BMF - IV A 3 - S 0160/11/10001 BStBl 2012 I S. 149

Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO bei der Einkommensteuer; Erstattungsberechtigung und Reihenfolge der Anrechnung in Nachzahlungsfällen

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder richtet sich die Ermittlung von Einkommensteuer-Erstattungsansprüchen nach § 37 Abs. 2 AO bzw. die Erstattungsberechtigung – einschließlich der Reihenfolge der Anrechnung – nach folgenden Grundsätzen:

1. Allgemeines

1.1 Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

§ 37 Abs. 2 AO enthält eine allgemeine Umschreibung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, der einem Steuerpflichtigen dadurch erwächst, dass eine Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis ohne rechtlichen Grund erfolgt ist oder der Grund hierfür später wegfällt (vgl. dazu AEAO zu § 37, Nr. 2).

1.2 Einkommensteuer-Erstattungsanspruch

Im Bereich der Einkommensteuer können sich Erstattungsansprüche nach § 37 Abs. 2 AO insbesondere ergeben

  • infolge der Anrechnung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG),

  • infolge der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen (z. B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) sowie

  • im Falle der Aufhebung der Einkommensteuerfestsetzung oder der Durchführung von Änderungs- bzw. Berichtigungsveranlagungen, wenn die ursprünglich festgesetzte Steuer bereits entrichtet war.

2. Erstattungsberechtigung bei zusammen veranlagten Ehegatten

2.1 Wirkung einer Erstattung nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG

§ 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, wonach die Auszahlung des Erstattungsbetrags (Überschuss im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG) aus der Einkommensteuer-Zusammenveranlagung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt, lässt die materielle Rechtslage hinsichtlich der Erstattungsberechtigung zusammen veranlagter Ehegatten unberührt. In Bezug auf den Erstattungsanspruch sind zusammen veranlagte Ehegatten weder Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB noch Mitgläubiger i. S. d. § 432 BGB ( BFH/NV 2010 S. 1078). Die Regelung, der die Annahme zugrunde liegt, dass bei einer intakten Ehe die Erstattung an einen Ehegatten vom anderen Ehegatten gebilligt wird, will dem Finanzamt für Fälle, in denen diese Annahme zutrifft, Nachforschungen zur Erstattungsberechtigung der Ehegatten ersparen (BStBl 1990 II S. 719). Sie findet ihre Rechtfertigung darin, dass sich Ehegatten, die die Zusammenveranlagung beantragen, durch ihre beiderseitigen Unterschriften auf der Steuererklärung gegenseitig bevollmächtigen können, nicht nur den Steuerbescheid, sondern auch einen etwaigen Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen. Die Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG enthält demnach eine widerlegbare gesetzliche Vermutung hinsichtlich einer Einziehungsvollmacht.

2.2 Ausnahmen von § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG

2.2.1 Bei zusammen veranlagten Ehegatten kann es trotz der Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, wonach die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt, erforderlich werden, Entscheidungen zur Erstattungsberechtigung der beiden Ehegatten zu treffen und ggf. die Höhe des auf jeden entfallenden Erstattungsbetrags zu ermitteln. Soweit das Finanzamt nach Aktenlage erkennt oder erkennen musste, dass ein Ehegatte aus beachtlichen Gründen nicht mit der Auszahlung des gesamten Erstattungsbetrags an den anderen Ehegatten einverstanden ist, darf es nicht mehr an den anderen Ehegatten auszahlen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn die Ehegatten inzwischen geschieden sind oder getrennt leben oder wenn dem Finanzamt aus sonstigen Umständen bekannt ist, dass ein Ehegatte die Erstattung an den anderen nicht billigt (BStBl 1990 II S. 719, und BStBl 1991 II S. 442).

2.2.2 § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ist aber auch dann nicht anzuwenden,

  • wenn das Finanzamt mit Abgabenrückständen eines der beiden Ehegatten aufrechnen will oder

  • wenn der Erstattungsanspruch nur eines der beiden Ehegatten abgetreten, gepfändet oder verpfändet worden ist.

