EuGH Urteil v. - C-398/09

Nichterstattung einer rechtsgrundlos entrichteten Abgabe - Ungerechtfertigte Bereicherung aufgrund des Zusammenhangs zwischen der Einführung dieser Abgabe und der Aufhebung anderer Abgaben

Leitsatz

Die Regeln des Unionsrechts über die Rückforderung rechtsgrundlos entrichteter Beträge sind dahin auszulegen, dass diese Rückforderung nur dann zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen kann, wenn die von einem Abgabenpflichtigen ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge, die in einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, unmittelbar auf den Abnehmer abgewälzt wurden. Das Unionsrecht verwehrt es daher einem Mitgliedstaat, die Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe mit der Begründung abzulehnen, dass die vom Abgabenpflichtigen rechtsgrundlos entrichteten Beträge mit einer Einsparung aus der gleichzeitigen Aufhebung anderer Abgaben verrechnet worden seien, da eine solche Verrechnung aus der Sicht des Unionsrechts nicht als ungerechtfertigte Bereicherung in Bezug auf die erstgenannte Abgabe angesehen werden kann.

Instanzenzug: Østre Landsret (Dänemark) -

Gründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Rückforderung rechtsgrundlos entrichteter Beträge.

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lady & Kid A/S, der Direct Nyt ApS (im Folgenden: Direct Nyt), der A/S Harald Nyborg Isenkram- og Sportsforretning (im Folgenden: Harald Nyborg) und der KID-Holding A/S auf der einen und dem Skatteministeriet (Ministerium für Steuern, im Folgenden: Skatteministerium) auf der anderen Seite wegen dessen Weigerung, Ersteren eine unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Abgabe (im Folgenden: rechtswidrige Abgabe) zu erstatten.

Rechtlicher Rahmen

Das Königreich Dänemark führte mit dem Gesetz Nr. 840 vom mit Wirkung zum eine als Arbejdsmarkedsbidrag (Arbeitsmarktabgabe, im Folgenden: Ambi) bezeichnete Arbeitgeberabgabe ein. Die Bemessungsgrundlage der Ambi, deren Satz 2,5 % betrug, war grundsätzlich dieselbe wie die der Mehrwertsteuer. Sie wurde jedoch nicht bei der Einfuhr von Waren nach Dänemark entrichtet, sondern auf den vollen Verkaufspreis dieser Waren beim ersten Verkauf im Inland erhoben.

Im Gegenzug zur Einführung der Ambi wurden einige Arbeitgeberabgaben aufgehoben, die dänische Betriebe in Höhe von 10 300 DKK je Vollzeitbeschäftigten entrichten mussten.

Ziel dieser Steuerreform war es, Wachstum und Beschäftigung durch die Beseitigung des Zusammenhangs zwischen den zu entrichtenden Arbeitgeberabgaben und der Zahl der Beschäftigten zu fördern, ohne den Staatshaushalt zu belasten.

Die Ambi wurde bei dänischen Betrieben vom bis erhoben; mit einem Gesetz vom wurde das Gesetz Nr. 840 vom mit Wirkung zum aufgehoben.

Im Jahr 1989 wurde die Ambi von einigen Importunternehmen vor dem Østre Landsret als rechtswidrig angefochten; dieses sah es als erforderlich an, die Frage der Vereinbarkeit der Ambi mit dem Gemeinschaftsrecht dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. Im Urteil vom , Dansk Denkavit und Poulsen Trading (C-200/90, Slg. 1992, I-2217), antwortete der Gerichtshof, dass Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) einer Abgabe wie der Ambi entgegensteht, wenn eine solche Abgabe

- sowohl auf mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeiten als auch auf andere wirtschaftliche Tätigkeiten erhoben wird, die in der Lieferung von Leistungen gegen Entgelt bestehen,

- hinsichtlich der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen auf derselben Bemessungsgrundlage wie die Mehrwertsteuer bestimmt wird, d. h. in Form eines Prozentsatzes vom Betrag der getätigten Verkäufe abzüglich des Betrags der getätigten Einkäufe,

- im Gegensatz zur Mehrwertsteuer bei der Einfuhr nicht gezahlt, aber auf den vollen Verkaufspreis der eingeführten Waren beim ersten Verkauf in dem betreffenden Mitgliedstaat erhoben wird,

- im Gegensatz zur Mehrwertsteuer in der Rechnung nicht gesondert ausgewiesen werden muss und

- neben der Mehrwertsteuer erhoben wird.

