BFH Urteil v. - X R 59/09

Abzug von Bußgeldern bei Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils; kein Anspruch auf Gewährung eines Billigkeitserlasses, wenn Geldbuße der Ahndung des Gesetzesverstoßes dient; Verfahrenskosten fallen nicht unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG

Leitsatz

1. Anspruch auf Steuererlass gemäß § 227 AO wegen Doppelbelastung des aus einem Gesetzesverstoß erzielten wirtschaftlichen Vorteils mit einer Geldbuße und Ertragsteuern. Wird der wirtschaftliche Vorteil nur teilweise abgeschöpft, führt eine hinzutretende Steuerbelastung dann nicht zu einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn die Summe aus Geldbuße und Steuerbelastung den aus dem Gesetzesverstoß erlangten wirtschaftlichen (Netto-)Vorteil nicht übersteigt.
2. Der Tatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG erfasst nur Geldbußen, Ordnungsgelder, Verwarnungsgelder sowie bestimmte Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen. Verfahrenskosten fallen nicht unter das Abzugsverbot; sie bleiben - soweit sie betrieblich veranlasst sind - als Betriebsausgabe abziehbar.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8, AO § 163, AO § 227

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1975 und 1976 Kommanditist einer KG. Die KG hatte im Jahr 1973 ungenehmigte Wertpapiergeschäfte getätigt. Deshalb setzte die Oberfinanzdirektion (OFD) A mit Bescheid vom gegen die KG eine Geldbuße in Höhe von .  DM zzgl. . DM anteiliger Ermittlungskosten fest. Sie legte dabei —unter Bezugnahme auf Ermittlungsergebnisse der Landeszentralbank— einen wirtschaftlichen Vorteil der KG aus den Wertpapiergeschäften von . DM zugrunde.

2 Die OFD A erklärte im Bußgeldbescheid ausdrücklich, sie habe entgegen der gesetzlichen Regelung (§ 17 Abs. 4 des Gesetzes über OrdnungswidrigkeitenOWiG—) auf die vollständige Abschöpfung des aus der Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteils verzichtet. Denn es bestünden gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe des wirtschaftlichen Vorteils, auch wenn die Berechnung der Landeszentralbank sich als erkennbar zurückhaltend darstelle. Ein Abschlag sei auch zur Berücksichtigung der auf die Wertpapiergeschäfte entfallenden Gemeinkosten gerechtfertigt. Zudem habe die KG den Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt und sich bereit erklärt, eine angemessene Geldbuße zu akzeptieren. Auch sei das Bilanzbild und die Kapitalausstattung der KG dahingehend zu berücksichtigen gewesen, dass das Bußgeld noch tragbar sei. Die gegen die KG festgesetzte Geldbuße diene ausschließlich der Abschöpfung der erlangten Vorteile, da dem Gesichtspunkt der Pflichtverletzung dadurch Rechnung getragen worden sei, dass gegen den persönlich haftenden Gesellschafter der KG ein gesonderter Bußgeldbescheid über . DM ergangen sei.

3 Wegen weiterer ungenehmigter Wertpapiergeschäfte erließ auch die OFD B am gegen die KG einen Bußgeldbescheid über . DM. Insoweit hatte die KG vorgetragen, einen Bruttonutzen von . DM erzielt zu haben. Die OFD B führte aus, dieser Gewinn sei abzuschöpfen gewesen. Angesichts des einsichtigen Verhaltens der KG reiche der festgesetzte Betrag von . DM hierfür aus. Von der Durchführung eines Bußgeldverfahrens gegen den persönlich haftenden Gesellschafter der KG werde u.a. deswegen abgesehen, weil dieser „durch die Festsetzung einer Ahndungsmaßnahme” gegen die KG als deren Gesellschafter zumindest mittelbar betroffen werde.

4 Die KG akzeptierte die Bußgeldbescheide. Sie behandelte die gegen sie festgesetzten Geldbußen und Verfahrenskosten als Aufwand der Jahre 1975 (.  DM) und 1976 (. DM).

