BGH Urteil v. - IX ZR 122/12

Fortsetzung eines Anfechtungsprozesses durch den Insolvenzverwalter nach Insolvenzverfahrensaufhebung

Leitsatz

Auf der Grundlage des Insolvenzplans darf der Insolvenzverwalter nur einen bei Aufhebung des Verfahrens bereits rechtshängigen Anfechtungsprozess fortsetzen.

Gesetze: § 259 Abs 3 InsO

Instanzenzug: Az: 5 U 3216/11vorgehend LG München I Az: 6 O 10074/10

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom über das Vermögen der P.              GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am eröffneten Insolvenzverfahren.

2Die Schuldnerin belieferte die Beklagte im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung mit Ware. Jener standen nach Maßgabe einer Konditionenvereinbarung umsatzabhängige Provisionen gegen die Schuldnerin zu. Gegen Kaufpreisforderungen der Schuldnerin über 125.835,37 € rechnete die Beklagte am mit Provisionsforderungen in entsprechender Höhe auf.

3Das Amtsgericht hat das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin nach Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans durch Beschluss vom mit Wirkung zum aufgehoben. Der Insolvenzplan ermächtigt den Insolvenzverwalter, "anhängige Rechtsstreitigkeiten, die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben, auch nach Aufhebung des Verfahrens fortzuführen".

4Mit der am eingereichten und am zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 125.835,37 € in Anspruch. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht dem Begehren stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

5Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

I.

6Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger mache keinen insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch, sondern den ursprünglichen Kaufpreis- oder Werklieferungsanspruch der Schuldnerin geltend. Er sei zur Verfolgung des Anspruchs befugt, weil er nach dem Inhalt des Insolvenzplans ermächtigt sei, anhängige Rechtsstreitigkeiten, die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben, fortzuführen. Da die Klageforderung nur dann keinen Bestand habe, wenn die von der Beklagten erklärte Verrechnung wirksam sei, kämen hinsichtlich der Aufrechnung nur anfechtungsrechtliche Gesichtspunkte in Betracht. Der Rechtsstreit habe daher im Sinne von § 259 Abs. 3 InsO eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand. Die Aufrechnung sei hier gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 InsO unwirksam.

II.

7Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage ist bereits unzulässig. Wäre sie als allgemeine Leistungsklage anzusehen, fehlte dem Kläger mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens die aus § 80 Abs. 1 InsO herrührende Klagebefugnis. Ist die Klage als Anfechtungsklage anzusehen, ist der Kläger auch nicht gemäß § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO prozessführungsbefugt, weil die vorliegende Klage erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhoben wurde.

81. Die zuletzt genannte Vorschrift verleiht dem Insolvenzverwalter nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, einen anhängigen Anfechtungsrechtsstreit fortzuführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Planes vorgesehen ist. Zwar kann die Insolvenzanfechtung als spezifisches Instrument des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur während der Dauer des Verfahrens von dem Insolvenzverwalter kraft seines Amtes ausgeübt werden. In Durchbrechung dieses Grundsatzes wird ausnahmsweise durch § 259 Abs. 3 InsO aufgrund einer Entscheidung der Gläubiger in dem Plan die Prozessführungsbefugnis des Verwalters für schwebende Verfahren über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus aufrechterhalten. Ist das Insolvenzverfahren aufgehoben worden, schließt das Gesetz eine Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für neue, erst anhängig zu machende Anfechtungsklagen schlechthin aus (, WM 2010, 136 Rn. 10).

92. Die am eingereichte Klage wurde der Beklagten am zugestellt. Da das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom aufgehoben worden war, konnte durch die spätere Zustellung die gemäß § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO für den Zeitpunkt der Aufhebung verlangte Rechtshängigkeit nicht begründet werden.

