BGH Urteil v. - VIII ZR 14/12

Stromversorgungsvertrag: Wirksamkeit einer Klausel über die Erstlaufzeit des Vertrages

Leitsatz

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ein Energieversorgungsunternehmen in Stromversorgungsverträgen mit Endverbrauchern verwendet, verstößt die Klausel

"Der Vertrag hat eine Erstlaufzeit von einem Jahr. Die Erstlaufzeit beginnt mit dem in der Auftragsbestätigung genannten Lieferbeginn."

nicht gegen § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB.

Gesetze: § 309 Nr 9 Buchst a BGB

Instanzenzug: Az: I-19 U 38/11vorgehend Az: 25 O 230/11

Tatbestand

1Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verbraucherschutz-Dachverband. Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen. Sie legt Stromversorgungsverträgen mit Endverbrauchern ihre "Allgemeinen Geschäftsbedingungen R.  Naturstrom" zugrunde. Der Kläger hält - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - die nachfolgenden Bestimmungen mit Ausnahme der in eckige Klammern gesetzten Teile für unwirksam.

"[2 Wie kommt mein Vertrag zustande und ab wann bekomme ich Strom von R.  ?

2.3] Der Stromliefervertrag kommt zustande, sobald R.   Ihnen in einem weiteren Schreiben (bzw. bei Auftragserteilung gemäß 2.2 ggf. auch per E-Mail) das Zustandekommen bestätigt und den verbindlichen Lieferbeginn mitteilt. [Wenn Ihr Auftrag bis zum 15. eines Monats bei R.   eingegangen ist, beginnt die Stromlieferung in der Regel am 1. des übernächsten Monats. Voraussetzung ist allerdings, dass Ihr bisheriger Stromliefervertrag vor Lieferbeginn beendet werden konnte.]

[4 Wie lang ist die Laufzeit meines Vertrages?]

Der Vertrag hat eine Erstlaufzeit von einem Jahr. Die Erstlaufzeit beginnt mit dem in der Auftragsbestätigung genannten Lieferbeginn.

[7 Wie wird mein Zählerstand abgelesen?

Bitte lesen Sie auf schriftliche Anfrage der R.   Ihren Zählerstand selbst ab. Werden die Messeinrichtungen von Ihnen nicht abgelesen, kann R.   auf Ihre Kosten die Ablesung selbst vornehmen, den Verbrauch schätzen oder einen Dritten mit der Ablesung beauftragen.] Zu diesem Zweck müssen Sie R.  oder dem Beauftragten den Zutritt zu Ihren Räumen gestatten."

2Der Kläger wendet sich also gegen die Klauseln in Ziffer 2.3 Satz 1 (im Folgenden: Klausel 1), Ziffer 4 (im Folgenden: Klausel 2) und Ziffer 7 Satz 3 (im Folgenden: Klausel 3).

3Er hat die Beklagte darauf in Anspruch genommen, es zu unterlassen, die vorstehend bezeichneten drei Klauseln sowie fünf weitere Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen in mit Verbrauchern geschlossene Stromversorgungsverträge einzubeziehen sowie sich bei der Abwicklung derartiger, nach dem geschlossener Verträge auf diese Bestimmungen zu berufen. Hinsichtlich der vorstehend bezeichneten Klauseln ist die Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter. Die Beklagte, die beim Berufungsgericht hinsichtlich der übrigen fünf Klauseln unterlegen ist, hat ihrerseits Revision eingelegt, diese aber vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Gründe

4Die Revision hat zum Teil Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht (OLG Hamm, ZNER 2012, 548 ff.) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

6Die Berufung des Klägers hinsichtlich der Klauseln 1, 2 und 3 sei unbegründet. Keine dieser drei Klauseln sei nach §§ 307 ff. BGB unwirksam.

