BFH Urteil v. - I R 71/11

Mahlzeitendienst als steuerbegünstigter Zweckbetrieb

Leitsatz

1. Ein steuerbegünstigter Zweckbetrieb liegt nur dann vor, wenn der Geschäftsbetrieb (hier: Mahlzeitendienst) dem Grunde nach ein notwendiges Mittel ist, den ideellen Zweck der Körperschaft zu erreichen, und sich auch in seinem Umfang, d.h. in quantitativer Hinsicht auf eine Marktteilnahme beschränkt, die zur Erreichung ihrer satzungsmäßigen (steuerbegünstigten) Ziele erforderlich ist.
2. Der Zweck des § 65 Nr. 3 AO besteht darin, sowohl einen tatsächlich vorhandenen Wettbewerb z.B. vor Marktverdrängung als auch einen möglicherweise erst entstehenden (potentiellen) Wettbewerb vor der Errichtung von (steuerlichen) Marktzutrittsschranken zu schützen.
3. Ein unvermeidlicher Wettbewerb i.S. des § 65 Nr. 3 AO ist nur dann zu bejahen, wenn die Marktteilnahme (z.B. Herstellung und Veräußerung von Waren) nicht den für die berufliche Qualifizierungsmaßnahme notwendigen Umfang überschreitet.

Gesetze: AO § 65 Nr. 3, GewStG § 3 Nr. 6, KStG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine gemeinnützige GmbH, ist Mitglied des paritätischen Wohlfahrtsverbands. Ihre Anteile wurden in den Streitjahren (2001 bis 2005) zu 97 % vom Jugendsozialwerk . (im Folgenden: Jugendsozialwerk) gehalten. Nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags (GV) war es Zweck der Klägerin, „Personen und Personengruppen mit Einschränkungen bzw. geringen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu betreuen, zu qualifizieren und zu beschäftigen. Die Gesellschaft leistet Hilfestellung bei der Wiedereingewöhnung an die Arbeit, verbunden mit Maßnahmen, die eine Verbesserung von Vermittlungsaussichten auf dem Arbeitsmarkt zum Inhalt haben”. Gemäß § 3 GV verfolgt die Klägerin ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (AO).

2 Die Klägerin führte jährlich etwa 600 bis 800 Wiedereingliederungsmaßnahmen durch. Die Teilnehmer dieser Maßnahmen —neben Langzeitarbeitslosen handelte es sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) um „sehr schwierige” Personen, insbesondere auch um ehemalige Alkoholiker— wurden in den verschiedenen, von der Klägerin unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben eingesetzt. Die Maßnahmen wurden vom Arbeitsamt, vom Ministerium für Arbeit und Soziales und dem Landkreis bewilligt; sie dauerten in der Regel zwischen einem Jahr (z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) und drei bis fünf Jahren (z.B. Strukturanpassungsmaßnahmen). Teilnehmer der Maßnahme „Arbeit statt Sozialhilfe” nahmen auch an einem Schulunterricht teil, der wöchentlich an zwei Tagen durch eine von der Klägerin angestellte Sozialpädagogin und auch von externen Kräften abgehalten wurde.

3 Zu den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben der Klägerin gehörte in den Streitjahren ein Mahlzeitendienst, der Kindergärten —darunter vier Kindertagesstätten in der Trägerschaft des Jugendsozialwerks—, Schulen, das Personal der Diakonie sowie Privatpersonen belieferte. In der für die Essenszubereitung erforderlichen Küche waren neben einem Küchenmeister und einem Koch mit Ausbildereignung fünf bis acht Maßnahmeteilnehmer (Langzeitarbeitslose) als Küchenhilfen bei der Speisenherstellung und -verpackung beschäftigt. Für den Mahlzeitendienst wurden täglich etwa 1 000 Essen der jeweils selben Art zubereitet und diese von weiteren drei bis vier Maßnahmeteilnehmern ausgefahren. Die Klägerin erzielte im Streitzeitraum mit dem gesamten Mahlzeitendienst Umsatzerlöse zwischen 919.092,94 DM (2001) und 665.057,41 € (2004) sowie Jahresüberschüsse zwischen 29.442,29 DM (2001) und 105.874,95 € (2002).

4 Im Anschluss an eine Betriebsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) zu der Auffassung, dass der überwiegende Teil des Mahlzeitendienstes (Schülerversorgung; Lieferungen an die vier Kindergärten des Jugendsozialwerks) nicht als steuerbefreiter Zweckbetrieb anzuerkennen sei. Es handele sich nicht um eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege gemäß § 66 AO, da die Essenslieferungen nicht unmittelbar den Kindern, sondern dem Jugendsozialwerk als Leistungsempfänger zugute gekommen seien.

