BFH Beschluss v. - II B 68/11

Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (hier: zur Ausführung einer Grundstücksschenkung); Verletzung des rechtlichen Gehörs

Gesetze: ErbStG § 30, AO § 163, AO § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, FGO § 76 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht hinreichend dargelegt, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) zuzulassen sei.

3 a) Die ordnungsgemäße Darlegung dieser Gründe für die Zulassung der Revision verlangt von —vorliegend nicht gegebener— Offenkundigkeit abgesehen substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (, BFH/NV 2011, 262). Es sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (, BFH/NV 2011, 981).

4 b) Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

5 aa) Der Kläger hat vorgetragen, der BFH habe sich im Urteil vom II R 26/02 (BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312) nicht damit befassen müssen, ob die Änderung der Rechtsprechung zur Ausführung einer Grundstücksschenkung uneingeschränkt rückwirkend anzuwenden sei, obwohl das Finanzamt auf Grund einer Anzeige gemäß § 30 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes Kenntnis erlangt, die Zuwendung im Einklang mit der damals herrschenden Gesetzesauslegung als ausgeführt angesehen und den Vorgang bearbeitet habe. Nicht entschieden sei auch, ob es einen Unterschied mache, ob der Steuerpflichtige vom Ergebnis dieser Prüfung unterrichtet worden sei oder nicht. Soweit daraus vom Kläger als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfragen entnommen werden können, hat er nicht dargelegt, ob und inwieweit deren Beantwortung umstritten ist. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (vgl. , BFH/NV 2008, 732, m.w.N.).

6 bb) Entsprechendes gilt, soweit der Kläger die Rechtsfrage aufgeworfen hat, ob eine nur interne finanzamtliche Entscheidung oder eine Nichtveranlagungsmitteilung zumindest dann einem den Vertrauensschutz des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) auslösenden Steuerbescheid gleichstehe, wenn —ausgehend von der im Zeitpunkt der Anzeige bestehenden Rechtsprechung und Verwaltungspraxis— eine behördliche Entscheidung, hier die Nichtfestsetzung von Schenkungsteuer wegen Nichtüberschreitens der Freibeträge, ergangen sei. Der Kläger hat sich zudem nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass bei Erlass eines Erstbescheids Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht besteht (zum Grundgedanken der Vorschrift vgl. , BFHE 154, 375, BStBl II 1989, 50; vom III R 60/89, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5, unter 3.c).

7 cc) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob § 176 AO jedenfalls dann entsprechend anzuwenden oder das Vertrauen des Bürgers in die Beständigkeit des Rechts geschützt sei, wenn bei Anwendung der früheren Verwaltungspraxis und Rechtsprechung im Zeitpunkt der erneuten Bearbeitung des Vorgangs Festsetzungsverjährung eingetreten sei, ist ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Der Kläger hat nicht näher erläutert, aus welchen Gründen gerade der Eintritt der Festsetzungsverjährung eine entsprechende Anwendung des § 176 AO rechtfertigen sollte.

8 2. Ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ist nicht dadurch verletzt worden, dass es das Finanzgericht unterlassen hat, den durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger vor Ergehen des angefochtenen Urteils auf ein Billigkeitsverfahren hinzuweisen.

9 a) Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Die Hinweispflichten entfallen zwar auch bei fachkundig vertretenen Beteiligten nicht von vornherein (, BFH/NV 2005, 1817). Jedoch stellt das Unterlassen eines Hinweises regelmäßig bei steuerlich beratenen und durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten keine Verletzung der Pflichten aus § 76 Abs. 2 FGO dar, es sei denn, es würden besondere Umstände, die eine Ausnahme von dieser Regel erforderten, dargelegt (, BFH/NV 2004, 645).

10 b) Im Streitfall sind derartige Umstände nicht erkennbar. Es kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit einer niedrigeren Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO bekannt ist. Zudem kann eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO auch noch nach Erlass des Steuerbescheids herbeigeführt werden. Der Verwaltungsakt über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist ein Grundlagenbescheid für den Festsetzungsbescheid (, BFH/NV 1998, 201, m.w.N.). Folgt die Billigkeitsmaßnahme der Steuerfestsetzung nach, so muss der Steuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 951 Nr. 6
ZAAAE-08085