5 Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte das für die Besteuerung der KG zuständige Finanzamt (Betriebs-FA) den Betriebsausgabenabzug hinsichtlich der genannten Beträge und erließ am entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide. Hieraus resultierte beim Kläger eine Erhöhung der Einkommensteuer 1975 um . DM und eine Erhöhung der Einkommensteuer 1976 um . DM.

6 Während des anschließenden Einspruchsverfahrens gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide erging zunächst der Beschluss des Großen Senats des (BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160), mit dem unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung Geldbußen und entsprechende Verfahrenskosten zum Betriebsausgabenabzug zugelassen wurden. Anschließend wurde durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes vom (BGBl I 1984, 1006) in § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG die neue Nr. 8 eingefügt, wonach u.a. festgesetzte Geldbußen den Gewinn nicht mindern dürfen (heute § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Sätze 1 bis 3 EStG). Diese Gesetzesänderung war mit einer Rückwirkung für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle versehen (§ 52 Abs. 3a EStG 1984).

7 Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sowohl den materiell-rechtlichen Inhalt der Gesetzesänderung als auch deren Rückwirkung gebilligt. Zur Vermeidung von Doppelbelastungen müssten die steuerlichen Auswirkungen der Nichtabziehbarkeit allerdings bereits bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit könne der Gesetzgeber aber auch anordnen, dass Geldbußen nach dem Bruttobetrag des erlangten Gewinns zu bemessen seien; dann dürfe jedoch deren steuerliche Abziehbarkeit nicht ausgeschlossen werden (, BVerfGE 81, 228).

8 Im Anschluss hieran hat der BFH entschieden, dass Geldbußen angesichts der eindeutigen Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG auch dann nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, wenn bei ihrer Bemessung die anfallenden Ertragsteuern nicht berücksichtigt worden sein sollten (Urteil vom VIII R 194/84, BFHE 161, 509, BStBl II 1992, 508). Ob in einem solchen Fall der „verfassungswidrigen doppelten Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils” ein Billigkeitserlass nach § 163 der Abgabenordnung (AO) in Betracht zu ziehen sei, hat der VIII. Senat ausdrücklich offengelassen (Urteil in BFHE 161, 509, BStBl II 1992, 508, unter 2.d). Der I. Senat des BFH hat —weitergehend— ausgeführt, aus den Gründen des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 81, 228 könne sich ein Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme ergeben (Urteile vom I R 73/88, BFH/NV 1991, 32, unter II.3., und I R 141/84, BFH/NV 1991, 38, unter II.B.4.).

9 Unter Bezugnahme auf die Gesetzesänderung und die genannten Entscheidungen des BVerfG und BFH wies das Betriebs-FA den Einspruch der KG am zurück. Anschließend erhob die KG Klage, nahm diese aber bereits am 13./ wieder zurück. Stattdessen stellte der Kläger —ebenso wie seine Mitgesellschafter— am den hier streitgegenständlichen Antrag auf Erlass der aufgrund der Nichtabziehbarkeit der Geldbuße festgesetzten Einkommensteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen. Ferner beantragte er den Erlass der zwischenzeitlich festgesetzten Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1975.

10 Das seinerzeit für die Besteuerung des Klägers zuständige Wohnsitz-FA (FA X) lehnte den Erlassantrag ab. Während des anschließenden Beschwerdeverfahrens wurde § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG um einen neuen Satz 4 ergänzt (SteueränderungsgesetzStÄndG— 1992 vom , BGBl I 1992, 297). Danach gilt das Abzugsverbot nicht, soweit durch eine Geldbuße der wirtschaftliche Vorteil der Tat abgeschöpft worden ist, dabei aber die hierauf entfallenden Ertragsteuern nicht abgezogen worden sind. Auch diese Gesetzesänderung hatte Rückwirkung für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle (§ 52 Abs. 5a EStG in der Fassung des StÄndG 1992). Weil die Steuerfestsetzung gegen die KG jedoch durch die zwischenzeitliche Klagerücknahme bestandskräftig geworden war, wies die zuständige OFD die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung des Erlassantrags am zurück.