In solchen Fällen muss die materielle Anspruchsberechtigung nach § 37 Abs. 2 AO selbst dann geprüft werden, wenn die Ehegatten übereinstimmend davon ausgehen, dass der steuerliche Erstattungsanspruch ihnen gemeinsam zusteht ( BFH/NV 1992 S. 145). Zahlt das Finanzamt bei der Zusammenveranlagung aufgrund des gegenüber einem Ehegatten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch den auf den anderen Ehegatten entfallenden Erstattungsbetrag an den Pfändungsgläubiger aus, kann es von diesem jedoch die Rückzahlung dieses ohne Rechtsgrund gezahlten Betrages verlangen (BStBl 1996 II S. 436).

2.3 Ermittlung des Erstattungsberechtigten

Der Erstattungsanspruch steht demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (vgl. BStBl 2009 II S. 38 m. w. N.). Unerheblich ist dagegen, welcher der Ehegatten den Steuerermäßigungstatbestand verwirklicht hat, der im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu der Steuererstattung geführt hat. Dies gilt auch in Fällen des Verlustabzugs nach § 10d EStG (BStBl 1982 II S. 162, und BStBl 1991 II S. 47). Unerheblich ist auch, auf wessen Einkünften die festgesetzten Steuern (Vorauszahlungen und Jahressteuer) beruhen.

2.4 Tilgungsbestimmung

Liegen keine Anhaltspunkte oder ausdrücklichen Absichtsbekundungen für eine Tilgungsbestimmung vor, kann das Finanzamt als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG), aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft allerdings davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (vgl. BStBl 2006 II S. 453, m. w. N.); das gilt grundsätzlich auch dann, wenn über das Vermögen des anderen Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (BStBl 2009 II S. 38). Ob die Ehegatten sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die getrennte Veranlagung beantragt, ist für die Beurteilung der Tilgungsabsicht nicht maßgeblich, denn es kommt nur darauf an, wie sich die Umstände dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Zahlung darstellten (vgl. BStBl 2007 II S. 742).

2.5 Bedeutung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen

Einkommensteuer-Vorauszahlungen sind nach § 37 Abs. 1 EStG – unabhängig davon, wer sie zahlt oder von wessen Konto sie abgebucht werden – auf die für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich geschuldete Einkommensteuer zu entrichten. Bei Vorauszahlungen ohne Tilgungsbestimmung ist davon auszugehen, dass sich der Ehegatte, der auf einen an ihn und seinen Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheid leistet, nicht nur bewusst ist, dass seine Zahlungen in Höhe der später festgesetzten Einkommensteuer endgültig beim Fiskus verbleiben sollen, sondern dass er die – wenn auch unmittelbar zur Erfüllung der Gesamtschuld aus dem Vorauszahlungsbescheid entrichteten – Zahlungen auch leistet, um damit die zu erwartende Einkommensteuer beider Ehegatten zu tilgen. Ist die im Zeitpunkt der Vorauszahlungen nach Kenntnisstand des Finanzamts noch bestehende Wirtschaftsgemeinschaft hinreichender Anknüpfungspunkt dafür, die Vorauszahlungen als für Rechnung beider Ehegatten geleistet zu unterstellen, dann ist daraus auch der in diesem Zeitpunkt übereinstimmende Wille abzuleiten, dass diese Vorauszahlungen später dafür verwendet werden sollen, die auf beide Ehegatten später entfallenden Steuerschulden auszugleichen (vgl. BStBl 2011 II S. 607).