Im Anschluss an dieses Urteil wurden im Gesetz Nr. 389 vom , in Kraft getreten am , die Modalitäten der Erstattung der rechtswidrig erhobenen Ambi geregelt. Es enthält insbesondere folgende Bestimmungen:

"§ 1

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Anspruch auf Rückzahlung oder Erstattung in Verbindung mit Beträgen besteht, die gemäß dem Gesetz Nr. 840 vom über die Arbeitsmarktabgabe mit späteren Änderungen an die Staatskasse gezahlt wurden, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen des dänischen Rechts.

§ 2

...

(2) Der geltend gemachte Betrag ist aufzuschlüsseln, zu begründen und durch Belege nachzuweisen, die es ermöglichen, im Einzelnen zu beurteilen, ob der Abgabenpflichtige einen Verlust erlitten hat.

..."

Das Gesetz Nr. 389 vom wurde durch den Runderlass Nr. 122 vom ergänzt, der für die verwaltungsmäßige Behandlung von Erstattungsanträgen folgende vom Importunternehmen zu erfüllende Voraussetzungen festlegte:

- Das Unternehmen muss in wirklichem Wettbewerb mit dänischen Herstellern entsprechender Waren gestanden haben;

- das Unternehmen muss weniger Arbeitgeberabgaben u. Ä. eingespart haben, als es an Ambi entrichtet hat;

- die Wettbewerbssituation des Unternehmens muss sich infolge der Umstrukturierung verschlechtert haben, d. h., es muss sich um mit hohen Lohnkosten belastete dänische Erzeugnisse handeln, so dass das dänische Unternehmen mehr an Arbeitgeberabgaben eingespart hat als der Importeur bei den konkurrierenden Erzeugnissen;

- die dänischen Konkurrenten haben wesentlich mehr an Arbeitgeberabgaben eingespart, als sie an Ambi entrichtet haben;

- die wettbewerbsmäßige Verschlechterung darf nicht unwesentlich sein; und

- die Ambi darf nicht durch Preiserhöhungen abgewälzt worden sein.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die sämtlich im Einzelhandel tätig waren, erhoben zwischen 1997 und 1998 gegen das Skatteministerium beim Københavns Byret Klagen mit dem Antrag, die Entscheidungen, mit denen ihre Anträge auf Erstattung der rechtswidrig erhobenen Ambi abgelehnt worden waren, für ungültig zu erklären. Die Ablehnung der Erstattung war damit begründet worden, dass die Einsparung, die diese Unternehmen in dem Zeitraum, in dem sie abgabenpflichtig in Bezug auf die Ambi gewesen seien, durch die Aufhebung der Arbeitgeberabgaben erzielt hätten, höher als die entrichteten Beträge an Ambi gewesen und daher die von diesen Unternehmen gezahlte Ambi zur Gänze verrechnet worden sei.

Die Klagen in den vier Rechtssachen wurden mit Urteil des Københavns Byret vom abgewiesen. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens legten daraufhin am 13. Januar 2003 Rechtsmittel an den Østre Landsret ein.

Aus der Vorlageentscheidung geht Folgendes hervor:

- Die KID-Holding A/S betrieb unter der Bezeichnung "Daells Varehus" große Warenhäuser mit vielen verschiedenen Produkten, darunter importierte Textilwaren. Dieses Unternehmen entrichtete 20 053 556 DKK an Ambi und sparte Arbeitgeberabgaben in Höhe von 23 151 291 DKK ein.