11 Nach erfolglosem Klageverfahren hob der (nicht veröffentlicht) die Vorentscheidung, den Ablehnungsbescheid sowie die Beschwerdeentscheidung auf und verpflichtete das FA X, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung nahm der IV. Senat auf sein im Parallelverfahren eines Mitgesellschafters ergangenes Urteil vom IV R 5/96 (BFHE 182, 520, BStBl II 1997, 353) Bezug. Danach folge aus einer späteren Gesetzesänderung, die rückwirkend ergehe, aber auf noch nicht bestandskräftige Festsetzungen beschränkt sei, zwar grundsätzlich keine Verpflichtung zur Gewährung eines Billigkeitserlasses in bestandskräftig veranlagten Fällen. Das vorliegende Verfahren weise jedoch die Besonderheit auf, dass die KG die Feststellungsbescheide erkennbar nur deshalb —durch Klagerücknahme— habe bestandskräftig werden lassen, weil der BFH Billigkeitsmaßnahmen befürwortet habe. Der Kläger habe nicht wissen können, dass auf diese Hinweise des BFH nicht etwa die Finanzverwaltung mit Billigkeitsmaßnahmen, sondern vielmehr der Gesetzgeber durch eine rückwirkende Änderung der materiellen Rechtslage reagieren würde. Aus dieser rückwirkenden Gesetzesänderung folge zugleich, dass eine Doppelbelastung, die aus der Abschöpfung des Bruttobetrags des erlangten wirtschaftlichen Vorteils einerseits und der steuerlichen Nichtabziehbarkeit der Geldbuße andererseits resultiere, als sachlich unbillig anzusehen sei. Dies betreffe hier auch die Aussetzungszinsen, die im Falle der Anwendbarkeit der späteren Gesetzesänderung nicht angefallen wären.

12 Jedoch könne ein Billigkeitserlass nicht weiter gehen als die spätere, zur Vermeidung der Doppelbelastung getroffene gesetzliche Regelung. Danach sei eine Geldbuße nur insoweit als Betriebsausgabe abzugsfähig, als sie den wirtschaftlichen Vorteil abschöpfen solle und die darauf entfallenden Ertragsteuern nicht berücksichtigt worden seien. Die streitgegenständlichen Bußgeldbescheide ließen indes bereits nicht hinlänglich erkennen, welcher Teil der jeweiligen Bußgelder der Ahndung der Vergehen und welcher Teil demgegenüber der Gewinnabschöpfung habe dienen sollen. Möglicherweise könnten Rückfragen bei den Bußgeldbehörden weitere Erkenntnisse erbringen. Allerdings werde man beim Bußgeldbescheid der OFD A, mit dem bei einem angenommenen wirtschaftlichen Vorteil von . DM ein Bußgeld im Umfang von nur gut der Hälfte dieses Vorteils festgesetzt worden sei, nicht von einer verfassungswidrigen doppelten Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils sprechen können.

13 Im nunmehr fortgeführten Verwaltungsverfahren über den Erlassantrag teilten beide Bußgeldbehörden mit, die bei ihnen geführten Verfahrensakten seien bereits vernichtet worden. Die OFD B erklärte mit Schreiben vom jedoch ergänzend, der auf die Ahndung des Vergehens entfallende Teil der Geldbuße könne sich angesichts des erheblichen Umfangs der Zuwiderhandlungen nicht auf den Betrag von . DM —Differenz zwischen der festgesetzten Geldbuße und dem angenommenen wirtschaftlichen Vorteil — beschränkt haben. Der wirtschaftliche Vorteil sei dadurch ermittelt worden, dass auf den Umfang der ungenehmigten Wertpapiergeschäfte (. DM, abgerundet .  DM) die von der KG angegebene Brutto-Gewinnmarge (0,78 %) angewendet worden sei. Die Höhe der Gemeinkosten sei von der KG nicht mitgeteilt worden, dürfte aber gering sein. Nehme man hier einen Betrag von . DM an, ergebe sich ein Abschöpfungsbetrag von . DM und ein Ahndungsteil von . DM. Die KG habe die OFD B seinerzeit darauf hingewiesen, dass die Frage der steuerlichen Abziehbarkeit der Geldbuße umstritten sei und ggf. eine Zusatzbelastung drohe. Bei der Bemessung der Geldbuße sei dies aber nicht berücksichtigt worden.