7Klausel Nr. 1 verstoße weder gegen § 308 Nr. 1 BGB noch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 147 Abs. 2 BGB, da sie keine Regelung zur Annahmefrist treffe, sondern lediglich das Zustandekommen des Vertrages regele. Sie bestimme nicht ausdrücklich, dass der Kunde bis zur Auftragsbestätigung an sein Angebot gebunden bleibe. Ein derartiger Inhalt ergebe sich auch nicht bei verbraucherfeindlichster Auslegung. Der rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde, auf dessen Horizont bei der Auslegung abzustellen sei, verstehe die Klausel lediglich dahingehend, dass ein Vertragsschluss eine Vertragsbestätigung der Beklagten (schriftlich oder per E-Mail) voraussetze. Hierfür spreche auch die eindeutige Überschrift "Wie kommt mein Vertrag zustande und ab wann bekomme ich Strom von der R.  ?". Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffes "sobald". Anders als beispielsweise die Konjunktion "solange" bedeute die Konjunktion "sobald" nicht, dass bis zu dem Eintritt eines Ereignisses ein Zustand (hier die Bindung des Kunden) perpetuiert werde. Sie sei vielmehr vergleichbar mit der Konjunktion "wenn", die lediglich eine Bedingung setze. Auch aus einer Zusammenschau mit dem weiteren Inhalt der Klausel, wonach die Stromlieferung bei einem Auftragseingang bis zum 15. eines Monats in der Regel am 1. des übernächsten Monats beginne, ergebe sich keine abweichende Deutung. Denn diese Regelung beziehe sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut und aus der Sicht eines durchschnittlichen Haushaltskunden nur auf den Beginn der Leistung, nicht aber auf den Vertragsschluss.

8Klausel Nr. 2 verstoße nicht gegen § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB. Die Auslegung des Klägers, aus dieser Klausel könne sich eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren ergeben, weil es denkbar sei, dass die Stromlieferung erst mehr als zwölf Monate nach Vertragsschluss beginne und die daran angeknüpfte Vertragslaufzeit von einem Jahr dann insgesamt den zulässigen Rahmen von zwei Jahren ab Vertragsschluss überschreite, sei lebensfremd. Jedem durchschnittlichen Haushaltskunden sei die existentielle Bedeutung von Strom für seinen Haushalt und seine Lebensführung bewusst. Ihm sei weiter klar, dass ein Stromversorger bereits aus ureigensten Interessen so bald als möglich mit der Stromlieferung beginnen werde und dass ein Zeitraum von mehr als einem Jahr zwischen Vertragsschluss und Stromlieferung schlichtweg nicht denkbar sei. Angesichts dessen könne dahinstehen, ob einem Verstoß gegen § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB das seitens der Beklagten eingeräumte zweiwöchige Widerrufsrecht entgegenstehe.

9Klausel Nr. 3 verstoße nicht gegen § 307 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 13 GG. Sie könne auch bei kundenfeindlichster Auslegung nicht dahingehend verstanden werden, dass der Kunde der Beklagten jederzeit und auch ohne vorherige Anmeldung Zutritt zu seinen Räumlichkeiten zu gewähren habe. Es sei allgemeinkundig, dass ein Stromversorger einen Ablesetermin entweder schriftlich ankündige oder bei einem Besuch ohne vorherige Ankündigung die Räumlichkeiten gegen den Willen des Wohnungsinhabers/Vertragskunden nicht betreten dürfe, sondern sich auf einen anderen Termin verweisen lassen müsse. Jede andere Auslegung sei lebensfremd.

II.

10Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsgericht hat die Klausel Nr. 3 rechtsfehlerhaft als wirksam beurteilt. Zu Recht hat es dagegen angenommen, dass die Klauseln Nr. 1 und 2 nicht zu beanstanden sind; insoweit ist die Revision zurückzuweisen.

111. Klausel 1

12Ohne Erfolg rügt die Revision, die Klausel 1 verstoße gegen § 308 Nr. 1 BGB, weil sich der Verwender nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung des Vertragsangebots des Kunden vorbehalte. Das ist - wovon das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht ausgeht - nicht der Fall. Die Klausel ist auch nicht gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 147 Abs. 2 BGB unwirksam.