- Die Lady & Kid A/S betrieb unter den Bezeichnungen "Daells Discount A/S" und "Madeleine" Niedrigpreisgeschäfte und bot eine begrenzte Auswahl des Warensortiments von Daells Varehus an, zu einem großen Teil Textilwaren. Dieses Unternehmen entrichtete 779 986 DKK an Ambi und erzielte im selben Zeitraum eine Einsparung von 1 872 901 DKK an Arbeitgeberabgaben.

- Harald Nyborg betrieb einige Warenhäuser, in denen er u. a. Eisenwaren, Sportartikel, Autozubehör und landwirtschaftliche Geräte verkaufte. Dieses Unternehmen entrichtete 5 333 609 DKK an Ambi und sparte 3 322 105 DKK an Arbeitgeberabgaben ein.

- Direct Nyt betrieb ausschließlich einen Versandhandel mit importierten Waren. Dieses Unternehmen entrichtete 709 933 DKK an Ambi und erzielte demgegenüber keine Einsparung an Arbeitgeberabgaben, da es keine Arbeitnehmer beschäftigte.

Im Verfahren vor dem Østre Landsret erkannte das Skatteministerium an, dass Harald Nyborg und Direct Nyt in bestimmtem Umfang eingeführte Waren verkauft hätten, die im Wettbewerb mit dänischen Waren gestanden hätten, die mit hohen Lohnkosten belastet gewesen seien, dass die Aufhebung der Arbeitgeberabgaben keine Auswirkungen auf die Preise dänischer Waren mit hohem Lohnkostenanteil gehabt hätten und dass diese zwei Unternehmen daher ihre Preise aus Wettbewerbsgründen nicht um die mit der Ambi verbundenen Mehrkosten hätten erhöhen können. Da die Ambi daher nicht auf Dritte abgewälzt worden sei, beschloss das Skatteministerium, diesen Unternehmen die Ambi in Höhe von 760 349 DKK bzw. 319 469 DKK, jeweils zuzüglich Zinsen, zu erstatten.

In diesem Verfahren erzielten die Parteien des Ausgangsverfahrens auch Einigkeit darüber, dass 35 % der Einkäufe von Harald Nyborg in eingeführten Waren bestanden und 84 % der von diesem Unternehmen gezahlten Ambi sich auf diese Waren bezogen hätten, während 40 % der Einkäufe von Daells Varehus in eingeführten Waren bestanden und 94 % der von letzterem Unternehmen entrichteten Ambi sich auf diese Waren bezogen hätten. Ebenso erkannten diese Parteien an, dass die früheren Arbeitgeberabgaben den Handel mit eingeführten Waren und den Handel mit dänischen Waren verhältnismäßig gleich hoch belastet hätten.

Da die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens die Vereinbarkeit des nationalen Rechts und der abschlägigen Entscheidungen des Skatteministeriums mit dem Gemeinschaftsrecht in Frage stellten, sah es das Østre Landsret als erforderlich an, den Gerichtshof um Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Erstattung rechtsgrundlos entrichteter Beträge zu bitten. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist das Urteil des Gerichtshofs vom , Comateb u. a. (C-192/95 bis C-218/95, Slg. 1997, I-165), dahin zu verstehen, dass die Abwälzung einer rechtswidrigen Abgabe auf eine Ware voraussetzt, dass die Abgabe auf den Käufer der Ware bei dem einzelnen Geschäft abgewälzt worden ist, oder kann die Abwälzung auf die Preise auch bei den Preisen anderer Waren im Rahmen ganz anderer Geschäfte geschehen, die vor oder nach dem Verkauf der betreffenden Ware durchgeführt worden sind, z. B. dergestalt, dass die Abwälzung über einen Zeitraum von vier Jahren unter Einbeziehung einer großen Anzahl von Warengruppen, zu denen sowohl eingeführte als auch nicht eingeführte Waren gehören, insgesamt beurteilt wird?