14 Daraufhin erließ das FA X mit Bescheid vom diejenigen Teilbeträge an Einkommensteuer und Aussetzungszinsen, die nicht festgesetzt worden wären, wenn bei der KG zusätzlich ein Betrag von . DM (Bußgeldbescheid der OFD B) als Betriebsausgabe berücksichtigt worden wäre. Im Übrigen lehnte es den beantragten Erlass erneut ab.

15 Auf den Einspruch des Klägers erließ das FA X mit Teilabhilfebescheid vom weitere Teilbeträge, die bei Zugrundelegung zusätzlicher fiktiver Betriebsausgaben der KG aus dem Bußgeldbescheid der OFD A in Höhe von . DM nicht festgesetzt worden wären. Diesen Betrag hatte es —in ausdrücklicher Anlehnung an die Berechnungsmethodik des , Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 72, unter 3.c, d, rkr.— wie folgt ermittelt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wirtschaftlicher Bruttovorteil der KG aus der Tat  
  … DM
Abzug der Gemeinkosten (nach Ma#szlig;gabe des von der OFD#nbsp;B gesch#auml;tzten Anteils; dort … DM von … DM = 4,5#nbsp;%)  
    ./. … DM
Nettovorteil der KG aus der Tat vor Steuern  
… DM
Gesamtbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer (56,3#nbsp;%)  
  ./. … DM
Nettovorteil der KG aus der Tat nach Steuern  
… DM
festgesetzte Geldbu#szlig;e  
… DM
Teilbetrag der Geldbu#szlig;e, der den Nettovorteil der KG nach Steuern #uuml;bersteigt  
  … DM
Hochrechnung dieses Netto-Teilbetrags auf einen Betrag vor Steuern (Steuersatz 56,3#nbsp;%)  
  … DM  
aufgerundet  
… DM

17 Danach waren dem Kläger die folgenden Teilbeträge erlassen worden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Einkommensteuer 1975  
Einkommensteuer 1976  
Aussetzungszinsen 1975  
festgesetzter Mehrbetrag  
  … DM
  … DM
  … DM
Teilerlass vom 9.#nbsp;Mai 2005  
  … DM
  … DM
  … DM
Teilerlass vom 21.#nbsp;Dezember 2006  
  … DM
  … DM
  … DM
nicht erlassener Teilbetrag  
  … DM
  … DM
  … DM

18

19 Den weitergehenden Einspruch des Klägers wies der mittlerweile zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) am zurück.

20 Das FG gab der Klage statt und verpflichtete das FA auch zum Erlass der restlichen Teilbeträge (EFG 2010, 1219). Das dem FA grundsätzlich zustehende Ermessen sei hier auf Null reduziert, da nur durch einen vollständigen Erlass das vom Gesetzgeber mit der Anfügung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG verfolgte Ziel, Doppelbelastungen zu vermeiden, erreicht werden könne. Der Erlass gehe auch nicht weiter als die gesetzliche Regelung. Eine Aufteilung der festgesetzten Geldbußen in eine Ahndungs- und eine Abschöpfungskomponente komme hier nicht in Betracht, da die Bescheide ausschließlich der Vorteilsabschöpfung hätten dienen sollen. Bei der Bemessung der Geldbußen seien die ertragsteuerrechtlichen Auswirkungen erkennbar unberücksichtigt geblieben. Abstrakte Überlegungen des Inhalts, dass die Bußgeldbehörden theoretisch auch einen höheren Betrag hätten abschöpfen dürfen und der Differenzbetrag der Berücksichtigung der ertragsteuerrechtlichen Auswirkungen hätte dienen können, würden sich verbieten, wenn die Begründung der Bußgeldbescheide —wie hier— eindeutig sei. Dass eine weitere Sachaufklärung wegen des Zeitablaufs und des Wegfalls von Beweismitteln ausgeschlossen sei, dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen.