13a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (, WuM 2010, 27 Rn. 11; vom - VIII ZR 122/08, WM 2010, 1283 Rn. 19; , BGHZ 176, 244 Rn. 19). Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Diese Auslegungsregel führt im Verbandsprozess dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (, BGHZ 180, 257 Rn. 31; vom - KZR 2/07, aaO; Senatsurteil vom - VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203, 223).

14b) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Klausel 1 nicht gegen § 308 Nr. 1 BGB. Dabei kann dahin stehen, ob die Klausel - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nach kundenfeindlichster Auslegung eine zeitliche Bindung des Kunden an sein Belieferungsangebot voraussetzt. Denn selbst in diesem Fall beschränkte sich die Klausel - wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils für eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Klausel entschieden hat (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, ZIP 2012, 2064 Rn. 17 ff.) - bei der gebotenen Zusammenschau mit den übrigen in Ziffer 2.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten getroffenen Regelungen auf eine Wiedergabe der vorliegend für die Bestimmung der Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB maßgeblichen Umstände und bindet dadurch den Kunden weder unangemessen lange noch für eine nicht hinreichend bestimmte Zeitdauer. Insofern benachteiligt die Klausel die Kunden der Beklagten auch nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

15aa) Eine die Annahme eines Angebots behandelnde Klausel kann nicht nach § 308 Nr. 1 BGB als zu unbestimmt beanstandet werden, wenn sie sich auf eine Wiedergabe des Regelungsgehalts des § 147 Abs. 2 BGB beschränkt und die Annahmefrist davon abhängig macht, wann der Antragende den Eingang der Antwort unter den ihm bekannten oder in der Klausel bekannt gemachten regelmäßigen Umständen erwarten darf (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 18 mwN). Dazu sind alle die Antwort möglicherweise verzögernden Umstände zu berücksichtigen, die dem Antragenden bekannt sind oder mit denen er zumindest rechnen muss (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO; , WM 2008, 849 Rn. 21 mwN). Solche Umstände können sich auch aus dem Zusammenhang eines Gesamtklauselwerks - hier insbesondere aus den übrigen Bestimmungen in der Ziffer 2.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen - ergeben. Denn auch in dem Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz ist eine Klausel vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags auszulegen und darf nicht aus einem ihre Beurteilung mit beeinflussenden Zusammenhang gerissen werden (Senatsurteil vom - VIII ZR 202/11, ZIP 2012, 1036 Rn. 19).

16Hier sind für den Kunden aus den Bestimmungen in Ziffer 2.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die wesentlichen Voraussetzungen und der regelmäßige zeitliche Ablauf des Lieferantenwechselverfahrens nach § 14 der Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzzugangsverordnung - StromNZV) vom (BGBl. I S. 2243) ersichtlich. Damit wird ihm vor Augen geführt, wann die Vertragsbestätigung der Beklagten erfolgen wird und wie lange er daher in diesem Regelfall an seinen Antrag gebunden ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO).

17bb) Die so konkretisierte Bindungsfrist ist hinreichend bestimmt. An einer hinreichenden Bestimmtheit fehlt es zwar, wenn der Kunde nicht in der Lage ist, die Bindungsfrist zu berechnen, weil ihr Beginn oder Ablauf ausschließlich oder zusätzlich von einem Ereignis abhängt, das in der Einfluss- oder Kenntnissphäre des Verwenders liegt (, WM 1985, 199 unter II 2; vom - III ZR 21/87, WM 1988, 607 unter II 2; vom - VII ZR 89/87, BGHZ 107, 75, 79). Hier sind es aber Umstände aus der Sphäre des Kunden, nämlich die Bedingungen des Stromlieferungsvertrags des Kunden mit seinem Vorlieferanten, die den entscheidenden Einfluss auf den Lauf und damit die Bemessung der Bindungsfrist haben (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 20).