2. Ist der gemeinschaftsrechtliche Begriff "Abwälzung" so zu verstehen, dass eine rechtswidrige Abgabe auf einen Warenverkauf als abgewälzt betrachtet werden kann, wenn der Preis der Ware im Verhältnis zu dem Preis, der unmittelbar vor der Einführung der Abgabe galt, erhöht worden ist, oder kann die Abgabe auch als abgewälzt betrachtet werden, wenn das abgabenpflichtige Unternehmen gleichzeitig mit der Einführung der rechtswidrigen Abgabe Einsparungen bei anderen Abgaben, die auf anderer Grundlage erhoben sind, erzielt hat und es daher seine Preise unverändert gelassen hat?

3. Ist der gemeinschaftsrechtliche Begriff "ungerechtfertigte Bereicherung" so zu verstehen, dass die Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe auf einen Warenverkauf zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führt, wenn das Unternehmen vor oder nach dem Verkauf der abgabenpflichtigen Ware Einsparungen aufgrund der Abschaffung anderer Abgaben, die auf anderer Grundlage erhoben werden, erzielt hat, wenn davon auszugehen ist, dass diese Abschaffung anderer Abgaben auch anderen Unternehmen, u. a. solchen, die die rechtswidrige Abgabe nicht oder nur in geringerem Umfang entrichtet hatten, zugutegekommen ist?

4. Wenn davon auszugehen ist, dass eine rechtswidrige Abgabe als Folge ihrer Ausgestaltung dazu geführt hat, dass Unternehmen, die eingeführte Waren gekauft haben, einen verhältnismäßig höheren Betrag an Abgaben entrichtet haben als Unternehmen, die in größerem Umfang inländische Waren gekauft haben, und dass gleichzeitig mit der Einführung der rechtswidrigen Abgabe eine andere rechtmäßige Abgabe, die auf anderer Grundlage erhoben wurde, abgeschafft wurde, die die beiden Unternehmen im Verhältnis in gleichem Umfang und ungeachtet der Zusammensetzung der Einkäufe des Unternehmens belastet hatte, stellen sich folgende Fragen:

a) Ist es nach Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt, die Erstattung der rechtswidrigen Abgabe an ein Unternehmen, das Waren einführt, unter Hinweis auf Abwälzung und ungerechtfertigte Bereicherung ganz oder teilweise abzulehnen, soweit die Ablehnung dazu führt, dass das Unternehmen dadurch, dass es die rechtswidrige Abgabe in größerem Umfang entrichtet hat als ein entsprechendes Unternehmen, das entsprechende Waren im Inland gekauft hat, unter sonst gleichen Umständen als Folge der Umstrukturierung der Abgaben und der Ablehnung der Erstattung schlechter gestellt wird als entsprechende Unternehmen, die in größerem Umfang inländische Waren gekauft haben?

b) Kann die Erstattung der rechtswidrigen Abgabe in der betreffenden Situation begrifflich zu einer "ungerechtfertigten Bereicherung" führen und damit abgelehnt werden, wenn die Erstattung - selbst wenn die Abgabe als abgewälzt betrachtet wird - erforderlich ist, um zu erreichen, dass die Wirkung der Umstrukturierung der Abgaben nach einer eventuellen Erstattung und unter sonst gleichen Umständen für Unternehmen, die Waren eingeführt haben, die gleiche bleibt wie für Unternehmen, die inländische Waren eingekauft haben?

c) Verstößt die Ablehnung der Erstattung in einer solchen Situation, die bewirkt, dass Unternehmen, die in größerem Umfang inländische Waren gekauft haben und damit im Vorteil gegenüber Unternehmen sind, die in größerem Umfang Waren eingeführt haben, in anderer Weise gegen das Gemeinschaftsrecht, u. a. gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, und

d) hat dann die Antwort auf die dritte Frage zur Folge, dass die Ablehnung der Erstattung der rechtswidrig erhobenen Abgaben unter Hinweis auf die ungerechtfertigte Bereicherung nicht berechtigt ist, soweit eine solche Erstattung bloß den Vorteil beseitigt, den Unternehmen, die Waren im Inland eingekauft haben, gegenüber Unternehmen haben, die in größerem Umfang Waren eingeführt haben?

