Begründung. Wird eine schriftliche Geltendmachung gefordert, ist in dem Geltendmachungsschreiben eine Bezifferung der Forderung nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder diese ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (vgl. zur Lohn- und Lohnfortzahlung:  - zu II 3 a der Gründe, BAGE 105, 181; - 10 AZR 197/01 - zu II 3 b bb der Gründe mwN). Hat ein Arbeitgeber nach langer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers Urlaub abzugelten, ist er in aller Regel eher in der Lage als der Arbeitnehmer, die zutreffende Höhe der Urlaubsabgeltung zu ermitteln. Die Bitte des Klägers um Abrechnung zeigt, dass dieser davon ausging, die Beklagte könne die Höhe seines Anspruchs unschwer berechnen und sei dazu auch verpflichtet.

22Allerdings gab der Kläger nicht ausdrücklich an, dass er den Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abgegolten haben wollte. Dies hindert jedoch nicht die Annahme, dass er im Schreiben vom den Lebenssachverhalt, auf den er seinen Anspruch stützt, hinreichend konkret dargetan hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Formulierung „steht unserem Mandanten der gesamte Urlaub aus den Vorjahren seit Beginn seiner Erkrankung“ in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise so ausgelegt, dass der Kläger die Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2006 bis 2009 beanspruchte.

232. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 22 Abs. 2 RTV begann entgegen der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts und der Auffassung der Beklagten erst mit dem Zugang des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB bei der Beklagten zu laufen und damit nicht vor dem . Zur Wahrung der Frist genügte der rechtzeitige Eingang der Klageschrift bei Gericht (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 167 ZPO; vgl. Steffan in Henssler/Moll/Bepler Teil 5 (22) Rn. 7). Da die Klage am beim Arbeitsgericht einging, wurde die Frist von zwei Monaten zur Wahrung der zweiten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist eingehalten.

243. Dahingestellt bleiben kann, ob im Rahmen der Neuvergabe des Reinigungsauftrags für das Krankenhaus H tatsächlich ein Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stattfand, wovon die Beklagte in ihrem an den Kläger gerichteten Schreiben vom „nach Überprüfung der Sachlage“ ausging.

25a) Trat die „Firma K“ als neue Auftragnehmerin zum gemäß § 613a Abs. 1 BGB tatsächlich in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein, hinderte dies gegenüber der Beklagten den Beginn des Laufs der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nach § 22 Abs. 2 RTV.

26aa) Wird das Widerspruchsrecht nach dem Betriebsübergang vom Arbeitnehmer ausgeübt, wirkt es auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück (sog. ex-tunc-Wirkung; st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 41 mwN, BAGE 119, 91; vgl. auch MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 122; KR/Treber 10. Aufl. § 613a BGB Rn. 116; ErfK/Preis 13. Aufl. § 613a BGB Rn. 105). Der Widerspruch führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien ununterbrochen fortbestand ( - Rn. 39, aaO). Daraus wird teilweise die Schlussfolgerung gezogen, auch Ausschlussfristen fänden bei einem später erklärten Widerspruch so Anwendung, als habe das Arbeitsverhältnis ununterbrochen fortbestanden ( - zu II 1 c aa (2) der Gründe, LAGE BGB 2002 § 613a Nr. 31; zustimmend Däubler/Zwanziger TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 1148; Grobys/Panzer/Schönhöft SWK ArbR 2012 Ausschlussfristen Rn. 23). Dies soll dazu führen können, dass Ansprüche im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchsrechts bereits verfallen seien.

27bb) Ein solches Verständnis widerspricht jedoch dem Zweck tariflicher Ausschlussfristen. Tarifvertragsparteien wollen durch die Normierung der Verpflichtung zur gerichtlichen Geltendmachung alsbaldige Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs schaffen. Ein Zwang zur Anrufung des Arbeitsgerichts ist allerdings nur sinnvoll, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auch durchsetzbar ist (vgl.  - zu II 3 a der Gründe). So läuft die Frist für die gerichtliche Geltendmachung grundsätzlich nicht vor der Fälligkeit des Anspruchs ( - zu 2 a dd der Gründe, BAGE 112, 351; - 8 AZR 236/02 - zu II 2 a der Gründe mwN; - 10 AZR 668/95 - aaO; Weyand Ausschlussfristen im Tarifrecht Kap. 5 Rn. 66 und Kap. 7 Rn. 17).

28cc) Bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zum hätte die von der Beklagten am erklärte Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet, weil die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt nicht mehr Arbeitgeberin des Klägers, sondern Dritte gewesen wäre (vgl.  - Rn. 26; MüKoBGB/Müller-Glöge § 613a Rn. 209). Mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre ein Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung nicht entstanden, geschweige denn fällig gewesen (vgl.  - Rn. 45 mwN), sodass die tarifliche Ausschlussfrist nicht zu laufen begonnen hätte.

