OFD Rheinland - akt. Kurzinfo KSt 45/2010

Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 36 – 38 KStG

Bezug:

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Mit hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Umgliederungsvorschriften des § 36 Abs. 3 und 4 KStG beim Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind. Es ist danach nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, dass die Übergangsregelung bei einzelnen Unternehmen zu einem Verlust von KSt-Minderungspotential führt, bei anderen dagegen nicht.

Der Gesetzgeber hat mit dem Jahresssteuergesetz 2010 vom (BGBl 2010 I S. 1768) die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, bis zum für alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Neuregelung zu treffen, umgesetzt.

Gem. § 34 Abs. 13f KStG ist § 36 KStG in allen Fällen, in denen die Endbestände im Sinne des § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind, in einer geänderten Fassung anzuwenden. In dieser geänderten Fassung wird durch die Streichung des § 36 Abs. 3 KStG auf die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Umgliederung verzichtet. Der neue § 36 Abs. 6a KStG begrenzt die Minderung des EK 02 i. H. v. 5/22 des EK 45 nunmehr auf den positiven Bestand des EK 02 nach Anwendung des § 36 Abs. 1 bis 6 KStG, so dass infolge der Umgliederung des EK 45 kein Körperschaftsteuerminderungspotenzial mehr vernichtet werden kann.

Das nach der Umgliederung ggf. aufgrund der vorgenannten Begrenzung noch verbleibende EK 45 wird gem. § 34 Abs. 13g KStG – wie auch der Endbestand des EK 40 – in das Körperschaftsteuerguthaben umgerechnet (geänderte Fassung des § 37 Abs. 1 KStG).

Die technische Umsetzung des Verfahrens ist mittlerweile erfolgt (vgl. Hinweise zum Änderungsnachweis vom ).

Umgang mit Änderungsanträgen zur Berücksichtigung der Gesetzesänderung

Derzeit gehen vermehrt Anträge auf Änderung der Bescheide über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ein. Obwohl die Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG in den betroffenen Steuerfällen bereits bestandskräftig ist, beantragen die Steuerpflichtigen eine Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens unmittelbar aus den vorhandenen Teilbeträgen des belasteten Eigenkapitals, dem EK 45 und dem EK 40. Da der Bescheid über die Feststellung des Körperschaftsteuerguthabens keinen Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens darstelle, sei der Bescheid über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens ohne Bindungswirkung anderer Bescheide änderbar und an die verfassungsrechtlich gebotene Rechtslage anzupassen.

Diese Anträge auf Änderung sind abzulehnen. Die Anwendung des § 36 KStG in der durch das JStG 2010 geänderten Fassung ist gem. § 34 Abs. 13f KStG auf die Fälle begrenzt, in denen die Endbestände im Sinne des § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind. Sofern gegen die Feststellung der Endbestände kein Einspruch eingelegt wurde, ist die durch das JStG 2010 geänderte Fassung des § 36 KStG somit in der Regel nicht anwendbar.

Auf die Bestandskraft der Feststellung des Körperschaftsteuerguthabens kommt es nach der Anwendungsregelung des § 34 Abs. 13f KStG nicht an. Die Vorschrift nimmt lediglich Bezug auf die Bestandskraft der Feststellung der Endbestände des verwendbaren Eigenkapitals.

Wenn im Einzelfall die ursprüngliche Feststellung der Endbeträge gem. § 36 Abs. 7 KStG zum bereits bestandskräftig ist, kann zur Bearbeitung der Änderungsanträge die beigefügte Formulierungshilfe verwendet werden.

Die Frage soll auf Ebene der Körperschaftsteuerreferatsleiter des Bundes und der Länder erörtert werden. Gegebenenfalls sollen zu der Frage einzelne Musterverfahren geführt werden. Die übrigen Einsprüche könnten dann mit Zustimmung des Einspruchführers bis zum Abschluss der Musterverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen. Ich rege deshalb an, bis zum Abschluss der Erörterungen – über die ich zu gegebener Zeit informieren werde – die Bearbeitung der Einsprüche gegen die Ablehnung des Erlasses von Änderungsbescheiden zurückzustellen.

Umgang mit Einsprüchen wegen behaupteter weiterhin bestehender Verfassungswidrigkeit

In einigen Fällen wird gegen die auf Grund der Gesetzesänderung mit dem Jahressteuergesetz 2010 ergangenen Änderungsbescheide Einspruch wegen behaupteter weiterhin bestehender Verfassungswidrigkeit eingelegt. Zur Begründung wird vorgetragen, der Gesetzgeber habe die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nur teilweise umgesetzt.