5 Die Klage gegen die hierauf für die Streitjahre geänderten Bescheide zur Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbeträge war erfolgreich (, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 8).

6 Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7 Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

8 II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

9 1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes KStG 1999/2002 (KStG 1999/2000) und § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes 1991/2002 sind Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), sowohl von der Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuer befreit. Nach beiden Vorschriften ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird. Allerdings sieht § 64 Abs. 1 AO —im Sinne einer Gegenausnahme— vor, dass dieser Begünstigungsausschluss nicht zum Tragen kommt und damit die Steuerbefreiungen zu gewähren sind, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO ist.

10 2. Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass die Klägerin sowohl nach ihrer Satzung als auch nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke —nämlich die Förderung der Jugend- und Altenhilfe sowie des Wohlfahrtswesens (vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO in der für die Streitjahre geltenden Fassung —AO a.F.— i.V.m. § 66 Abs. 2 AO; zu arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaften sowie berufsvorbereitender Hilfe für Arbeitslose vgl. , BFHE 177, 339, BStBl II 1995, 767; vom I R 2/08, BFHE 228, 388, BStBl II 2010, 1006; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 66 AO Rz 20)— verfolgt hat. Dies entspricht auch den der Klägerin erteilten Freistellungsbescheiden, die sie —vorbehaltlich der von ihr unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe— für die Streitjahre nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KStG 1999/2002 als gemeinnützige Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit hatten. Zweifelsfrei ist ferner, dass die Klägerin u.a. mit ihrem Mahlzeitendienst einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten hat und dieser nicht als Zweckbetrieb i.S. von § 66 AO anzusehen ist. Von dieser Vorschrift werden besondere Einrichtungen der Wohlfahrtspflege erfasst, deren Leistungen zu mindestens zwei Dritteln den in § 53 AO genannten bedürftigen Personen zugute kommen. Dass diese Voraussetzung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann nicht erfüllt wird, wenn die Leistungen unmittelbar gegenüber anderen gemeinnützigen oder sonstigen Einrichtungen erbracht werden (hier: Lieferungen an das Jugendsozialwerk) und deshalb den in § 53 AO genannten Personenkreis nur mittelbar begünstigen (, BFHE 162, 510, BStBl II 1991, 268 zu II.1.c; vom V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798 zu II.B.1.a; Senatsurteile in BFHE 228, 388, BStBl II 2010, 1006; vom I R 49/08, BFHE 228, 53, BStBl II 2011, 398), wird von der Klägerin nach ihrem Vortrag in der Revisionsinstanz nicht mehr in Frage gestellt. Der Senat sieht deshalb von weiteren Ausführungen hierzu ab.

11 3. Auch wenn hiernach im Hinblick auf die Essenslieferungen an das Jugendsozialwerk die Anforderungen des § 66 AO nicht gegeben sind, so schließt dies nicht aus, dass die Klägerin mit ihrem Mahlzeitendienst einen Zweckbetrieb nach den allgemeinen Merkmalen des § 65 AO unterhalten haben könnte (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798 zu II.B.1.b; Senatsurteile in BFHE 228, 388, BStBl II 2010, 1006; in BFHE 228, 53, BStBl II 2011, 398 zu II.4.). Gleiches gilt mit Rücksicht darauf, dass das FA —aufgrund der im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegten Aufzeichnungen— den Teilbereich „Essen auf Rädern” als ein in besonderem Maße den in § 53 genannten Personen dienender Mahlzeitendienst und damit als Zweckbetrieb i.S. von § 68 Nr. 1 AO angesehen hat (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 68 AO Rz 1). Auch dieser Vorschrift, die als spezialgesetzliche Regelung § 65 AO vorgeht (Senatsurteil vom I R 25/02, BFHE 202, 391, BStBl II 2004, 660; BTDrucks 11/4176, S. 12), ist kein abschließender Regelungscharakter des Inhalts beizumessen, dass für die Qualifikation der Mahlzeitendienste —also auch für solche, die die Voraussetzungen nach § 68 Nr. 1 AO nicht erfüllen (im Streitfall die Lieferungen an das Jugendsozialwerk)— ein Rückgriff auf den Tatbestand des Zweckbetriebs i.S. von § 65 AO gesperrt wäre (Klein/ Gersch, AO, 11. Aufl., § 68 Rz 1). Hiervon ist erkennbar auch die Vorinstanz ausgegangen. Ihre tatsächlichen Feststellungen gestatten jedoch keine Entscheidung darüber, ob der von der Klägerin unterhaltene Mahlzeitendienst —auch soweit er vom FA nicht als steuerbefreit angesehen worden ist— den kumulativ (s. dazu , BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659) zu erfüllenden Anforderungen des § 65 Nrn. 1 bis 3 AO genügt hat. Danach ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn (Nr. 1) der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, (Nr. 2) die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und (Nr. 3) der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