3. Aufteilung eines Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs bei Ehegatten

Übersteigen die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, die geleisteten Vorauszahlungen und die sonstigen Zahlungen der Ehegatten die Summe der gegen die beiden Ehegatten insgesamt (im Wege der Zusammenveranlagung oder im Wege der getrennten Veranlagung) festgesetzten Steuern, ist wie folgt zu verfahren:

Zunächst sind für jeden Ehegatten die bei ihm anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie seine mit individueller Tilgungsbestimmung geleisteten Vorauszahlungen und sonstigen Zahlungen zu ermitteln. Daneben sind alle übrigen Zahlungen zu ermitteln, die beiden Ehegatten gemeinsam zuzurechnen sind. Die auf diese Weise ermittelten Zahlungen sind dem jeweiligen Ehegatten gemäß den Nrn. 3.1 bis 3.4 an Hand der materiellen Erstattungsberechtigung zuzuordnen.

Bei der weiteren Bearbeitung ist zwischen der Zusammenveranlagung (Nr. 3.5) und der getrennten Veranlagung (Nr. 3.6) zu unterscheiden.

3.1 Steuerabzugsbeträge

Hinsichtlich einbehaltener Steuerabzugsbeträge (insbesondere Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) ist derjenige Ehegatte erstattungsberechtigt, von dessen Einnahmen (z. B. Arbeitslohn oder Kapitaleinnahme) die Abzugssteuer einbehalten wurde (vgl. BStBl 1983 II S. 162); denn diese Steuer ist für seine Rechnung an das Finanzamt abgeführt worden (BStBl 1990 II S. 719). Wurden für beide Ehegatten Steuerabzugsbeträge einbehalten und wurden keine Vorauszahlungen geleistet, ist die Aufteilung des Erstattungsanspruchs im Verhältnis des jeweiligen Steuerabzugs des Ehegatten zum Gesamtabzug durchzuführen (vgl. BStBl 1990 II S. 520).

3.2 Vorauszahlungen mit Tilgungsbestimmung

Hat der zahlende Ehegatte im Zeitpunkt einer Vorauszahlung kenntlich gemacht, dass er nur seine eigene Steuerschuld tilgen will, ist er im Falle der Erstattung dieses Betrags allein erstattungsberechtigt.

Die Angabe einer Tilgungsbestimmung muss dabei nicht „ausdrücklich” erfolgen, sondern kann sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben (als Indiz z. B. Angabe des eigenen Namens im Feld „Verwendungszweck” einer Überweisung; vgl. BStBl 1990 II S. 41). Eine spätere „Interpretation” (d. h. eine nachträglich geltend gemachte Tilgungsbestimmung) durch den zahlenden Ehegatten kann keine Berücksichtigung finden.

Erfolgt eine Vorauszahlung aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids durch einen Ehegatten ab dem Zeitpunkt, zu dem das dauernde Getrenntleben der Ehegatten dem Finanzamt bekannt geworden ist, ist davon auszugehen, dass der Zahlende nur auf eigene Rechnung leisten will. Im Falle einer Erstattung einer solchen Zahlung ist er allein erstattungsberechtigt ( a. a. O.).

3.3 Vorauszahlungen ohne Tilgungsbestimmung

Vorauszahlungen aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids ohne individuelle Tilgungsbestimmung sind unabhängig davon, ob die Ehegatten später zusammen oder getrennt veranlagt werden, zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen (BStBl 2011 II S. 607). Daher ist nur ein nach der Anrechnung der „gemeinsamen” Vorauszahlungen verbleibender Überschuss nach Köpfen an die Ehegatten auszukehren.

Vorauszahlungen ohne individuelle Tilgungsbestimmung aufgrund eines nur an einen Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids sind nur diesem Ehegatten zuzurechnen (zur Wirkung siehe Nr. 3.2).

3.4 Sonstige Zahlungen

Für sonstige Zahlungen (z. B. Abschlusszahlungen) gelten Nrn. 3.2 und 3.3 entsprechend.