Durch den neuen § 36 Abs. 6a KStG wird erreicht, dass durch die Umgliederung von EK 45 in EK 40 kein negatives EK 02 mehr entsteht, welches sodann nach § 36 Abs. 4 KStG mit dem EK 40 bzw. EK 45 verrechnet wird. Soweit unabhängig von der Umgliederung von EK 45 in EK 40 negatives unbelastetes verwendbares Eigenkapital (Summe EK 01 bis 03) vorliegt, findet weiterhin eine Verrechnung mit vorbelastetem verwendbarem Eigenkapital statt (§ 36 Abs. 4 KStG).

In der Verrechnung von unbelastetem EK mit belastetem EK nach § 36 Abs. 4 KStG ist kein verfassungswidriger Eingriff in die Grundrechte des Steuerpflichtigen zu sehen. Im Sachverhalt des o. g. Urteils des Bundesverfassungsgerichts lag ebenfalls vor der Umgliederung ein negatives EK 01 bis 03 vor. Die Rechtsfolgen aus der Verrechnung dieses Negativbestandes mit dem EK 40 wurden vom Gericht nicht bemängelt. Lediglich die Rechtsfolge, dass aus der Umgliederung des EK 45 in EK 40 Körperschaftsteuerminderungspotential verloren ging, wurde als verfassungswidrig angesehen.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Übergangsregelungen des § 36 Abs. 3 und 4 KStG für verfassungswidrig erklärt. Dies jedoch nur, soweit sie umgliederungsbedingt zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotential führen. Die Gesetzesänderung führt dazu, dass eine Umgliederung nicht mehr zu einem negativen des EK 02 führt, so dass § 36 Abs. 3 KStG keine verfassungswidrige Wirkung mehr entfalten kann.

Die Intention der Übergangsregelungen besteht darin, den Körperschaftsteuerminderungsbetrag zu erhalten, der sich bei einer fiktiven Vollausschüttung im Anrechnungsverfahren ergeben hätte. In Fällen mit negativem EK 02 ist das belastete verwendbare Eigenkapital höher als das in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital. Das verwendbare Eigenkapital konnte nur in Höhe des vorhandenen bilanziellen Eigenkapitals für Ausschüttungen verwendet werden. Das nach Verrechnung mit negativem EK 02 verbleibende verwendbare Eigenkapital entspricht dem bilanziellen Eigenkapital und somit dem ausschüttbaren Gewinn.

Soweit angeführt wird, dass auch frühere Umgliederungen von EK-Beständen (z. B. Umgliederung von EK 50 in EK 45 nach § 54 KStG a. F.) schon in der Vergangenheit zu negativem EK 02 geführt haben, welche nun durch die Verrechnung des § 36 Abs. 4 KStG zu einer Verringerung von Körperschaftsteuerminderungspotential führt, ist hierin kein Verstoß gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat es als legitim und grundsätzlich unschädlich betrachtet, dass der Gesetzgeber einen einfachen und zügig umzusetzenden Systemwechsel vorgenommen hat (Tz 50 des Urteils). Eine Überprüfung der historischen Entwicklung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals ab dem Jahre 1977 würde der Praktikabilität der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich nur die Folgen aus der Umgliederung des EK 45 in EK 40 im Rahmen der Systemumstellung bemängelt. In Tz 72 und 73 des Urteils befasst es sich explizit mit den früheren Umgliederungen des Eigenkapitals im alten Recht und bestätigt hier die Verfassungsmäßigkeit.

Soweit bemängelt wird, dass die Neuregelung zwar kein negatives EK 02 mehr entstehen lässt, aber nach § 36 Abs. 6a KStG bei positivem unbelastetem EK weiterhin das EK 45 in EK 40 und einem geminderten EK 02 umgliedert, ist auch hierin keine Verfassungswidrigkeit zu sehen. Das EK 02 beinhaltet ein Körperschaftsteuererhöhungspotential. Dem Wegfall von Körperschaftsteuerminderungspotential steht in gleicher Höhe eine Minderung des Körperschaftsteuererhöhungspotentials gegenüber.

Die Gesetzesänderung entspricht somit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die vom Bundesverfassungsgericht dargestellten Alternativen sind nicht als den Gesetzgeber bindende Anweisungen zu verstehen. Die dort aufgezeigten Lösungen sollen nur die Aussage untermauern, dass die Ziele der Umgliederung auch mit weniger belastenden Maßnahmen hätten erreicht werden können. Die Lösung des Gesetzgebers orientiert sich aber letztlich in vollem Umfang an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Mit hat der BFH nun entschieden, dass die Neuregelung im JStG 2010 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ob die Klägerin gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ist derzeit noch nicht bekannt.

Ich rege an, bis zum Abschluss der Erörterungen der Körperschaftsteuerreferatsleiter des Bundes und der Länder -über die ich zu gegebener Zeit informieren werde- die Bearbeitung der vorliegenden Einsprüche zunächst zurück zu stellen.

OFD Rheinland v. - akt. Kurzinfo KSt 45/2010

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
ZAAAD-94182