18cc) Die Beklagte hat sich in der Klausel, soweit diese eine Aussage zur Antragsbindung des Kunden enthält, auch keine unangemessen lange Frist für die Annahme oder die Ablehnung des Angebots des Kunden vorbehalten. Denn die Annahmefrist, die sich in der Regel zusammensetzt aus der Zeit für die Übermittlung des Antrages an den Empfänger, für dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie für die Übermittlung der Antwort an den Antragenden, ist nicht starr, sondern kann sich bei Vorliegen absehbarer Verzögerungen, die ein verständiger Antragsteller billigerweise in Rechnung zu stellen pflegt, verlängern (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 21; , WM 2010, 1514 Rn. 11 f. mwN).

19Diese Umstände, die der Beklagten eine Entscheidung über die Erfüllbarkeit des ihr angetragenen Versorgungsvertrags erst ermöglichen, hat die Beklagte dem Kunden in der Klausel durch Darlegung der Besonderheiten des Lieferantenwechselverfahrens nach § 14 StromNZV mitgeteilt. Dass sie sich eine noch darüber hinaus gehende Frist ausbedingen wollte, um über eine Vertragsannahme entscheiden zu können, liegt nach der Klauselgestaltung fern und wird von den an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten verständigerweise auch nicht ernstlich in Betracht gezogen. Denn die Vertragsbestätigung soll nach dem Gesamtzusammenhang der Klausel unmittelbar nach Klärung der beschriebenen Voraussetzungen für das Zustandekommen des Stromlieferungsvertrages erfolgen. Der Kunde hat keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte hätte sich ohne erkennbaren Sinn noch einen zusätzlichen Zeitraum für ihre Entscheidung über eine Annahme des Vertragsangebots und eine damit einhergehende Verlängerung der Bindungsfrist des Kunden vorbehalten wollen (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO).

202. Klausel 2

21Die Revision rügt ohne Erfolg, die Klausel verstoße gegen § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB, weil sich hieraus eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren ab Vertragsschluss ergebe. Dies trifft - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht zu.

22a) Im Ausgangspunkt weist die Revision allerdings zutreffend darauf hin, dass die den anderen Vertragsteil bindende Laufzeit eines Dauerschuldverhältnisses im Sinne des § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB bereits mit dem Abschluss des Vertrages beginnt und nicht erst mit einem etwa vereinbarten späteren Beginn der Leistungserbringung (Senatsurteil vom - VIII ZR 180/92, BGHZ 122, 63, 67 f.). Schutzzweck des genannten Klauselverbots ist es, eine übermäßig lange Bindung des Kunden zu verhindern, die dessen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt. Ein Vertrag bindet jedoch bereits ab seinem Abschluss und nicht erst ab Beginn des Leistungsaustauschs.

23b) Davon ausgehend käme bei der vorliegenden Klausel eine mit der gesetzlich zulässigen Höchstbindungsdauer von zwei Jahren nicht zu vereinbarende Vertragslaufzeit dann in Betracht, wenn der Stromlieferungsvertrag durch eine Auftragsbestätigung der Beklagten zustande kommt, der Lieferbeginn - der eine einjährige Bindung auslöst - aber erst mehr als zwölf Monate später erfolgt (vgl. OLG Naumburg, ZNER 2011, 455 f.). Einer solchen zeitlichen Abfolge steht Ziffer 2.3 Satz 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht entgegen. Dieser enthält zwar die Voraussetzung, dass der bisherige Stromliefervertrag des Kunden vor dem Beginn der Lieferung durch die Beklagte beendet ist. Er schließt aber nicht aus, dass die Auftragsbestätigung der Beklagten und damit der Abschluss des neuen Stromlieferungsvertrags bereits vor der Beendigung des Altvertrages erfolgt und sich daher der Lieferbeginn durch die Beklagte auf die Zeit nach dem Auslaufen des bisherigen Versorgungsvertrags hinauszögert.