29dd) Obschon ein vom Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang ausgeübtes Widerspruchsrecht auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurückwirkt, darf dieses ebenso wie andere Gestaltungsrechte nicht mechanisch gehandhabt werden, wenn sich Einschränkungen der Rückwirkung aus dem Gesetzeszweck ergeben (vgl. Staudinger/Gursky (2009) § 184 Rn. 38; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 184 Rn. 2). So ordnet das Gesetz in § 184 BGB an, dass die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt. Dennoch entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die Verjährung durch die Genehmigung nicht rückwirkend, sondern ex nunc in Gang gesetzt wird (vgl. Staudinger/Gursky aaO; Palandt/Ellenberger aaO, jew. mwN; Trautwein in jurisPK-BGB 5. Aufl. § 184 Rn. 26; BeckOK BGB/Bub Stand § 184 Rn. 9; vgl. auch zum Beginn der Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG bei rückwirkender Genehmigung der Kündigung:  - Rn. 14). Bereits das Reichsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass eine rechtliche Fiktion nicht die Kraft habe, tatsächliche Unmöglichkeiten zu überwinden und die Zeitrechnung umzustoßen (RG - V 282/06 - RGZ 65, 245). Die Verjährung eines Anspruchs erfordere, dass der Anspruch entstanden sei, also geltend gemacht werden konnte, und nur während der bestimmten Frist nicht geltend gemacht worden sei.

30ee) Nach ihrem Sinn und Zweck ist eine einschränkende Auslegung tariflicher Ausschlussfristen geboten, wenn der Widerspruch vom Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang wirksam erklärt wird. Dafür, dass Tarifvertragsparteien mit der Normierung von Ausschlussfristen Ansprüche auch dann untergehen lassen wollten, wenn der Anspruchsberechtigte vor Ablauf der Ausschlussfristen nicht in der Lage war, seinen Anspruch mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich geltend zu machen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Tarifliche Ausschlussfristen bezwecken nur, über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis alsbald Klarheit zu schaffen.

31ff) Der Einwand, der Kläger habe es damit in der Hand gehabt, durch die Ausübung seines Widerspruchsrechts die zweite Stufe der Verfallfrist in Gang zu setzen, überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer kann den Widerspruch nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB wirksam erklären. Der bisherige Arbeitgeber hat es mithin selbst in der Hand, den Arbeitnehmer durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung zu einer zeitnahen Erklärung zu veranlassen (zu den Folgen einer fehlerhaften Unterrichtung: vgl.  - Rn. 23 mwN).

32b) Auch wenn zum kein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB stattgefunden haben sollte, könnte die Beklagte sich auf diesen Umstand nicht berufen, sodass auch in diesem Fall die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 22 Abs. 2 RTV frühestens mit dem Zugang des Widerspruchs des Klägers bei der Beklagten zu laufen begann. Die Beklagte war aufgrund ihrer Ausführungen im Schreiben vom gehindert, sich auf die Versäumung der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der Urlaubsabgeltung zu berufen. Es bedarf daher keiner weiteren Prüfung, ob sich die Beklagte in den Tatsacheninstanzen ausreichend gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zu der Behauptung des Klägers, es habe ein Betriebsübergang vorgelegen (zum Betriebsübergang als Tatsachen einkleidenden Rechtsbegriff: vgl.  - Rn. 28 f. mwN), erklärt hat, oder ob der Umstand als zugestanden zu gelten hat (§ 138 Abs. 3 ZPO). Mit dem erstmals in der Revisionsverhandlung erhobenen Einwand, objektiv habe kein Betriebsübergang vorgelegen, setzt sich die Beklagte in Widerspruch zu ihrer eigenen Erklärung vom . Dieses Verhalten verstößt gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242134 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist ( - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 216; - 8 AZR 8/02 - zu II 2 e aa der Gründe, BAGE 103, 71; Thüsing/Braun/Mengel/Burg Tarifrecht Kap. 5 Ausschlussklauseln Rn. 16). Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung der Grundsätze von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat ( - Rn. 19 mwN).

33Der Kläger hatte bereits im Rahmen des Verfahrens vor dem Integrationsamt geltend gemacht, dass von einem Betriebsübergang auszugehen sei. Dieser Auffassung hat sich die Beklagte mit Schreiben vom „nach Überprüfung der Sachlage“ angeschlossen. Etwaige noch bestehende Zweifel am Vorliegen eines Betriebsübergangs hat die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht geäußert, sondern den Kläger aufgefordert, sich bezüglich der Urlaubsabgeltung mit dem Betriebserwerber in Verbindung zu setzen. Der Kläger durfte sein Verhalten fortan darauf einstellen, dass sein Arbeitsverhältnis (zunächst) auf den Betriebserwerber übergegangen war. Dies hat der Kläger ausweislich seines Schreibens vom , in dem er dem Übergang widersprach, auch getan.

34III. Der Ausspruch über die Zinsen folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 288 Abs. 1 BGB.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1779 Nr. 30
DB 2013 S. 10 Nr. 34
DB 2013 S. 1672 Nr. 30
DB 2013 S. 6 Nr. 29
NJW 2013 S. 8 Nr. 32
ZIP 2013 S. 1783 Nr. 37
MAAAE-41003