BGH Beschluss v. - II ZR 6/11

Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren für eine Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren gegen eine - insolvente - GmbH auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens: Antragsablehnung mangels Erfolgsaussicht des Rechtsmittelangriffs hinsichtlich der materiellen Rechtslage; Verfahrensfehler des Berufungsgerichts bei vorzeitiger Urteilsverkündung; Behandlung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs eines ausgeschiedenen Gesellschafters im Insolvenzverfahren

Leitsatz

1. Prozesskostenhilfe ist dem Rechtsmittelführer nicht zu bewilligen, wenn die angefochtene Entscheidung formell keinen Bestand haben kann, das materielle Ergebnis sich nach einer Zurückverweisung jedoch voraussichtlich nicht ändern wird.

2. Die Verkündung eines Urteils ist unzulässig, wenn eine Unterbrechung des Verfahrens zwar nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung, aber vor dem Ende einer Schriftsatzfrist, die einer Partei bewilligt war, eingetreten ist.

3. Der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters ist im Insolvenzverfahren allenfalls dann als nachrangig zu behandeln, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag ausgeschieden ist.

Gesetze: § 114 ZPO, § 249 Abs 3 ZPO, § 30 Abs 1 S 3 GmbHG, § 39 Abs 1 Nr 5 InsO, § 135 Abs 1 Nr 2 InsO

Instanzenzug: Az: 7 U 4960/07vorgehend LG München I Az: 9 HKO 23317/06

Gründe

1Der Antrag ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

I.

2Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die E.                AG (im Folgenden: Klägerin), war Gesellschafterin der Schuldnerin, einer GmbH, und gewährte dieser am 13./ ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 1,5 Mio. DM. Gleichzeitig erklärte sie sich bereit, der Schuldnerin bei erkennbarer Notwendigkeit weitere 1,5 Mio. DM zur Verfügung zu stellen. Am 22./ veräußerte die Klägerin ihre Geschäftsanteile an der Schuldnerin an ihre Mitgesellschafter, wobei sie sich verpflichtete, der Schuldnerin die weiteren Darlehensmittel in Höhe von 766.937,82 € innerhalb von zwei Bankarbeitstagen zu zahlen. Die Klägerin und die Erwerber erklärten bezüglich der Darlehensmittel einen bis befristeten Rangrücktritt. Das Darlehen sollte in Raten von 500.000 DM zum , in Höhe von 1.000.000 DM zum und in Höhe von 1.500.000 DM zum getilgt werden; die beiden ersten Raten sollten nur fällig werden, wenn die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft eine Tilgung zuließ. Spätestens zum sollte die Klägerin die Rückzahlung des gesamten ausstehenden Betrags verlangen können. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Schuldnerin Rückzahlung des Darlehens.

3Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Darlehen eigenkapitalersetzend sei. Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom darauf hingewiesen, dass die frühere Rechtsprechung zu den eigenkapitalersetzenden Darlehen auf Altfälle keine Anwendung mehr finde, hat den Parteien Gelegenheit gegeben, zu den „heute aufgeworfenen Rechtsfragen“ bis Stellung zu nehmen, und hat Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den bestimmt. Am wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Am hat das Berufungsgericht beschlossen, dass das Verfahren unterbrochen sei, den Verkündungstermin aber nach § 249 Abs. 3 ZPO aufrechterhalten. Mit seinem am verkündeten Urteil, in dem der Beklagte als Insolvenzverwalter der Schuldnerin als Partei bezeichnet ist, hat das Berufungsgericht (OLG München, ZIP 2011, 225) das Urteil des Landgerichts abgeändert und „die Beklagte“ zur Zahlung von 1.533.875,60 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und innerhalb der Begründungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt.

II.

4Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat im Endergebnis keine Aussicht auf Erfolg.

51. Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss die Rechtsverfolgung auch im materiellen Ergebnis Erfolgsaussichten haben. Prozesskostenhilfe ist dem Rechtsmittelführer nicht zu bewilligen, wenn die angefochtene Entscheidung formell keinen Bestand haben kann, das materielle Ergebnis sich nach einer Zurückverweisung jedoch voraussichtlich nicht ändern wird. Der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten weitgehend gleichen Zugang zu Gericht wie dem Bemittelten zu gewähren, gebietet lediglich, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. , AnwBl 2007, 94; Beschluss vom - IXa ZB 21/03, NJW-RR 2003, 1648; Beschluss vom - VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160). Das gilt auch für die Aufhebung eines Urteils, das trotz Unterbrechung des Verfahrens infolge Insolvenzeröffnung erlassen wurde.

62. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat zwar Aussicht auf Erfolg. Die Revision wäre zuzulassen, das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

7a) Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 bis 4 ZPO geltend gemacht wird und vorliegt (, BGHZ 172, 250 Rn. 8). Das während einer Unterbrechung des Verfahrens aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei erlassene Berufungsurteil ist zuungunsten einer Partei ergangen, die nicht nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten war; ein solcher Verfahrensfehler begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO (vgl. , ZIP 2009, 1027 Rn. 11 m.w.N.).

8Das am verkündete Berufungsurteil hätte wegen der nach der mündlichen Verhandlung vom eingetretenen Unterbrechung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am nicht ergehen dürfen. Nach § 249 Abs. 3 ZPO wird die Verkündung der aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu erlassenden Entscheidung durch die nach dem Schluss dieser mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung grundsätzlich nicht gehindert. Die Verkündung ist aber unzulässig, wenn die Unterbrechung zwar nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung, aber vor Ende einer Schriftsatzfrist, die einer Partei bewilligt war, eingetreten ist. Infolge der Insolvenzeröffnung ist eine Partei nicht mehr handlungsfähig, so dass eine Schriftsatzfrist infolge der Unterbrechung nicht mehr ablaufen kann (MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 249 Rn. 23; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 249 Rn. 8). Eine solche Schriftsatzfrist wurde den Parteien vom Berufungsgericht bewilligt. Ihnen wurde bis Gelegenheit gegeben, zu den im Termin aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Darauf, ob sich die Parteien nur zu Rechtsfragen äußern sollten oder ob Rechtsausführungen zu einem Schriftsatzrecht für den Gegner führen (so MünchKommZPO/Prütting, 3. Aufl., § 283 Rn. 9 m.w.N.; aA Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 283 Rn. 2a), kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an. Wenn eine Partei Gelegenheit erhält, zu einem bisher nicht beachteten rechtlichen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 ZPO), kann sie auf den Hinweis auch mit der Ergänzung von Tatsachenvortrag oder Beweisantritt reagieren (, NJW-RR 2011, 1009 Rn. 12; Urteil vom - XI ZR 17/03, BGHReport 2005, 671 m.w.N.).

9b) Nach Zulassung der Revision wäre das Berufungsurteil, um die Unterbrechungswirkung herzustellen, aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. , ZIP 2009, 1027 Rn. 14 m.w.N.).

103. Die Rechtsverfolgung hat im materiellen Endergebnis aber keine Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin stand eine Darlehensrückzahlungsforderung in Höhe von 1.533.875,60 € nebst Zinsen zu, die nach Insolvenzeröffnung auch zur Tabelle festzustellen ist, selbst wenn das Darlehen eigenkapitalersetzend war.

11a) Die Forderung der Klägerin auf Rückzahlung ihres Darlehens war durchsetzbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führte ein eigenkapitalersetzendes Darlehen zu einer Sperre für die Durchsetzbarkeit des Rückzahlungsanspruchs im Sinn einer Stundung (vgl. , ZIP 2005, 82, 84). Da die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom (MoMiG) (BGBl. I S. 2026) am aufgehoben wurden (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG), konnten die Gesellschafter und erst recht gesellschaftsfremde Dritte wie die Klägerin, die keine Gesellschafterin mehr war, die Rückzahlung ihrer eigenkapitalersetzenden Darlehen ab diesem Zeitpunkt durchsetzen.

12b) Der Klägerin stehen auch die Zinsen zu. Rückstände auf Zinsen können geltend gemacht werden, wenn die Bindung eines Darlehens als Eigenkapitalersatz entfällt (, ZIP 2005, 82, 84; Urteil vom - IX ZR 245/94, ZIP 1996, 538, 540). Da die Bindung mit Inkrafttreten des MoMiG entfiel, konnten auch die Zinsen aus der Vergangenheit geltend gemacht werden.

13c) Der Beklagte könnte nach Fortsetzung des Rechtsstreits auch nicht erfolgreich einwenden, dass die Forderung der Klägerin nach § 174 Abs. 3 Satz 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wegen eines Nachrangs nicht zur Tabelle festzustellen ist. Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit der Beklagte den Nachrang nach Aufnahme des Verfahrens geltend machen kann. Die Forderung ist nicht als nachrangig zu behandeln, da die Klägerin früher als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Schuldnerin ausgeschieden ist.