21 Mit seiner Revision rügt das FA, das FG sei von der im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidung IV R 6/96 (bzw. dem im Parallelverfahren eines Mitgesellschafters ergangenen BFH-Urteil in BFHE 182, 520, BStBl II 1997, 353) abgewichen. Danach bewirke die steuerliche Nichtabziehbarkeit einer Geldbuße, deren Betrag sich auf gut die Hälfte des erzielten wirtschaftlichen Vorteils beschränke, keine verfassungswidrige Doppelbelastung.

22 Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

23 Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, wendet sich aber sinngemäß gegen die Revision.

24 Für die Frage, ob eine verfassungswidrige Doppelbelastung gegeben sei, komme es allein darauf an, ob die steuerlichen Auswirkungen bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt worden seien. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Unerheblich sei demgegenüber, ob die Geldbuße den gesamten wirtschaftlichen Vorteil aus der Tat oder nur einen Teil dieses Vorteils abgeschöpft habe.

25 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

26 1. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Aus der Koppelung des unbestimmten Rechtsbegriffs auf der Tatbestandsseite („unbillig”) und der Einräumung von Ermessen auf der Rechtsfolgenseite folgt, dass die Behörde hier eine einheitliche Ermessensentscheidung zu treffen hat (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Die materiell-rechtliche Prüfung behördlicher Ermessensentscheidungen durch die Finanzgerichte beschränkt sich hinsichtlich der Ermessensfehler im engeren Sinne darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 FGO); dabei sind insbesondere die verfassungsrechtlichen Wertungen zu berücksichtigen (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 102 FGO Rz 103, Stand März 2009, m.w.N.).

27 Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das FG die Behörde zu Unrecht zu einem vollständigen Erlass der hier streitgegenständlichen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis verpflichtet. Denn die durch das FA vorgenommene Ablehnung eines Erlasses über die bereits zugesprochenen Teilbeträge hinaus lässt weder Rechts- noch Ermessensfehler erkennen. Dies gilt sowohl für die Entscheidung, lediglich einen Teilbetrag in Höhe von . DM der durch die OFD B festgesetzten Geldbuße als Abschöpfungskomponente anzusehen, hinsichtlich derer im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme ein fiktiver Betriebsausgabenabzug gewährt werden kann (dazu unten 2.), als auch für die Ermittlung des fiktiv abziehbaren Teils der durch die OFD A festgesetzten Geldbuße (unten 3.).

28 2. Hinsichtlich der Geldbuße der OFD B (. DM) hat das FA bereits für einen Teilbetrag in Höhe von . DM einen fiktiven Betriebsausgabenabzug vorgenommen und die beim Kläger hierauf entfallenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein noch, ob auch in Höhe des Differenzbetrags von . DM ein fiktiver Betriebsausgabenabzug zu gewähren ist.

29 a) Das FG hat dies bejaht. Zur Begründung hat es zunächst hinsichtlich des Bußgeldbescheids der OFD A (über .  DM) —unter umfassender Heranziehung der in diesem Bescheid enthaltenen Erwägungen— ausgeführt, hier sei keine Aufteilung in eine Ahndungs- und eine Abschöpfungskomponente vorzunehmen. Hinsichtlich des Bußgeldbescheids der OFD B enthält das FG-Urteil demgegenüber lediglich den Satz: „Dies gilt entsprechend für den Bescheid der OFD <B>.”

30 b) Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die alleinige Auseinandersetzung mit dem Bußgeldbescheid der OFD A ist schon deshalb nicht geeignet, Schlüsse auf die fehlende Aufteilbarkeit auch der durch die OFD B festgesetzten Geldbuße zu ziehen, weil bereits aus dem klaren Wortlaut des Bescheids der OFD A folgt —und zudem während des gesamten Verfahrens zwischen den Beteiligten unstreitig war—, dass dieser Bescheid keine Ahndungskomponente enthält. Hinsichtlich des —anders gearteten— Bescheids der OFD B war dies indes von Anfang an streitig. Zur Begründung seiner Auffassung hätte das FG es daher nicht bei einem schlichten Verweis auf seine Ausführungen zur —eindeutigen und unstreitigen— Auslegung des Bescheids der OFD A bewenden lassen dürfen.

