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Grundlagen vom

Wechsel der Gewinnermittlungsart

Rüdiger Happe

A. Problemanalyse

I. Einführung

1Keine endgültige Wahl

Hat sich der Unternehmer bei der Eröffnung seines Unternehmens für eine Gewinnermittlungsmethode entschieden, muss dies keine endgültige Wahl für die gesamte Dauer seiner unternehmerischen Tätigkeit sein. Unter bestimmten Voraussetzungen ergeben sich Möglichkeiten, die Gewinnermittlungsart zu wechseln. In Einzelfällen ist der Wechsel sogar zwingend vorgeschrieben.

2Gleicher Gesamtgewinn

Unabhängig davon, welche Gewinnermittlungsart gewählt wird, muss der Gesamtgewinn, den der Unternehmer im Laufe seiner unternehmerischen Tätigkeit erzielt, immer gleich sein.

Hinweis

Allerdings können sich in den einzelnen Gewinnermittlungsperioden je nach Gewinnermittlungsart unterschiedliche Periodengewinne ergeben, die sich im Zeitablauf automatisch wieder ausgleichen.

Beispiel

Ein bilanzierender Unternehmer muss im Jahr 01 für einen Garantiefall eine Rückstellung von 100.000 € bilden. Die Rückstellungsbildung führt bei ihm zur Gewinnminderung. Im Wirtschaftsjahr 03 werden Aufwendungen für die Garantiearbeiten in entsprechender Höhe getätigt. Dieser Zahlungsabfluss erfolgt erfolgsneutral durch Auflösung der Rückstellung.

Bei einem Unternehmer, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, hätte der Vorgang im ersten Jahr keine Auswirkung gezeigt. Erst im Zeitpunkt der Zahlung im Jahr 03 ergeben sich bei ihm erfolgswirksame Auswirkungen. Für beide bleibt aber der Gesamtgewinn aus dem Vorgang gleich:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bilanzierender Unternehmer
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Jahr 01
-100.000 €
-
Jahr 03
-
-100.000 €
Gesamtauswirkung
-100.000 €
-100.000 €

Die unterschiedlichen Gewinne im einzelnen Gewinnermittlungszeitraum ergeben sich dadurch, dass die Einnahmen-Überschussrechnung sich vom Grunde her am Prinzip des Zu- und Abflusses orientiert, während die Bilanzierung das Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung verfolgt.

Hinweis

Bedingt durch die verschiedenen Grundansätze der Gewinnermittlungsmethoden muss allerdings beim Wechsel ein Übergangsgewinn bzw. -verlust ermittelt werden, da sonst der unternehmerische Gesamtgewinn nicht identisch wäre.

Beispiel

Hätte der nicht bilanzierende Unternehmer in vorherigem Beispiel zum seine Gewinnermittlungsmethode von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung gewechselt, stellten die Aufwendungen für den Garantiefall im Jahr 03 keinen Aufwand dar und blieben somit bei ihm vollkommen ohne Gewinnauswirkung.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gewinnauswirkung
Jahr 01
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
0 €
Jahr 03
Bilanzierung
0 €
Gesamtauswirkung
0 €

3Korrekturposten

Diese ungewünschte Auswirkung ist jedoch zu korrigieren, obwohl konkrete gesetzliche Regelungen nicht vorliegen. So hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden:

  • Entschließt sich der Steuerpflichtige, von einer Gewinnermittlungsart zu einer anderen Gewinnermittlungsart überzugehen, oder

  • wird er zu einem solchen Übergang von der Überschussrechnung zum Vermögensvergleich durch gesetzliche Vorschriften gezwungen,

ist durch Korrekturposten oder durch Korrektur des Gewinns im Übergangsjahr dafür Sorge zu tragen, dass dem Steuerpflichtigen durch diesen Übergang keine steuerlichen Nachteile, aber auch keine steuerlichen Vorteile entstehen, d. h., dass auf eine längere Zeitperiode gesehen die Gewinne versteuert werden, die bei einem konstanten Vermögensvergleich ausgewiesen worden wären. Die notwendigen Gewinnkorrekturen sind auch Thema einer Fallstudie unter C, III.

4 Einstweilen frei

II. Anlässe für einen Wechsel

5Verschiedene Anlässe können einen Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) und umgekehrt auslösen.

1. Verpflichtung zur Buchführung
6Gewerblicher Unternehmer

Eine Verpflichtung zur Buchführung ergibt sich im Wesentlichen aus der Vorschrift des § 141 AO. Danach ist ein gewerblicher Unternehmer verpflichtet, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, sofern die erzielten Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nr. 8–10 UStG, 800.000 € im Kalenderjahr übersteigen oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb mehr als 80.000 € im Wirtschaftsjahr beträgt (bis 2023: 600.000 € bzw. 60.000 €).