24c) Das Berufungsgericht hat aber eine solche zeitliche Abfolge, die zu einer unzulässigen Vertragsbindung von mehr als zwei Jahren führen könnte, zu Recht als lebensfremd betrachtet.

25Im Hinblick auf die Volatilität der Strompreise haben weder die Stromversorgungsunternehmen noch deren Kunden ein vernünftiges Interesse daran, einen Vertrag für einen über zwölf Monate in der Zukunft liegenden Lieferbeginn zu schließen. Der Kunde wird versuchen, von dem Wettbewerb im Strommarkt zu profitieren und gegebenenfalls einen günstigeren Tarif zu erhalten. Der Stromversorger wird sich nicht ohne konkreten Vorteil auf das Risiko einlassen, einen Strompreis zu vereinbaren, der möglicherweise deutlich unter dem bei Lieferbeginn geltenden Preisniveau liegt, zumal dieser Preisunterschied nicht ohne weiteres durch - häufig ohnehin umstrittene - Preisanpassungen ausgeglichen werden kann.

26Hinzu kommt, dass das Stromversorgungsunternehmen, das einen Vertrag bestätigt, obwohl der Lieferbeginn erst über zwölf Monate später erfolgen kann, sich in diesem Zeitraum einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand ausgesetzt sehen kann, ohne hierfür eine Gegenleistung in Form eines Entgelts zu erhalten. Es müsste beispielsweise - die Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel unterstellt - Preisanpassungen individuell ankündigen. Weiter müsste es eventuelle Änderungsmitteilungen der Kunden, etwa bezüglich der Anschrift oder der Bankverbindung, bearbeiten.

27Die Beklagte hat dementsprechend unwidersprochen vorgetragen, in den Fällen einer erheblichen Verzögerung des Lieferbeginns aufgrund der vertraglichen Kündigungsfristen im Rahmen des bestehenden Liefervertrags des Kunden bereits keine Vertragsbestätigung zu versenden. Zwar kommt es beim Verbandsprozess nicht darauf an, wie der Verwender die Klausel tatsächlich handhabt, sondern allein darauf, wie er sie nach dem Regelungsgehalt, der ihr bei kundenfeindlichster Auslegung zukommt, handhaben könnte (, BGHZ 99, 374, 376; vom - III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 unter II 3 a). Auch nach der kundenfeindlichsten Auslegung scheiden jedoch solche Auslegungsmöglichkeiten aus, die - wie die vorliegend in Rede stehende zeitliche Abfolge - von den an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht in Betracht gezogen werden (, BGHZ 91, 55, 61; vom - XI ZR 78/08, aaO Rn. 11). Die von der Revision befürchtete Konstellation ist letztlich zwar theoretisch denkbar, aber nach der Lebenserfahrung auszuschließen. Eine unzulässige Vertragsbindung des Kunden über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren sieht daher die Klausel bei der gebotenen Betrachtung nicht vor.

28d) Auf die Auswirkungen des vorliegend im Vertrag enthaltenen Widerrufsrechts des Kunden kommt es damit - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht an.

293. Klausel 3

30Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klausel sei wirksam.

31Wie der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils - zu einer inhaltsgleichen Klausel entschieden hat, ist diese nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend zu verstehen, dass dem Versorger ein von einer vorherigen Benachrichtigung unabhängiges Zutrittsrecht eingeräumt wird. Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 25 ff.).

32a) Ein durchschnittlicher Vertragspartner kann die Klausel so verstehen, dass sie der Beklagten auch dann ein Zutrittsrecht zu den Räumen des Kunden gewährt, wenn dieser zuvor nicht benachrichtigt worden ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 26). Denn eine Pflicht zur Benachrichtigung ist in der Klausel nicht geregelt. Sie begrenzt nur das Zutrittsrecht der Beklagten auf den damit verfolgten Ablesezweck. Es mag zwar sein, dass - wovon das Berufungsgericht als "allgemeinkundig" ausgeht - auch der rechtlich nicht vorgebildete Kunde weiß, dass ein Stromversorger entweder einen Ablesetermin schriftlich anzukündigen pflegt oder bei einem unangemeldeten Besuch die Wohnung nur bei entsprechender Gestattung betreten darf. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Klausel, die diese Beschränkungen gerade nicht enthält, von einem durchschnittlichen Vertragspartner so verstanden werden kann, dass sie abweichend von der sonst geltenden Rechtslage ein jederzeitiges Zutrittsrecht der Beklagten regelt. Dieses Verständnis ist im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung zugrunde zu legen.