31 Insbesondere hat das FG jegliche Auseinandersetzung mit den ausführlichen Darlegungen der OFD B in deren Schreiben vom unterlassen. Dieses Schreiben war für die Auslegung des vorangegangenen Bußgeldbescheids der OFD B umso bedeutsamer, weil der BFH in seinem im ersten Rechtszug zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil IV R 6/96 eine entsprechende Rückfrage des FA bei der Bußgeldbehörde ausdrücklich angeregt hatte und das FA bei seiner späteren Entscheidung über den Teilerlass den daraufhin erteilten Auskünften der OFD B gefolgt ist, diese also zur Grundlage seiner im finanzgerichtlichen Verfahren zu überprüfenden Ermessensentscheidung gemacht hat.

32 c) Der erkennende Senat kann die Ermessensentscheidung des FA insoweit selbst überprüfen. Denn weitere Tatsachenfeststellungen kommen —wie das FG selbst ausgeführt hat— angesichts des erheblichen Zeitablaufs und der zwischenzeitlichen Vernichtung der Bußgeldvorgänge nicht in Betracht. Im Übrigen kommt es für die Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA hier im Kern auf die Auslegung des Bußgeldbescheids der OFD B an; der Inhalt behördlicher Erklärungen ist vom Revisionsgericht aber ohne Bindung an die vorinstanzliche Auslegung in eigener Zuständigkeit zu ermitteln, sofern hierfür keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind (Senatsurteil vom X R 7/07, BFHE 224, 484, BStBl II 2009, 596, unter II.3.b).

33 d) Danach lässt die Entscheidung des FA, lediglich einen Teilbetrag von . DM als Abschöpfungskomponente anzusehen und die Gewährung des Erlasses auf diejenigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu beschränken, die gegen den Kläger wegen des bei der KG unterbliebenen Betriebsausgabenabzugs hinsichtlich dieses Teilbetrags festgesetzt worden sind, keine Rechts- oder Ermessensfehler erkennen.

34 Die OFD B, auf deren Ausführungen sich das FA gestützt hat, hat im Schreiben vom nachvollziehbar dargelegt, dass der von der KG mitgeteilte Brutto-Gewinn (. DM) zunächst noch um einen geschätzten Betrag für anteilige Gemeinkosten zu mindern gewesen sei, da der abzuschöpfende „wirtschaftliche Vorteil” i.S. des § 17 Abs. 4 OWiG eine Nettogröße darstelle. Sie hat sodann —in Ermangelung besserer Erkenntnisse— die anteiligen Gemeinkosten griffweise auf . DM geschätzt und den wirtschaftlichen Vorteil in Höhe von . DM angenommen. Daraus ergibt sich, dass der übersteigende Betrag der Geldbuße (. DM) der Ahndung der ungenehmigten Wertpapiergeschäfte der KG diente. Auch hierzu hat die OFD B nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Ahndungskomponente angesichts des erheblichen Umfangs der Zuwiderhandlungen der KG (ungenehmigte Geschäfte in einem Volumen von knapp .  DM) nicht allein auf den Betrag von . DM (. DM ./. . DM) beschränkt haben könne.

35 Da der Kläger zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens konkrete Einwendungen gegen diese im Schätzungswege vorgenommene Aufteilung der Gesamt-Geldbuße vorgebracht hat, stellt es keinen Ermessensfehler dar, wenn das FA die nachvollziehbaren Auskünfte der OFD B zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat.

36 3. Auch die vom FA vorgenommene Ermittlung des fiktiv abziehbaren Teils der durch die OFD A festgesetzten Geldbuße lässt —anders als das FG meint— weder Rechts- noch Ermessensfehler erkennen.