Hinweis

Für die Umsatzgrenze wird an die Berechnungsmethode für die Ist-Besteuerung des § 19 Abs. 3 UStG angeknüpft; dies sind alle Umsätze abzüglich der steuerfreien Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. i, Nr. 9 Buchst. b und Nr. 11 bis 29 UStG sowie abzüglich der steuerfreien Hilfsumsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. a bis h, Nr. 9 Buchst. a und Nr. 10 UStG.

7Land- und Forstwirte

Gleiches gilt für Land- und Forstwirte, die selbst bewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Flächen mit einem Wirtschaftswert von mehr als 25.000 € im Kalenderjahr gehabt oder einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 60.000 € im Kalenderjahr erzielt haben.

Für Land- und Forstwirte gilt bis zum noch eine zusätzliche Grenze. Die Buchführungspflicht besteht bei selbst bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen auch, wenn diese einen Wirtschaftswert von mehr als 25.000 € haben. Hierbei ist der Wirtschaftswert aller vom Land- und Forstwirt selbstbewirtschafteten Flächen maßgebend, unabhängig davon, ob sie in seinem Eigentum stehen oder nicht.

Präzisierung

Allerdings entsteht die Buchführungspflicht erst nach Bekanntgabe eines entsprechenden Verwaltungsakts, durch den die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat, und zwar vom Beginn des Wirtschaftsjahres an, das auf die Mitteilung folgt.

Beispiel

U hat den Gewinn für sein Unternehmen bisher zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Für das Jahr 01 ermittelt er einen Gewinn von 82.000 €, sein Umsatz lag bei 150.000 €. Seine Steuererklärung für 01 gibt er im Dezember 02 ab. Im Januar 03 erhält er ein Schreiben seines Finanzamts, in dem er zur Führung von Büchern aufgefordert wird. Erst ab 04 ist U somit buchführungspflichtig.

8Eintragung im Handelsregister

Die Verpflichtung zur Buchführung kann aber auch aus einer (nachträglichen) Eintragung des Unternehmens als Kaufmann in das Handelsregister resultieren. Sowohl der Istkaufmann (§ 1 HGB) als auch der Kannkaufmann (§ 2 HGB), der sich freiwillig ins Handelsregister eintragen lässt, sind über die Vorschrift des § 238 HGB nach § 140 AO zur Buchführung verpflichtet.

Praxistipp

Allerdings können Einzelkaufleute unter Umständen auf eine Bilanzierung und Buchführung auch nach handelsrechtlichen Grundsätzen verzichten, wenn ihre Umsatzerlöse 800.000 € und der Jahresüberschuss 80.000 € (bis 2023: 600.000 € bzw. 60.000 €) an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen nicht übersteigen (§ 241a HGB). Bei einer Neugründung gilt die Regelung schon, wenn die Grenzen am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. Damit entsprechen die Grenzen der steuerlichen Buchführungsgrenze in § 141 AO.

9 „Andere Gesetze“ i. S. des § 140 AO können auch ausländische Rechtsnormen sein. Eine in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts ist daher im Inland nach § 140 AO i. V. m. ihrer Buchführungspflicht aus liechtensteinischem Recht buchführungspflichtig. Und auch ein im Inland ansässiger Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft, die gewerbliche Einkünfte erzielt und die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist Bücher zu führen oder die es freiwillig tut, ist nicht befugt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln.

2. Betriebsveräußerung oder -aufgabe

10 Veräußert ein Steuerpflichtiger, der den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, den Betrieb, wird er so behandelt, als wäre er im Augenblick der Veräußerung zunächst zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen. Dies gilt auch bei der Veräußerung eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils, in Einbringungsfällen (s. unten Rn. 25) und bei der Aufgabe eines Betriebs (R 4.5 Abs. 6 EStR).

Präzisierung

Das FG Baden-Württemberg hat dazu entschieden, dass der Wechsel zur Bilanzierung durch die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG zwingend vorgeschrieben ist und nicht durch anderslautende privatvertragliche Regelungen ersetzt werden kann.

Siehe zu diesem Thema auch Happe, Wechsel der Gewinnermittlungsart bei Betriebsveräußerung, Verschmelzung und Einbringung, BBK 20/2017 S. 962 NWB WAAAG-59707.