12 a) Nach dem vorinstanzlichen Urteil entsprach der Einsatz der Maßnahmeteilnehmer (Langzeitarbeitslose) im Mahlzeitendienst dem gemeinnützigen Satzungszweck der Klägerin, Personen mit Einschränkungen oder geringen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu betreuen, zu qualifizieren und zu beschäftigen und wieder an Arbeit zu gewöhnen (§ 2 GV). Da der Senat an diese Feststellung gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass der Mahlzeitendienst damit zugleich auch in seiner Gesamtausrichtung, d.h. mit den ihn begründenden Tätigkeiten, dem steuerbegünstigten Zweck i.S. von § 65 Nr. 1 AO diente. Da hierüber zwischen den Beteiligten Einvernehmen besteht, verweist der Senat insoweit auf sein Urteil in BFHE 177, 339, BStBl II 1995, 767.

13 b) Ferner konnte der satzungsmäßige Zweck der Klägerin nur durch einen solchen am Markt tätigen Geschäftsbetrieb erreicht werden (§ 65 Nr. 2 AO), weil nach den gleichfalls bindenden Feststellungen der Vorinstanz das Ziel, die betreuten Personen wieder an die Arbeit zu gewöhnen (§ 2 GV), nur durch deren Einsatz in einem Arbeitsprozess wie dem des Mahlzeitendienstes erreichbar war.

14 c) Nicht zu folgen vermag der Senat jedoch der Ansicht der Vorinstanz, nach der im Streitfall bereits deshalb von einem unvermeidbaren Wettbewerb i.S. von § 65 Nr. 3 AO auszugehen sei, weil die Leistungen der Klägerin im Rahmen ihres Mahlzeitendienstes ein notwendiges Mittel zur Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen (schwer vermittelbaren Personen, darunter auch ehemaligen Alkoholikern) für den Arbeitsprozess gewesen seien und mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin —im Gegensatz zu ihren Wettbewerbern— in dem Mahlzeitenbetrieb nahezu ausschließlich diesen Personenkreis beschäftigt habe, auch kein „Gebot der Marktzurückhaltung” beachtet werden müsse.

15 aa) Abgesehen davon, dass nicht nachvollziehbar ist, worauf sich die Aussagen des FG zu den Beschäftigten der Wettbewerber der Klägerin stützen, und nach den eigenen Feststellungen der Vorinstanz in der Küche nicht ausschließlich (fünf bis acht) Maßnahmeteilnehmer, sondern auch zwei Fachkräfte (Küchenmeister und Koch) tätig waren, verkennen die vorstehenden Ausführungen den Zweck des § 65 Nr. 3 AO, der darin besteht, sowohl einen tatsächlich vorhandenen Wettbewerb z.B. vor Marktverdrängung als auch einen möglicherweise erst entstehenden (potentiellen) Wettbewerb vor der Errichtung von (steuerlichen) Marktzutrittsschranken zu schützen (Senatsurteil vom I R 60/91, BFHE 174, 97, BStBl II 1994, 573; Senatsbeschluss vom I B 203/09, BFH/NV 2011, 1, jeweils m.w.N.). Hintergrund beider Zielsetzungen ist in verfassungsrechtlicher Sicht die durch Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verbürgte Wettbewerbsneutralität des Staates; danach ist ein von Steuerbefreiungen ausgehender Eingriff in den Wettbewerb nur dann gerechtfertigt, wenn hierfür ein hinreichender sachlicher Grund vorliegt.

16 (1) Folge hiervon ist zum einen, dass auch dann, wenn eine Körperschaft den Voraussetzungen des § 65 Nrn. 1 und 2 AO genügt, im Rahmen der Prüfung des § 65 Nr. 3 AO, ob die Steuerbegünstigung des Geschäftsbetriebs das Maß des unvermeidbaren Wettbewerbseingriffs wahrt, eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem intakten (d.h. steuerlich nicht beeinflussten) Wettbewerb einerseits und an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten andererseits erforderlich ist. Sind die von der Körperschaft verfolgten steuerbegünstigten Zwecke auch ohne steuerlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu erreichen, so ist aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar. Der Wettbewerbsgedanke tritt dagegen zurück, wenn die gemeinnützige Körperschaft ihre Dienstleistungen oder Waren einem Personenkreis anbietet, der das Waren- oder Dienstleistungsangebot der steuerpflichtigen Unternehmen überwiegend nicht in Anspruch nimmt. Gleiches gilt, wenn die Leistungen notwendiges Mittel zur Erreichung eines ideellen Zwecks sind, den Wettbewerber ihrerseits nicht verfolgen (vgl. zu allem Senatsurteil in BFHE 228, 388, BStBl II 2010, 1006, mit umfangreichen Nachweisen).