37 a) Das FG hat zunächst ausführlich begründet, weshalb diese Geldbuße ausschließlich der Abschöpfung diente und keine Ahndungskomponente enthielt. Dies trifft indes nicht den Kern des Rechtsstreits, weil sich das Fehlen einer Ahndungskomponente eindeutig aus dem Wortlaut des Bußgeldbescheids ergab und zwischen den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens streitig war.

38 Anschließend hat das FG ausgeführt, steuerliche Überlegungen hätten bei der Bemessung der Geldbuße entweder keine Rolle gespielt oder aber keinen Niederschlag in den Bescheiden gefunden. Dies hat das FG ausreichen lassen, um das FA —ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dessen differenzierter Berechnungsmethodik— unter Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null zum Ausspruch des begehrten vollständigen Erlasses zu verpflichten.

39 b) Auch dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

40 Grundlage für den —dem Grunde nach bestehenden und vom BFH im ersten Rechtszug (Urteil IV R 6/96 unter Verweis auf das BFH-Urteil in BFHE 182, 520, BStBl II 1997, 353, unter 3.a) anerkannten— Anspruch des Klägers auf Erlass ist, dass sich eine Doppelbelastung des von der KG aus den geahndeten Geschäften erzielten wirtschaftlichen Vorteils sowohl mit einer Geldbuße als auch mit Ertragsteuern als verfassungswidrig darstellen würde. Das BVerfG hat hierzu wörtlich ausgeführt (Beschluss in BVerfGE 81, 228, unter B.I.3.): „Mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist weder eine Regelung vereinbar, die dem Täter seinen Gewinn sowohl unter ordnungswidrigkeitsrechtlichen als auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten voll belässt, noch eine Regelung, welche die vollständige Abschöpfung nach ordnungswidrigkeitsrechtlichen Grundsätzen mit einer zusätzlichen steuerrechtlichen Belastung verbindet. Ist gemäß dem geltenden Recht der durch eine Ordnungswidrigkeit erlangte Gewinn nach einkommensteuerlichen Regeln zu versteuern, so darf deshalb in den auf seine Abschöpfung gerichteten Teil des Bußgeldes nur der um den absehbaren Steueranteil verminderte Gewinnbetrag einbezogen werden. Umgekehrt darf die Absetzung der Geldbuße als Betriebsausgabe in Höhe des Abschöpfungsbetrages dann nicht ausgeschlossen werden, wenn deren Bemessung vom Bruttobetrag des erzielten Gewinns ausgeht.”

41 Das BVerfG hat damit ausdrücklich nur die vollständige Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils, die mit einer zusätzlichen Steuerbelastung verbunden ist, als unvereinbar mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip bezeichnet. Wird, wie im Streitfall, der wirtschaftliche Vorteil —aus welchen Gründen auch immer— hingegen nur teilweise abgeschöpft, führt eine hinzutretende Steuerbelastung dann nicht zu einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn die Summe aus Geldbuße und Steuerbelastung den aus dem Gesetzesverstoß erlangten wirtschaftlichen (Netto-)Vorteil nicht übersteigt. Diese rechtliche Beurteilung liegt erkennbar auch der im ersten Rechtszug ergangenen BFH-Entscheidung IV R 6/96 (unter Verweis auf das BFH-Urteil in BFHE 182, 520, BStBl II 1997, 353, unter 3.c) zugrunde. An diese Rechtsauffassung des Gerichts (§ 101 Satz 2 FGO) war das FA bei seiner erneuten Entscheidung ebenso gebunden wie ein FG es im Falle einer —hier nicht gegebenen— Zurückverweisung nach § 126 Abs. 5 FGO gewesen wäre (zutreffend Lange in HHSp, § 101 FGO Rz 54, Stand Juni 2008, m.w.N.).