Zu den Vorlagefragen

Zur zweiten und zur dritten Frage

Die zweite und die dritte Frage, die zuerst und gemeinsam zu prüfen sind, sind als Frage danach zu verstehen, ob im Fall der Rückforderung rechtsgrundlos entrichteter Beträge ausschließlich die Abwälzung einer rechtswidrigen Abgabe durch die Erhöhung des Preises für den Warenverkauf, auf den diese Abgabe erhoben wurde, zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabenpflichtigen führen kann oder ob auch eine Einsparung, die infolge einer gleichzeitigen Aufhebung anderer und auf einer anderen Bemessungsgrundlage erhobener Abgaben erzielt wurde, eine ungerechtfertigte Bereicherung bewirken kann, obwohl der Abgabenpflichtige seine Verkaufspreise nicht geändert hat.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den Einzelnen aus den Bestimmungen des Unionsrechts erwachsen, die diesen Abgaben entgegenstehen. Der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben zu erstatten (vgl. Urteile vom , San Giorgio, 199/82, Slg. 1983, 3595, Randnr. 12, vom , Michaïlidis, C-441/98 und C-442/98, Slg. 2000, I-7145, Randnr. 30, vom , Marks & Spencer, C-309/06, Slg. 2008, I-2283, Randnr. 35, sowie vom , Direct Parcel Distribution Belgium, C-264/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 45).

Als Ausnahme vom Grundsatz der Erstattung nicht mit dem Unionsrecht vereinbarer Abgaben kann jedoch die Rückzahlung einer rechtsgrundlos erhobenen Abgabe abgelehnt werden, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Berechtigten führt. Der Schutz der in diesem Bereich durch die Unionsrechtsordnung garantierten Rechte verlangt daher nicht die Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuern, Gebühren oder Abgaben, wenn die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogene Person sie nachweislich tatsächlich auf andere abgewälzt hat (vgl. Urteil Comateb u. a., Randnr. 21).

Unter diesen Umständen hat nämlich nicht der Abgabenpflichtige die Last der ohne Rechtsgrund erhobenen Abgabe getragen, sondern der Abnehmer, auf den die Last abgewälzt worden ist. Würde man daher dem Abgabenpflichtigen den Abgabenbetrag erstatten, den er bereits auf den Abnehmer abgewälzt hat, käme dies einer Doppelzahlung an ihn gleich, die als "ungerechtfertigte Bereicherung" angesehen werden kann, ohne dass damit die Folgen der Rechtswidrigkeit der Abgabe für den Abnehmer beseitigt wären (Urteil Comateb u. a., Randnr. 22).

Da jedoch eine solche Nichterstattung einer auf den Verkauf von Waren erhobenen Steuer eine Beschränkung eines aus dem Unionsrecht abgeleiteten subjektiven Rechts ist, ist sie eng auszulegen. Die unmittelbare Abwälzung der ohne Rechtsgrund gezahlten Abgabe auf den Abnehmer stellt daher die einzige Ausnahme vom Recht auf Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Abgaben dar.

Zudem hat der Gerichtshof entschieden, dass die Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Abgabe selbst dann, wenn sie nachweislich auf Dritte abgewälzt wurde, nicht zwangsläufig zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen muss, da ihm ein Schaden aus einem Absatzrückgang entstehen kann, wenn er diese Abgabe in die Preise einfließen lässt (vgl. Urteile Comateb u. a., Randnrn. 29 bis 32, Michaïlidis, Randnrn. 34 und 35, sowie vom , Weber's Wine World u. a, C-147/01, Slg. 2003, I-11365, Randnrn. 98 f.).