3.5 Reihenfolge der Anrechnung bei Zusammenveranlagung

Übersteigt die Summe der im Rahmen einer Zusammenveranlagung anzurechnenden Steuerabzugsbeträge (Nr. 3.1), geleisteten Vorauszahlungen (Nrn. 3.2 und 3.3) und sonstigen Zahlungen (Nr. 3.4) der Ehegatten die festgesetzte Steuer und ist die Aufteilung des Erstattungsbetrages erforderlich (vgl. Nr. 2.2), ist wie folgt zu verfahren:

Zunächst sind für jeden Ehegatten die bei ihm anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie seine mit individueller Tilgungsbestimmung geleisteten Vorauszahlungen und sonstigen Zahlungen zu ermitteln. Daneben sind alle übrigen Zahlungen zu ermitteln, die beiden Ehegatten gemeinsam zuzurechnen sind.

Anschließend sind in Abhängigkeit von der Fallgestaltung folgende Ermittlungen und Berechnungen anzustellen:

  1. Wurden ausschließlich Steuerabzugsbeträge einbehalten und Zahlungen geleistet, die individuell zuzurechnen sind, ist die Aufteilung des Erstattungsanspruchs im Verhältnis der Summe der jeweiligen Steuerabzugsbeträge und Zahlungen jedes Ehegatten zur Summe der Steuerabzugsbeträge und Zahlungen beider Ehegatten durchzuführen.

  2. Wurden ausschließlich Vorauszahlungen aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids ohne Tilgungsbestimmungen geleistet, ist die Aufteilung des Erstattungsanspruchs nach Köpfen durchzuführen.

  3. Wurden für die Ehegatten sowohl Steuerabzugsbeträge einbehalten und/oder Zahlungen geleistet, die individuell zuzurechnen sind, als auch Vorauszahlungen aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids ohne Tilgungsbestimmungen geleistet, ist

    • zunächst für jeden Ehegatten die Summe der bei ihm anzurechnenden Zahlungen zu ermitteln (Steuerabzugsbeträge nach Nr. 3.1, direkt zuzuordnende Zahlungen nach Nrn. 3.2 und 3.4 und nach Köpfen ermittelter Anteil an Zahlungen im Sinne der Nrn. 3.3 und 3.4) und anschließend

    • der Erstattungsanspruch der Ehegatten im Verhältnis der Summe der bei dem einzelnen Ehegatten zuzurechnenden Zahlungen zur Summe aller Zahlungen aufzuteilen.

Beispiel zu Fallgruppe c)

Gegen die Ehegatten M und F hatte das Finanzamt gemeinsam Einkommensteuer-Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 14.000 € festgesetzt. Hierauf wurden 8.000 € ohne Tilgungsbestimmung entrichtet. In Höhe von 5.000 € hat M Vorauszahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung geleistet. F hat in Höhe von 1.000 € Vorauszahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung geleistet.

Vom Arbeitslohn des M wurden 10.000 € Lohnsteuer einbehalten. Vom Arbeitslohn der F wurden 5.000 € Lohnsteuer einbehalten.

Im Rahmen einer Zusammenveranlagung wurde gegen die Ehegatten Einkommensteuer in Höhe von 20.000 € festgesetzt. Aufgrund der anzurechnenden Lohnsteuerbeträge (10.000 € + 5.000 € = 15.000 €) und der geleisteten Vorauszahlungen (8.000 € + 5.000 € + 1.000 € = 14.000 €) ergibt sich ein Erstattungsanspruch von insgesamt 9.000 €.

Lösung:

Die individuellen Erstattungsansprüche der Ehegatten M und F sind wie folgt zu ermitteln:

(1)

individuelle Ermittlung der bei den Ehegatten nach Nr. 3.1 jeweils anzurechnenden Steuerabzugsbeträge:

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M:
10.000 €
F:
5.000 €
(2)

individuelle Ermittlung der bei den Ehegatten nach Nr. 3.2 jeweils anzurechnenden Zahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung:

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M:
5.000 €
F:
1.000 €
(3)

hälftige Aufteilung der „gemeinsamen” Zahlungen i. S. d. Nr. 3.3 und Zurechnung des jeweiligen Anteils wie eine Zahlung i. S. d. Nr. 3.2:

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M:
? von 8.000 € =
4.000 €
F:
? von 8.000 € =
4.000 €
(4)

für jeden Ehegatten sind die nach (1) bis (3) ermittelten Anrechnungsbeträge jeweils zu addieren:

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M:
10.000 €
F:
5.000 €
 
+ 5.000 €
 
+ 1.000 €
 
+ 4.000 €
 
+ 4.000 €
Summe:
19.000 €
Summe:
10.000 €
(5)

Die Aufteilung des Erstattungsanspruchs (9.000 €) auf die Ehegatten erfolgt im Verhältnis der Summe der dem einzelnen Ehegatten zuzurechnenden Zahlungen zur Summe aller Zahlungen:

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→ M:
9.000 € × (19.000/29.000) =
5.896,55 €
→ F:
9.000 € × (10.000/29.000) =
3.103,45 €

3.6 Reihenfolge der Anrechnung bei getrennter Veranlagung

3.6.1 Erstattungsüberhang

Übersteigen die im Rahmen getrennter Veranlagungen anzurechnenden Steuerabzugsbeträge (Nr. 3.1), geleisteten Vorauszahlungen (Nrn. 3.2 und 3.3) und sonstigen Zahlungen (Nr. 3.4) der Ehegatten die Summe der gegen beide Ehegatten festgesetzten Steuern, ist wie folgt zu verfahren:

  1. Wurden ausschließlich Steuerabzugsbeträge einbehalten und Zahlungen geleistet, die individuell zuzurechnen sind, sind bei jedem Ehegatten die jeweiligen Steuerabzugsbeträge und Zahlungen anzurechnen.

  2. Wurden ausschließlich Vorauszahlungen aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids ohne Tilgungsbestimmung geleistet und übersteigt deren Summe die Summe der in den getrennten Veranlagungen festgesetzten Einkommensteuerbeträge, ist der die Summe der in getrennten Veranlagungen festgesetzten Einkommensteuerbeträge übersteigende Erstattungsbetrag nach Köpfen aufzuteilen.

  3. Wurden für die Ehegatten sowohl Steuerabzugsbeträge einbehalten und/oder Zahlungen geleistet, die individuell zuzurechnen sind, als auch Vorauszahlungen aufgrund eines an beide Ehegatten gemeinsam gerichteten Vorauszahlungsbescheids ohne Tilgungsbestimmungen geleistet, ist wie folgt zu verfahren:

    • Zuerst sind von den gegen die Ehegatten getrennt festgesetzten Einkommensteuerbeträgen jeweils die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge (Nr. 3.1) abzuziehen (Zwischensumme I = Soll);

    • danach sind von diesen Sollbeträgen (Zwischensumme I) jeweils die (Voraus-)Zahlungen abzuziehen, die der einzelne Ehegatte mit individueller Tilgungsbestimmung geleistet hat (Nr. 3.2), und die für jeden Ehegatten danach individuell verbleibenden Beträge zu ermitteln (Zwischensumme II);

    • die (aufgrund eines gegen beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids) geleisteten „gemeinsamen” Vorauszahlungen ohne individuelle Tilgungsbestimmung (Nr. 3.3) werden nun zunächst auf die Steuern beider Ehegatten maximal bis zum vollständigen „Verbrauch” der jeweiligen (positiven) Zwischensumme II aufgeteilt, der danach verbleibende Restbetrag ist nach Köpfen auszukehren.

Beispiel:

Die Ehegatten M und F haben die gegen sie gemeinsam festgesetzten Vorauszahlungen (4 × 4.000 € = 16.000 €) ohne individuelle Tilgungsbestimmung entrichtet. Vom Arbeitslohn wurden jeweils folgende Lohnsteuerbeträge einbehalten:


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M:
5.000 €
F:
1.000 €

Es werden getrennte Veranlagungen durchgeführt:


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M:
festgesetzte Einkommensteuer =
15.000 €
F:
festgesetzte Einkommensteuer =
5.000 €
Summe der getrennt festgesetzten Steuerbeträge =
20.000 €
Summe der hierauf anzurechnenden Beträge =
./. 22.000 €
Erstattungsüberhang
./. 2.000 €

Lösung:

Der Betrag von 2.000 € ist nach Köpfen auszukehren.