17 (2) Folge der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung ist jedoch nicht nur, dass der in Frage stehende Geschäftsbetrieb dem Grunde nach ein notwendiges Mittel sein muss, den ideellen Zweck der Körperschaft zu erreichen. Vielmehr muss sich der Geschäftsbetrieb auch in seinem Umfang, d.h. in quantitativer Hinsicht auf eine Marktteilnahme beschränken, die zur Erreichung ihrer satzungsmäßigen (steuerbegünstigten) Ziele erforderlich ist. Hierfür spricht nicht nur der insoweit eindeutige Wortlaut des § 65 Nr. 3 AO, der fordert, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben…nicht in größerem „Umfang” in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke „unvermeidbar” ist. Hinzu kommt, dass der BFH —was das FG gleichfalls außer Acht gelassen hat— schon bisher von diesem Gesetzesverständnis ausgegangen ist. So hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 177, 339, BStBl II 1995, 767 zu den Lohnaufträgen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft ausgeführt, dass hierdurch dann ein Zweckbetrieb begründet werde, wenn die gegenüber den Auftraggebern erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks seien. Der Senat hat hierbei u.a. an das Urteil des Reichsfinanzhofs vom VI a 43/38 (RFHE 45, 80, RStBl 1939, 92), den (BStBl I 1993, 214) sowie die Kommentarliteratur verwiesen (u.a. Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, 189) und damit zugleich deutlich gemacht, dass ein unvermeidbarer Wettbewerb i.S. von § 65 Nr. 3 AO nur dann zu bejahen ist, wenn die Marktteilnahme (z.B. Herstellung und Veräußerung von Waren) nicht den für die berufliche Qualifizierungsmaßnahme notwendigen Umfang überschreitet (ebenso Senatsurteil in BFHE 202, 391, BStBl II 2004, 660). Schließlich hat der Senat diese Sicht in seinem Beschluss in BFH/NV 2011, 1 zur Ausbildungseinrichtung (Gastronomiebetrieb) einer gemeinnützigen Körperschaft ausdrücklich bestätigt.

18 bb) Demnach kann auch im Streitfall nichts anderes gelten. Der Senat hält auch insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, als im Rahmen der erforderlichen Abwägung der in Frage stehende Sachverhalt einzelfallbezogen zu würdigen ist. Dass hierdurch die Praktikabilität des Gesetzesvollzugs Einschränkungen erfährt, muss bereits deshalb hingenommen werden, weil nach ständiger Rechtsprechung des BFH Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie für sich genommen ein nach dem Gesetzeszweck der in Frage stehenden Vorschrift gebotenes —und vorliegend zudem auch verfassungsrechtlich fundiertes— differenzierendes Normverständnis nicht zu hindern vermögen (z.B. , BFHE 211, 518, BStBl II 2008, 62; vom VIII R 47/05, BFHE 216, 103, BStBl II 2008, 69).

19 cc) Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang zunächst zu überprüfen haben, ob —was dem Senat naheliegend erscheint— in den Streitjahren zwischen der Klägerin und anderen Anbietern (Essenslieferanten) ein tatsächlicher oder zumindest ein potentieller Wettbewerb bestanden hat. Sollte dies zu bejahen sein, so wird die Vorinstanz ferner Feststellungen dazu zu treffen haben, ob der Umfang des Mahlzeitendienstes der Klägerin (einschließlich der bisher vom FA als steuerbefreit anerkannten Teilbereiche) den für die Erreichung ihres gemeinnützigen Zwecks erforderlichen Umfang überschritten hatte. Maßgeblich hierfür ist demnach das Verhältnis zwischen der Anzahl der im Essensdienst der Klägerin beschäftigten Maßnahmeteilnehmer (nach Feststellung des FG fünf bis acht Personen) sowie der Art ihrer Tätigkeit einerseits und die für ihre Wiedereingliederung in den normalen Arbeitsprozess erforderliche (notwendige) Marktteilnahme des Mahlzeitendienstes andererseits. Hierbei wird das FG auch die Anzahl der in der Küche täglich zubereiteten Essen und die hieraus von der Klägerin tatsächlich erzielten Umsätze und Gewinne zu gewichten haben. Zudem wird das FG den Umstand zu würdigen haben, dass nach dem Vortrag des FA in der Revisionsinstanz die Klägerin ihre zunächst ausgelastete Küche aufgrund des Auftrags des Jugendsozialwerks umgebaut hat und hierdurch —so das FA weiter— der Gesamtumsatz über das erforderliche Maß hinaus (Lieferung von 100 bis 150 Essen täglich) erheblich gesteigert worden sei.

20 4. Die Sache ist somit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Dieser wird auch die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 89 Nr. 1
ZAAAE-22182