33b) In dieser Auslegung hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand.

34Sie benachteiligt den Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, da sie von der durch den Gesetzgeber in §§ 9, 11 StromGVV getroffenen Regelung zur Verbrauchsablesung und dem dazu erforderlichen Zutrittsrecht abweicht. Diese Regelung gilt zwar für Sonderkundenverträge weder unmittelbar noch analog. Ihr kommt aber auch für diese Verträge eine "Leitbildfunktion im weiteren Sinne" zu (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 29).

35aa) Mit der in § 9 Satz 1 StromGVV enthaltenen Regelung, den Kunden zu benachrichtigen, bevor Zutritt zu dem Grundstück und den Räumen begehrt wird, werden verfassungsrechtliche Vorgaben gewahrt. Das Bundesverfassungsgericht hat es wegen des engen Zusammenhangs zwischen dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und dem verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung der Privatsphäre des Bürgers für erforderlich erachtet, dass dem Betroffenen vor Durchführung von Messungen in seiner Wohnung ausreichendes rechtliches Gehör gewährt wird und er zudem Gelegenheit hat, andere, ihn weniger belastende Modalitäten der Durchführung des Betretungsrechts anzubieten (BVerfGE 75, 318, 328 f.). Ein sachlicher Grund, vorliegend anders zu verfahren und abweichend vom Tarifkundenbereich, für den diese Anforderungen in § 9 Satz 1 StromGVV aufgegriffen und näher ausgestaltet worden sind, einem Energieversorgungsunternehmen im Sonderkundenbereich zu Ablesezwecken ein erleichtertes Zutrittsrecht in die Wohnung des Kunden zuzubilligen, ist nicht ersichtlich (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 30).

36bb) Die Revisionserwiderung ist demgegenüber der Auffassung, eine unangemessene Benachteiligung des Kunden scheide schon deshalb aus, weil die Klausel im Gegensatz zu § 9 StromGVV nur ein Betretungsrecht für den Fall regele, dass der Kunde seine Ableseverpflichtung trotz vorheriger Aufforderung durch die Beklagte nicht erfüllt habe. Der Kunde müsse daher mit dem Besuch eines Mitarbeiters der Beklagten zum Zweck der Ablesung rechnen. Dies trifft indessen nicht zu (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 32 f.).

37Welche vorrangigen Interessen der Beklagten Anlass geben könnten, ihr allein wegen einer Verletzung der (Selbst-)Ablesepflicht des Kunden zum Zwecke der Verbrauchsablesung ein an keine Einschränkungen gebundenes Zutrittsrecht in dessen Wohnung zuzubilligen, zeigt die Revisionserwiderung nicht auf; sie sind auch sonst nicht ersichtlich (Senatsurteil vom - VIII ZR 337/11, aaO Rn. 33).

III.

38Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit es die Klausel 3 betrifft; im Übrigen ist die Revision unbegründet. Im Umfang der Aufhebung kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Berufung des Klägers ist das Urteil des Landgerichts teilweise abzuändern und der Klage auf Untersagung der Verwendung der Klausel 3 stattzugeben.

Ball                            Dr. Milger                              Dr. Achilles

            Dr. Fetzer                             Dr. Bünger

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
DB 2013 S. 6 Nr. 3
NJW 2013 S. 926 Nr. 13
ZIP 2013 S. 1231 Nr. 25
ZIP 2013 S. 5 Nr. 2
JAAAE-27053