10a) Der Verwalter kann nach dem Wortlaut der Regelung einen "anhängigen Rechtsstreit", der eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, auf der Grundlage des Insolvenzplans auch nach Aufhebung des Verfahrens fortsetzen. Bereits zur Auslegung des § 240 ZPO hat der Senat erkannt, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei eine Unterbrechung nur stattfindet, wenn ein durch Klagezustellung bewirktes rechtshängiges Verfahren vorliegt (, WM 2009, 332 Rn. 9). Sowohl im Rahmen des § 240 ZPO als auch den darauf bezogenen konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Vorschriften wird Rechtshängigkeit vorausgesetzt (BGH, aaO).

11b) Auf diesem Verständnis beruht auch die hier maßgebliche Regelung des § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO. Ein "anhängiger Rechtsstreit" im Sinne dieser Vorschrift scheidet aus, wenn - wie im Streitfall - zum Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung lediglich eine Anfechtungsklage eingereicht, aber noch nicht zugestellt ist. Durch die Verbindung des Tatbestandsmerkmals "anhängig" mit dem Begriff "Rechtsstreit" wird unmissverständlich verdeutlicht, dass eine Fortführung nur für eine im Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung bereits zugestellte Anfechtungsklage in Betracht kommt (zutreffend Wollweber/Hennig, ZInsO 2013, 49, 50 ff). Dieses Verständnis liegt auch den §§ 85, 86 InsO zugrunde, die "anhängig" im Sinne von "rechtshängig" begreifen. In Übereinstimmung hiermit ist auch der Senat davon ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter spätestens im Zeitraum zwischen der Abstimmung über den Insolvenzplan und der Verfahrensaufhebung Anfechtungsklage zu erheben hat und nur einen bereits rechtshängigen Anfechtungsrechtsstreit fortsetzen kann (vgl. Urteil vom , aaO).

12c) Der Beschluss über die Aufhebung des Verfahrens zum wurde im Streitfall am erlassen und öffentlich bekannt gemacht. Die Aufhebung ist jedenfalls mit der Beschlussfassung am wirksam geworden (, BGHZ 186, 223 Rn. 5 ff) und damit vor Klageerhebung.

13Die Aufhebung unterliegt, wenn die Entscheidung von einem Richter getroffen wurde, gemäß § 6 Abs. 1 InsO nicht der Beschwerde (MünchKomm-InsO/Huber, 2. Aufl., § 258 Rn. 19; HK-InsO/Flessner, 6. Aufl., § 258 Rn. 9; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 258 Rn. 2; HmbKomm-InsO/Thies, 4. Aufl., § 258 Rn. 20). Ergeht die Entscheidung - wie im Streitfall - durch einen Rechtspfleger, ist zwar nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG die befristete Erinnerung eröffnet (MünchKomm-InsO/Huber, aaO Rn. 20; Uhlenbruck/Lüer, aaO; HK-InsO/Flessner, aaO; HmbKomm-InsO/Thies, aaO). Gleichwohl ist ebenso wie bei einer Entscheidung durch den Richter auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung abzustellen, weil der Erinnerung, wie der Beschwerde gemäß § 570 Abs. 1 ZPO, keine aufschiebende Wirkung zukommt (, NJW 1975, 692; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO § 6 Rn. 51; im Ergebnis ebenso MünchKomm-Inso/Huber, aaO). Bei dieser Sachlage ist die Regelung des § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO vorliegend nicht einschlägig, weil die Anfechtungsklage der Beklagten erst nach Verfahrensaufhebung zugestellt wurde. § 167 ZPO ist insofern nicht einschlägig.

III.

14Das angefochtene Urteil ist, weil sich die Revision als begründet erweist, gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung mit der Maßgabe zurückweisen, dass die Klage unzulässig ist.

Vill                            Raebel                              Gehrlein

             Grupp                             Möhring

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2013 S. 1227 Nr. 22
DB 2013 S. 16 Nr. 20
DB 2013 S. 16 Nr. 20
NJW 2013 S. 6 Nr. 23
NJW-RR 2013 S. 822 Nr. 13
WM 2013 S. 938 Nr. 20
ZIP 2013 S. 998 Nr. 20
CAAAE-35608