BAG Urteil v. - 8 AZR 18/10

Betriebsübergang - Zweiterwerber - Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung

Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 613a Abs 5 Nr 3 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 242 BGB

Instanzenzug: ArbG Chemnitz Az: 10 Ca 1407/08 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 765/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.

2Die Klägerin war seit dem bei der Deutschen Bundespost, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt.

3Zuletzt war die Klägerin für die Beklagte in der K (K) am Standort C tätig.

Mit Schreiben vom informierte die V GmbH (im Folgenden: V) die Klägerin über die beabsichtigte Veräußerung der K an die V zum und den hierdurch ausgelösten Betriebsübergang von der Beklagten auf die V. Auszugsweise lautet das Unterrichtungsschreiben:

5Mit Wirkung vom wurde der Betrieb der K auf die V übertragen. Die Klägerin arbeitete dort zunächst widerspruchslos weiter.

6Zum fand ein weiterer Betriebsübergang der K statt. Es erfolgte eine Übertragung von der V auf die A GmbH (im Folgenden: A). Diesem Betriebsübergang hatte die Klägerin gegenüber der V mit Schreiben vom widersprochen.

7Mit Anwaltsschreiben vom widersprach die Klägerin dann gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von dieser auf die V zum .

8Die Klägerin meint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht von der Beklagten auf die V übergegangen, weil sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen habe. Im Zeitpunkt des Widerspruchs sei die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen gewesen, da das Unterrichtungsschreiben vom , welches den Betriebsübergang von der Beklagten auf die V zum betraf, nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und inhaltlich unzureichend gewesen sei. Die Arbeitnehmer seien nicht vollständig über die Folgen des Betriebsübergangs, insbesondere nicht zutreffend über die geltenden Tarifverträge, Arbeitsbedingungen und die Haftungsverteilung informiert worden. Auch habe sie ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt, da sie keine Umstände gesetzt habe, die das Vertrauen der Beklagten hätten begründen können, das Widerspruchsrecht werde nicht mehr ausgeübt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

11Sie vertritt die Ansicht, der Widerspruch der Klägerin sei verspätet. Die Unterrichtung über den Betriebsübergang auf die V sei durch ihr Schreiben vom ordnungsgemäß erfolgt und habe die einmonatige Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt. Jedenfalls habe die Klägerin ihr Recht zum Widerspruch aber verwirkt. Das Zeitmoment der Verwirkung sei erfüllt, da die Klägerin ihre Tätigkeit nach der Unterrichtung widerspruchslos über neun Monate für die V fortgesetzt habe. Auch das Umstandsmoment sei gegeben, da die Klägerin mit Schreiben vom zunächst dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang von der V auf die A widersprochen habe und erst zweieinhalb Monate später dem zeitlich vorgelagerten ersten Betriebsübergang von der Beklagten auf die V. Wegen des zeitlich vorausgehenden Widerspruchs gegen den zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang sei bei der Beklagten ein Vertrauen darauf begründet worden, dass die Klägerin dem ersten Betriebsübergang nicht mehr widersprechen werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

13Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht über den hinaus fort. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen.

14I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Unterrichtungsschreiben der V vom habe nicht den Anforderungen des § 613a BGB entsprochen und mithin die Widerspruchsfrist für die Klägerin nicht in Lauf gesetzt. Daher sei der Widerspruch vom nicht verspätet und ihr Arbeitsverhältnis nicht auf die V übergegangen.

15Es könne dahinstehen, ob die Informationen in dem Unterrichtungsschreiben hinsichtlich der anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen genügend seien. Jedenfalls sei die Klägerin nicht hinreichend über das Haftungssystem des § 613a Abs. 2 BGB unterrichtet worden. Durch die Formulierungen in Ziffer II.9. des Unterrichtungsschreibens werde der Eindruck erweckt, es bestehe fortan eine alleinige Haftung der Übernehmerin.

16Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts sei nicht gegeben. Ob das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt sei, könne dahinstehen, da es am Umstandsmoment fehle. Die Klägerin habe keine Umstände gesetzt, die das Vertrauen der Beklagten in die Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts hätten rechtfertigen können. Insbesondere habe die Klägerin nicht in einer bei der Beklagten im Hinblick auf den Betriebsübergang vom vertrauensbegründenden Form über ihr Arbeitsverhältnis disponiert. Zwar habe die Klägerin dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang widersprochen und hierdurch einen erneuten Arbeitgeberwechsel verhindert. Hieraus habe aber die Beklagte nicht den Schluss ziehen dürfen, die Klägerin bestätige den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Auch die widerspruchslose Weiterarbeit der Klägerin ab dem (richtig wohl: ) bei der V begründe keine Verwirkung des Widerspruchsrechts.

17II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

181. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin durch das Schreiben der V vom über den am erfolgenden Betriebsübergang von der Beklagten auf die V nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entspricht, so dass der Widerspruch der Klägerin vom nicht verspätet war.

19Hierbei durfte das Landesarbeitsgericht offenlassen, ob die Unterrichtung über die weitere Anwendbarkeit bestimmter kollektivrechtlicher Regelungen beim Betriebserwerber zutreffend ist. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich zu Recht festgestellt, dass die Unterrichtung zumindest hinsichtlich des Haftungssystems des § 613a Abs. 2 BGB, insbesondere der gesamtschuldnerischen Nachhaftung rechtsfehlerhaft ist.

20a) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Die Unterrichtung muss präzise sein und darf keine juristischen Fehler enthalten ( - NZA 2008, 1354).

21Zu der erforderlichen Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB gehört ua. der Hinweis auf das Haftungssystem, welches sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB ergibt. Die gebotene Information beinhaltet auch die Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Hiernach haftet der bisherige Arbeitgeber gesamtschuldnerisch mit dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 BGB, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach dem Übergang fällig werden. Werden solche entstandenen Verpflichtungen erst nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie nur zeitanteilig.

22Nur die vollständige Darstellung des Haftungssystems versetzt die Arbeitnehmer in die Lage, gegebenenfalls näheren Rechtsrat einzuholen, wer in welchem Umfang für welche Ansprüche haftet ( - BAGE 131, 258 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).

23b) Dieses Haftungssystem wird im Unterrichtungsschreiben vom nicht zutreffend wiedergegeben. Während in Ziffer II.1. des Schreibens der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die V als neue Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs mit allen Rechten und Pflichten aufgezeigt wird, heißt es in Ziffer II.9.: „Die V haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die D AG zustanden“. Ziffer II.1. des Unterrichtungsschreibens bringt zum Ausdruck, dass Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind, ab diesem Zeitpunkt gegenüber der V bestehen. Ob für solche Ansprüche neben der V auch die Beklagte haftet, ergibt sich aus Ziffer II.1. nicht. Diese Frage wird auch durch Ziffer II.9. des Unterrichtungsschreibens nicht ausdrücklich beantwortet. Aus der Formulierung wird nicht klar, ob die Beklagte aus der Haftung ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ausscheidet, da die V „auch“ für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis haftet, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind. Entscheidende Bedeutung in der gewählten Formulierung besitzt das Wort „auch“. „Auch“ kann einerseits eine Haftung neben der Beklagten ausdrücken (nicht nur die Beklagte haftet, sondern auch die V). Andererseits kann „auch“ stattdessen zum Ausdruck bringen, dass die V nicht nur für Ansprüche ab dem Betriebsübergang, sondern auch für ältere Ansprüche (unbeschränkt) haftet.

24Allein wegen dieser unklaren und missverständlichen Formulierung ist die Unterrichtung nicht vollständig. Hinzu kommt, dass daneben jeglicher Hinweis auf die Begrenzung der Haftung der Beklagten nach § 613a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB fehlt. Ebenso wenig wird auf die Tatsache einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten und der V hingewiesen.

25c) Diese unzureichende Unterrichtung wird auch nicht dadurch vervollständigt und zutreffend, dass dem Unterrichtungsschreiben der Gesetzeswortlaut des § 613a BGB beigefügt ist. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht. Erforderlich ist eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache ( - AP BGB § 613a Nr. 318 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 63).