14Der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters ist im Insolvenzverfahren allenfalls dann als nachrangig zu behandeln, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag ausgeschieden ist. Die Nachrangigkeit beurteilt sich nach § 39 InsO in der Fassung des MoMiG, weil das Insolvenzverfahren nach dem eröffnet wurde (Art. 103d Satz 1 EGInsO; vgl. , ZIP 2011, 575 Rn. 8).

15In der Literatur besteht im Ergebnis Einigkeit, dass ein Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters nicht unabhängig vom Zeitpunkt des Ausscheidens als nachrangig anzusehen ist und insoweit § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO entsprechend anwendbar ist. Dabei kann dahinstehen, ob eine nach § 39 Abs.1 Nr. 5 InsO nachrangige Forderung beim Ausscheiden des Gläubigers aus der Gesellschaft den Nachrang behält. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist in diesem Fall entsprechend anzuwenden, entweder weil der Wechsel in der Gesellschafterstellung insoweit einer Befriedigung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gleichsteht (Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Rn. 5.27; Habersack/Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rn. 46; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 39 Rn. 46) oder weil ein zeitlich unbegrenzter Nachrang gegenüber einer Person, die die persönlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, nicht zu rechtfertigen ist (Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG, 6. Aufl., Rn. 241; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., Anh. § 64 Rn. 119; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Nachtrag MoMiG §§ 32a/b a.F. Rn. 21; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 30 Anh. Rn. 29; Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, Anh. zu § 30 Rn. 31;Hk-GmbHG/Kolmann, Anh. § 30 Rn. 78; i.E. auch Haas, ZInsO 2007, 617, 626; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3603). Da im Gegensatz zum früheren Recht dem Beginn und dem Ende der Krise keine begrenzende Funktion mehr zukommt und das MoMiG statt dessen in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf ein zeitliches Konzept umgestellt hat, ist dies auch auf die persönlichen Voraussetzungen für die Nachrangigkeit zu übertragen. Dem Altgesellschafter kann es nicht zum Nachteil gereichen, dass er trotz des Ausscheidens aus der Gesellschaft das Darlehen belassen und nicht zurückgefordert hat. Nachrangig ist die Forderung danach nur, wenn der Gläubiger innerhalb der Anfechtungsfrist Gesellschafter war.

16Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO dahin verstanden wird, dass bereits nach dem Wegfall der Gesellschafterstellung kein Gesellschafterdarlehen mehr vorliegt. Zum Schutz vor einer Umgehung der Regel von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO durch einen kurzfristigen Gesellschafterwechsel soll dann der ausgeschiedene Gesellschafter noch für eine zeitlich begrenzte Frist der Subordination unterworfen werden, wozu die Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO herangezogen wird (so HambKomm/Lüdtke, 3. Aufl., § 39 InsO Rn. 32).

17Die Klägerin hat ihren Geschäftsanteil am 22./ und damit weit früher als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom abgetreten. Selbst wenn wegen einer bis zum Inkrafttreten des MoMiG fortbestehenden Verstrickung des Darlehens der der maßgebende Zeitpunkt wäre, läge er früher als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag.

18Ein Nachrang aufgrund einer Rangvereinbarung (§ 39 Abs. 2 InsO) bestand nicht. Der Rangrücktritt war bis befristet.

19d) Auf die Frage, ob der Geschäftsführer die Zahlung an die Klägerin seit Inkrafttreten des MoMiG nach § 64 Satz 3 GmbHG verweigern durfte, kommt es nach Insolvenzeröffnung nicht mehr an. Im Übrigen war die Klägerin nicht mehr Gesellschafterin und wurde daher von der Vorschrift nicht erfasst.

Bergmann                                                Strohn                                         Reichart

                              Drescher                                               Born

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 283 Nr. 5
BB 2012 S. 65 Nr. 2
DB 2012 S. 47 Nr. 1
DStR 2012 S. 424 Nr. 8
GmbH-StB 2012 S. 74 Nr. 3
GmbHR 2012 S. 206 Nr. 4
NJW 2012 S. 8 Nr. 6
StBW 2012 S. 42 Nr. 1
StBW 2012 S. 88 Nr. 2
WM 2012 S. 78 Nr. 2
ZIP 2012 S. 86 Nr. 2
BAAAD-99154