42 Der Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht von dem vom Kläger angeführten —in einem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ergangenen— (BFH/NV 2004, 959) ab. Zwar heißt es dort (unter III.2.d aa), der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG spreche bei summarischer Prüfung dafür, „dass jede betragsmäßige Korrespondenz zwischen der Höhe der Strafe oder Buße einerseits und dem wirtschaftlichen Vorteil andererseits zur Abziehbarkeit führen soll”. Diese Formulierung ist jedoch vor dem Hintergrund des vom I. Senat gebildeten Obersatzes zu sehen, entscheidende Frage sei, „ob und ggf. in welchem Umfang der wirtschaftliche Vorteil der Antragstellerin durch die festgesetzte Geldbuße abgeschöpft worden ist” (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 959, unter III.2.d vor aa; Hervorhebung nur hier). Ist der wirtschaftliche Vorteil aber —wie hier— nicht in vollem Umfang abgeschöpft worden, führt noch nicht jede hinzutretende Steuerbelastung zur Verfassungswidrigkeit. Gegenteiliges lässt sich für Fälle einer nur teilweisen Vorteilsabschöpfung auch dem Beschluss in BFH/NV 2004, 959 nicht entnehmen.

43 c) Die vom FA bei seiner erneuten Entscheidung über den Erlassantrag herangezogene Berechnungsmethodik vermeidet zuverlässig rechnerische Doppelbelastungen des wirtschaftlichen Vorteils durch eine Geldbuße einerseits und die anfallende Steuerbelastung andererseits. Der Senat hat die Berechnung geprüft und für zutreffend befunden. Auch der Kläger hat keine konkreten Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Berechnung —bzw. der ihr in Teilbereichen zugrunde liegenden Schätzungen— vorgebracht.

44 d) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass hinsichtlich der durch die OFD A angeforderten anteiligen Kosten des Ermittlungsverfahrens in Höhe von . DM schon deshalb kein Erlass in Betracht kam, weil insoweit zu keinem Zeitpunkt ein gesetzliches Abzugsverbot bestanden hat und die KG daher gegen die Versagung des Betriebsausgabenabzugs in diesem Umfang den Rechtsweg erfolgreich hätte beschreiten können und müssen.

45 Der Tatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG erfasst nur Geldbußen, Ordnungsgelder, Verwarnungsgelder sowie bestimmte Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen. Verfahrenskosten fallen hingegen nicht unter das Abzugsverbot; sie bleiben —soweit sie betrieblich veranlasst sind— als Betriebsausgabe abziehbar (allgemeine Ansicht; vgl. H 4.13 „Verfahrenskosten” der Einkommensteuer-Hinweise 2009; aus der Literatur z.B. Hildesheim in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1722, Stand Januar 2008; Schmidt/Heinicke, EStG, 30. Aufl., § 4 Rz 520 „Strafen"; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 883, Stand Oktober 2010).

46 Eine offensichtlich unrichtige Steuerfestsetzung, die der Steuerpflichtige hat bestandskräftig werden lassen, kann im Billigkeitsverfahren jedoch nur dann korrigiert werden, wenn es dem Steuerpflichtigen weder möglich noch zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460, unter II.1., m.w.N.). Dies war hier hinsichtlich der Verfahrenskosten nicht der Fall, da diese bereits nach der im Zeitpunkt der Klagerücknahme durch die KG (März 1991) geltenden Rechtslage unbestritten als Betriebsausgaben abziehbar waren. Es wäre der KG daher zumutbar gewesen, diesen Fehler der Gewinnfeststellung im Klageverfahren geltend zu machen. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage hinsichtlich der Verfahrenskosten von derjenigen hinsichtlich der Geldbußen, die nach der im März 1991 zunächst geltenden Fassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 (Sätze 1 bis 3) EStG ohne weitere Differenzierung vom Abzug ausgeschlossen waren.

47 Da dieser materiell-rechtliche Fehler der gegen die KG ergangenen Gewinnfeststellung und damit der Einkommensteuerbescheide des Klägers keinerlei verfassungsrechtliche Dimension aufweist, besteht insoweit von vornherein kein Anspruch auf Gewährung eines Billigkeitserlasses.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 2047 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2012 S. 246
JAAAD-93373