Die Zurechnung erfolgt wie folgt:

(1)

Bei jedem Ehegatten sind von den festgesetzten Einkommensteuerbeträgen zunächst jeweils die anzurechnenden Lohnsteuerbeträge abzuziehen (= Sollbeträge):

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M:
15.000 €./. 5.000 € =
10.000 €
F:
5.000 €./. 1.000 € =
4.000 €
(2)

Im zweiten Schritt werden – mangels Zahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung i. S. d. Nr. 3.2 – die gemeinsamen Vorauszahlungen nun jeweils bis zur Höhe der Sollbeträge (hier identisch mit Zwischensumme II) bei M und F aufgeteilt, der danach verbleibende Restbetrag (2.000 €) ist jedem Ehegatten zur Hälfte zuzurechnen:

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„gemeinsame” Vorauszahlungen
 
16.000 €
→ M:
 
 
Sollbetrag:
10.000 €
 
„vorab” anzurechnen
./. 10.000 €
./. 10.000 €
vorläufiger Restbetrag
0 €
 
→ F:
 
 
Sollbetrag:
4.000 €
 
„vorab” anzurechnen
./. 4.000 €
./. 4.000 €
vorläufiger Restbetrag
0 €
 
nicht verbrauchte, gemeinsame Vorauszahlungen
 
2.000 €
(3)

Im dritten Schritt werden die nicht verbrauchten gemeinsamen Vorauszahlungen nach Köpfen zugerechnet:

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→ M:
? von 2.000 € =
1.000 €
→ F:
? von 2.000 € =
1.000 €
(4)

Die Abrechnungsverfügungen der Steuerbescheide sehen wie folgt aus:

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M:
 
 
 
15.000 €
festgesetzte Einkommensteuer
 
./. 5.000 €
anzurechnende Lohnsteuer
 
./. 11.000 €
anzurechnende Vorauszahlungen
 
= ./. 1.000 €
Erstattung
F:
 
 
 
5.000 €
festgesetzte Einkommensteuer
 
./. 1.000 €
anzurechnende Lohnsteuer
 
./. 5.000 €
anzurechnende Vorauszahlungen
 
= ./. 1.000 €
Erstattung
3.6.2 Nachzahlungsüberhang

Werden Ehegatten getrennt zur Einkommensteuer veranlagt und ist die Summe der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und (Voraus-)Zahlungen geringer als die Summe der festgesetzten Steuern, sind aufgrund eines gegen beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids geleistete Vorauszahlungen ohne individuelle Tilgungsbestimmung (Nr. 3.3) wie folgt aufzuteilen und zuzuordnen:

  • Zuerst sind von den gegen die Ehegatten getrennt festgesetzten Einkommensteuerbeträgen jeweils die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge (Nr. 3.1) abzuziehen (Zwischensumme I = Soll);

  • danach sind von diesen Sollbeträgen (Zwischensumme I) jeweils die (Voraus)Zahlungen abzuziehen, die der einzelne Ehegatte mit individueller Tilgungsbestimmung geleistet hat (Nr. 3.2), und die für jeden Ehegatten danach individuell verbleibenden Beträge zu ermitteln (Zwischensumme II);

  • die (aufgrund eines gegen beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids) geleisteten „gemeinsamen” Vorauszahlungen ohne individuelle Tilgungsbestimmung (Nr. 3.3) werden nun nach Köpfen – allerdings maximal bis zum vollständigen „Verbrauch” der jeweiligen (positiven) Zwischensumme II – aufgeteilt, ein danach verbleibender Restbetrag ist dem Ehegatten mit der höheren Zwischensumme II allein zuzurechnen.

Beispiel:

Die Ehegatten M und F haben die gegen sie gemeinsam festgesetzten Vorauszahlungen (4 × 2.500 € = 10.000 €) ohne individuelle Tilgungsbestimmung entrichtet.