26d) Mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung ist die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB mit Zugang der Unterrichtung im Juli 2007 nicht in Lauf gesetzt worden (st. Rspr.,  - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).

272. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchs ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt.

28a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

29Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers (§ 613a Abs. 6 BGB) verwirken (vgl.  - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 12).

30b) Dem Landesarbeitsgericht ist dahin zu folgen, dass es vorliegend dahinstehen kann, ob das für das Vorliegen einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt ist. Die Klägerin hat jedenfalls kein Umstandsmoment verwirklicht.

31c) Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Verhaltens des Arbeitnehmers davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gegeben hat, er habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Regelmäßig ist dies anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat ( - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113). Eine solche Disposition über ihr Arbeitsverhältnis hat die Klägerin nicht getroffen.

32aa) Weder die widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers beim Betriebsübernehmer ( - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 8) noch etwaige Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch die einzelne Arbeitsbedingungen, etwa die Art und der Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder die Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden, stellen Sachverhalte dar, durch die das Umstandsmoment der Verwirkung ausgelöst ist. Im Gegensatz hierzu begründen Dispositionen des Arbeitnehmers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses an sich das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Als Dispositionen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sind nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers anzusehen, durch die es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Dies können insbesondere der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit dem Betriebserwerber oder die widerspruchslose Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung sein. Auch eine Vereinbarung mit dem Betriebsübernehmer, durch die das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird, die nicht mehr als Fortführung des bisherigen Vertrags angesehen werden kann, stellt eine Disposition über das Arbeitsverhältnis dar (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; vgl.  - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

33Kein Umstandsmoment begründet hingegen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung (vgl.  - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 9).

34bb) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird ( - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119). Dies ist vorliegend der Fall.

35Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Klägerin habe mit dem Widerspruch vom hinsichtlich des Betriebsübergangs von der V auf die A nicht über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses disponiert und daher ihr Recht zum Widerspruch am nicht verwirkt gehabt. Zutreffend stellt das Landesarbeitsgericht darauf ab, dass die Beklagte aus dem Widerspruch vom nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige mit diesem den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf eine arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Die Klägerin ist mit ihrem Widerspruch lediglich einer (weiteren) Änderung ihres Vertragspartners entgegengetreten, ohne hiermit eine Disposition oder Aussage über den Vertragspartner sowie den Inhalt und den Bestand ihres zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisses zu treffen. Sie hat nicht erklärt: „Ich will bei der V bleiben“, sondern: „Ich will nicht zur A wechseln“.

36Widerspricht der Arbeitnehmer (zunächst) dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines „Zweit-Betriebsübergangs“, ist dies dem Fall vergleichbar, in welchem der Arbeitnehmer zunächst, dh. vor Erklärung des Widerspruchs, gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Betriebserwerber Kündigungsschutzklage erhebt. In beiden Fallgestaltungen erklärt der Arbeitnehmer lediglich gegenüber dem Betriebserwerber, dass er einer Beendigung der aktuell bestehenden Arbeitsvertragsbeziehung entgegentritt. Einen weitergehenden Erklärungswert enthält grundsätzlich weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch der Widerspruch hinsichtlich eines Zweit-Betriebsübergangs.

373. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht deshalb revisionsrechtlich zu beanstanden, weil es sich - wie die Revision rügt - mit dem Wortlaut des Widerspruchsschreibens der Klägerin vom nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Das Berufungsgericht hat dieses Schreiben dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte aus ihm nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige durch das Schreiben den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten.

38Die Auslegung einer nichttypischen Erklärung, als welche sich das Widerspruchsschreiben der Klägerin vom darstellt, ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist lediglich, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung ist, außer Betracht gelassen worden ist (st. Rspr., vgl.  - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139). Dass dem Landesarbeitsgericht bei der Auslegung des Widerspruchsschreibens solche Rechtsfehler unterlaufen sind, ist nicht ersichtlich.

4. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 2292 Nr. 37
DB 2011 S. 2154 Nr. 38
VAAAD-90469