Ebenso kann ein Mitgliedstaat einen Antrag auf Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe nicht deshalb ablehnen, weil diese Abgabe wirtschaftlich mit der Aufhebung einer zulässigen Abgabe in entsprechender Höhe verrechnet worden ist.

Die Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe an einen Abgabepflichtigen, der ihren Betrag auf seine Kunden abgewälzt hat, kann nämlich zwar zu einer ungerechtfertigten Bereicherung dieses Abgabepflichtigen führen, doch gilt dies nicht für den Fall der Aufhebung anderer Abgaben, die mit der Einführung einer gegen das Unionsrecht verstoßenden Abgabe im Zusammenhang stehen soll.

Eine solche Aufhebung fällt unter die von dem Mitgliedstaat getroffenen Entscheidungen auf dem Gebiet der Besteuerung, die Ausdruck seiner allgemeinen Wirtschafts- und Sozialpolitik sind. Solche Entscheidungen können die unterschiedlichsten Folgen nach sich ziehen, die es - unabhängig von den Schwierigkeiten, mit denen die Feststellung verbunden sein kann, ob und in welchem Umfang tatsächlich einfach eine Abgabe an die Stelle einer anderen getreten ist - nicht zulassen, die in einem solchen Kontext erfolgende Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe als eine ungerechtfertigte Bereicherung anzusehen.

Diesem Ergebnis stehen die Urteile vom , McCarren (177/78, Slg. 1979, 2161), und vom , Apple and Pear Development Council (222/82, Slg. 1983, 4083), nicht entgegen. Auch wenn es nämlich der Gerichtshof in Randnr. 25 des Urteils McCarren und in Randnr. 41 des Urteils Apple and Pear Development Council nicht ausgeschlossen hat, dass das nationale Gericht die Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe nach innerstaatlichem Recht aus einem anderen Grund als wegen ihrer Abwälzung ablehnen kann, ist die unmittelbare Abwälzung der ohne Rechtsgrund gezahlten Steuer auf den Abnehmer, wie in Randnr. 20 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die einzige Ausnahme vom Recht auf Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Abgaben.

Auf die zweite und die dritte Frage ist daher zu antworten, dass die Rückforderung ohne Rechtsgrund entrichteter Beträge nur dann zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen kann, wenn die von einem Abgabenpflichtigen ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge, die in einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, unmittelbar auf den Abnehmer abgewälzt wurden. Das Unionsrecht verwehrt es daher einem Mitgliedstaat, die Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe mit der Begründung abzulehnen, dass die vom Abgabenpflichtigen rechtsgrundlos entrichteten Beträge mit einer Einsparung aus der gleichzeitigen Aufhebung anderer Abgaben verrechnet worden seien, da eine solche Verrechnung aus der Sicht des Unionsrechts nicht als ungerechtfertigte Bereicherung in Bezug auf die erstgenannte Abgabe angesehen werden kann.

Angesichts der Antwort auf die zweite und die dritte Frage brauchen die erste und die vierte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die Regeln des Unionsrechts über die Rückforderung rechtsgrundlos entrichteter Beträge sind dahin auszulegen, dass diese Rückforderung nur dann zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen kann, wenn die von einem Abgabenpflichtigen ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge, die in einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, unmittelbar auf den Abnehmer abgewälzt wurden. Das Unionsrecht verwehrt es daher einem Mitgliedstaat, die Erstattung einer rechtswidrigen Abgabe mit der Begründung abzulehnen, dass die vom Abgabenpflichtigen rechtsgrundlos entrichteten Beträge mit einer Einsparung aus der gleichzeitigen Aufhebung anderer Abgaben verrechnet worden seien, da eine solche Verrechnung aus der Sicht des Unionsrechts nicht als ungerechtfertigte Bereicherung in Bezug auf die erstgenannte Abgabe angesehen werden kann.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
HAAAD-91330