Vom Arbeitslohn wurden jeweils folgende Lohnsteuerbeträge einbehalten:


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M:
5.000 €
F:
1.000 €

Es werden getrennte Veranlagungen durchgeführt:


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M:
festgesetzte Einkommensteuer =
15.000 €
F:
festgesetzte Einkommensteuer =
5.000 €
Summe der getrennt festgesetzten Steuerbeträge =
20.000 €
Summe der hierauf anzurechnenden Beträge =
./. 16.000 €
Nachzahlungsüberhang
4.000 €

Lösung:

(1)

Von den gegen die Ehegatten festgesetzten Einkommensteuerbeträgen sind zunächst jeweils die anzurechnenden Lohnsteuerbeträge abzuziehen (= Sollbeträge):

Tabelle in neuem Fenster öffnen
M:
15.000 €./. 5.000 € =
10.000 €
F:
5.000 €./. 1.000 € =
4.000 €
(2)

Im zweiten Schritt werden – mangels Zahlungen mit individueller Tilgungsbestimmung i. S. d. Nr. 3.2 – die gemeinsamen Vorauszahlungen nun nach Köpfen – allerdings maximal bis zur Höhe des jeweiligen Sollbetrags (hier identisch mit Zwischensumme II) – aufgeteilt, der danach verbleibende Restbetrag ist dem Ehegatten mit dem höheren Soll allein zuzurechnen:

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→ F:
? von 10.000 €, maximal aber 4.000 € =
4.000 €
 
 
 
→ M:
? von 10.000 €, maximal aber 10.000 € =
5.000 €
 
zuzüglich Restbetrag
1.000 €
 
Summe der bei M anzurechnenden Beträge:
6.000 €
(3)

Die Abrechnungsverfügungen der Steuerbescheide sehen wie folgt aus:

Tabelle in neuem Fenster öffnen
M:
 
 
 
15.000 €
festgesetzte Einkommensteuer
 
./. 5.000 €
anzurechnende Lohnsteuer
 
./. 6.000 €
anzurechnende Vorauszahlungen
 
= 4.000 €
Abschlusszahlung
 
 
 
F:
 
 
 
5.000 €
festgesetzte Einkommensteuer
 
./. 1.000 €
anzurechnende Lohnsteuer
 
./. 4.000 €
anzurechnende Vorauszahlungen
 
= 0 €
Abschlusszahlung

4. Widerrufsvorbehalt

Anrechnungsverfügungen gegenüber Ehegatten sind unter dem Vorbehalt des Widerrufs zu erteilen. Solange die Beistellung dieses Widerrufsvorbehalts noch nicht automationsgestützt erfolgt, ist ein Widerrufsvorbehalt in folgenden Fällen personell anzuordnen:

  • der Erstattungsanspruch (mindestens) eines Ehegatten wurde abgetreten, verpfändet oder gepfändet,

  • das Finanzamt rechnet mit Abgabenrückständen (mindestens) eines Ehegatten auf oder nimmt eine Verrechnung vor,

  • es ist bekannt oder zu erwarten, dass die Ehegatten über die Anrechnung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen unterschiedlicher Auffassung sind, oder

  • das Finanzamt sieht anderweitige Risiken für Steuerausfälle aufgrund von Streitigkeiten über die Zurechnung oder Anrechnung von Steuerzahlungen.

BMF v. - IV A 3 - S 0160/11/10001


Fundstelle(n):
BStBl 2012 I Seite 149
AO-StB 2012 S. 67 Nr. 3
BB 2012 S. 350 Nr. 6
DB 2012 S. 314 Nr. 6
DStR 2012 S. 358 Nr. 7
KSR direkt 2012 S. 9 Nr. 3
StB 2012 S. 106 Nr. 4
StBW 2012 S. 157 Nr. 4
WPg 2012 S. 405 Nr. 7
VAAAE-01835