Hinweis

Soweit nach einer Betriebsaufgabe noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gem. § 24 Nr. 2 i. V. mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG führen. Die nachträglichen Einkünfte sind nicht mehr nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gem. § 11 EStG zu ermitteln.

11-14 Einstweilen frei

3. Gewinnermittlung durch Schätzung

15 Auch wenn nach einer Einnahmen-Überschussrechnung im folgenden Jahr der Gewinn nach § 13a Abs. 3 bis 5 EStG ermittelt wird, ist eine Gewinnberichtigung erforderlich. Die Schätzung entspricht dem Wechsel der Gewinnermittlungsart (R 4.6 EStR). Bei einem gewerblichen Betrieb, für den keine Buchführungspflicht besteht, für den freiwillig keine Bücher geführt werden und für den nicht festgestellt werden kann, dass der Steuerpflichtige die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gewählt hat, ist der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG zu schätzen. Hat der Steuerpflichtige dagegen für den Betrieb zulässigerweise die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gewählt, ist auch eine Gewinnschätzung in dieser Gewinnermittlungsart durchzuführen (H 4.1 EStH).

16-19Einstweilen frei

4. Freiwillige Buchführung

20In Einzelfällen dürfte auch der freiwillige Übergang zur Buchführung in Betracht kommen, sofern der Unternehmer z. B. einen besseren Überblick über die finanzielle Lage seines Unternehmens haben möchte oder eine Gewinnermittlung wünscht, die wirtschaftlichen Kriterien folgt. Auch in diesen Fällen liegt ein Wechsel der Gewinnermittlungsmethode vor.

Ein weiterer Grund für einen Wechsel könnte sein, dass der Unternehmer die Thesaurierungsbegünstigung (28,25 % Pauschalierungssatz) nach § 34a EStG in Anspruch nehmen möchte. Diese setzt die Gewinnermittlung durch Bilanzierung voraus.

Einzelheiten hierzu lesen Sie unter Happe, Ausübung des Wahlrechts zum Wechsel der Gewinnermittlungsart, BBK 7/2017 S. 333, NWB KAAAG-41683.

21 Bindungswirkung

Nach einem freiwilligen Wechsel der Gewinnermittlungsart ist der Steuerpflichtige grds. für drei Wirtschaftsjahre an diese Wahl gebunden. Nur bei Vorliegen eines besonderen wirtschaftlichen Grundes (z. B. Einbringung nach § 24 UmwStG) kann er vor Ablauf dieser Frist zurückwechseln.

22Erstellen einer Eröffnungsbilanz

Der Unternehmer muss dem Finanzamt gegenüber deutlich machen, dass er zur Buchführung wechseln will (s. auch Happe, Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, Grundlagen NWB KAAAE-23480, Rn. 65 ff.). Das Wahlrecht ist zwar formal allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung begrenzt. Allerdings hat ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger erst dann sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung einrichtet und vor allem aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.

Der Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung zum Bestandsvergleich setzt neben der Einrichtung einer Buchführung eine Anfangsbilanz mit zeitgerecht ermittelten Werten zwingend voraus. Dabei ist eine Bestandsaufnahme für die Positionen der Eröffnungsbilanz von besonderer Bedeutung.

Die ihr zugrunde liegenden Posten müssen dem Grunde und der Höhe nach zeitnah aufgenommen und erfasst werden; für körperliche Gegenstände ist eine reale Bestandsaufnahme notwendig. Werden die der Anfangsbilanz zugrunde liegenden Positionen nicht zeitgerecht zum Bilanzeröffnungsstichtag ermittelt, kann in diesem Veranlagungszeitraum nicht mehr von der Überschussrechnung zum Bestandsvergleich übergegangen werden.

Eine zeitnah aufgestellte Eröffnungsbilanz ist – als Voraussetzung der Ausübung des Wahlrechts für eine Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich – auch nicht deshalb entbehrlich, weil Aktiva und Passiva mit 0 € zu bewerten wären.

Hinweis

Der BFH hat den Begriff „zeitnah” nicht näher bestimmt. Wird die Eröffnungsbilanz aber z. B. erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erstellt, ist dies nicht mehr unter dem Begriff „zeitnah” zu verstehen. Allein aus der Tatsache, dass eine ordnungsgemäße Bestandsaufnahme von Waren und Rohstoffen, die der BFH in seinem Urteil als eine der Kernvoraussetzungen ansieht, bereits kurze Zeit nach Beginn eines Wirtschaftsjahres regelmäßig nicht mehr erfolgen kann, ist zu schließen, dass der Begriff relativ eng auszulegen ist.

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