BGH Beschluss v. - 1 StR 37/11

Gewerbsmäßige Steuerhehlerei: Verkauf geschmuggelter Zigaretten; Anordnung des Verfalls von Wertersatz

Gesetze: § 73 Abs 1 S 1 StGB, § 73 Abs 1 S 2 StGB, § 71 AO, § 374 AO, § 1 TabStG, § 12 TabStG, § 19 TabStG, Art 4 Nr 10 ZK, § 111i Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Neuruppin Az: 13 KLs 333 Js 22299/09 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten und seine nicht revidierende Ehefrau wegen gemeinschaftlich begangener gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 23 Fällen zu zwei Jahren und neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Zugleich hat es festgestellt, „dass nicht auf Verfall erkannt worden ist, weil Ansprüche des Steuerfiskus entgegenstehen“ und „dass die Angeklagten aus den Taten ersparte Steueraufwendungen in Höhe von 411.057,77 € erlangt haben“.

2Die Revision des Angeklagten ist - soweit über sie nach der aus dem Tenor ersichtlichen Verfolgungsbeschränkung noch zu entscheiden ist - unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

31. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarben der Angeklagte und seine Ehefrau zwischen Juli und Dezember des Jahres 2009 von polnischen Lieferanten an verschiedenen Orten im Bundesgebiet in 23 Fällen auf unbekanntem Weg unverzollt eingeführte Zigaretten (im Wesentlichen der Marke „Jin Ling“), die sie an Zwischenhändler und Endabnehmer weiterveräußerten.

4Das Landgericht hat den Ankauf der Zigaretten als gewerbsmäßige Steuerhehlerei gemäß § 374 AO i.V.m. Art. 4 Nr. 10 des Zollkodexes und mit den §§ 19, 12 TabStG aF gewertet. Es ist zudem der Ansicht, der Angeklagte habe die von den Vortätern aufgrund ihrer Steuerstraftaten ersparten Steueraufwendungen (Tabaksteuer in Höhe von insgesamt 358.630,31 € und Zoll in Höhe von insgesamt 52.442,25 €) erlangt, wobei der Anordnung des Verfalls von Wertersatz Ansprüche des Steuerfiskus entgegenstünden (§ 111i Abs. 2 StPO, § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB).

52. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Eine Vortat i.S.d. § 374 AO lag schon deswegen vor, weil die Lieferanten beim Verbringen der Zigaretten in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland die hierbei entstehende Tabaksteuer (vgl. § 19 TabStG in der auch nach Änderung des TabStG für den Tatzeitraum maßgeblichen Fassung) hinterzogen hatten. Die Tabaksteuer ist eine Verbrauchsteuer i.S.d. Abgabenordnung (§ 1 Satz 3 TabStG aF = § 1 Abs. 1 Satz 3 TabStG). Den Umstand, dass für diese Zigaretten zuvor überdies Einfuhrabgaben i.S.d. Art. 4 Nr. 10 des Zollkodexes hinterzogen worden waren, kann der Senat schon daraus entnehmen, dass es sich im Wesentlichen um Zigaretten der Marke „Jin Ling“ handelte (vgl. ). Anhaltspunkte dafür, dass die verfahrensgegenständlichen Zigaretten nicht in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt, sondern dort hergestellt worden sein könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

6Der Umstand, dass der Angeklagte lediglich wegen Steuerhehlerei gemäß § 374 AO und nicht auch wegen der vom Anklagevorwurf mitumfassten (§ 264 StPO) und nicht gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommenen Tabaksteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 19 TabStG aF verurteilt worden ist (der Angeklagte war Empfänger i.S.v. § 19 TabStG aF), beschwert den Angeklagten nicht (vgl. zu Konkurrenzen und Strafzumessung insoweit auch ).

73. Auch der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Zwar ist die Strafzumessung nicht frei von Rechtsfehlern; die verhängten Strafen sind aber angemessen i.S.v. § 354a Abs. 1a Satz 1 StPO.

8Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht der Strafzumessung die Handelsmenge und damit die Höhe der durch die jeweilige Vortat hinterzogenen Verbrauchsteuern und Einfuhrabgaben zugrunde gelegt. Dies entspricht dem von § 374 AO unter Strafe gestellten Tatunrecht, das in der Aufrechterhaltung eines vom Vortäter geschaffenen steuerrechtswidrigen Zustands liegt (vgl. , wistra 2008, 105, 106; Jäger in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 374 AO Rn. 2).

9Jedoch begnügt sich das Landgericht hinsichtlich der „bei der Einfuhr nicht abgeführten Abgaben“ (UA S. 20) - im Gegensatz zu der im Einzelnen dargelegten Berechnung der hinterzogenen Tabaksteuerbeträge - auf die Angabe eines Gesamtbetrags. Berechnungsgrundlagen sind weder festgestellt noch ersichtlich. Dies stellt - wie auch sonst das Fehlen von Feststellungen zu den für die Besteuerung maßgeblichen Parametern (Besteuerungsgrundlagen) - einen Rechtsfehler dar (vgl. , NStZ 2009, 639; , NStZ 2001, 200). Die „angesichts der Vielzahl der Einzeltaten … niedrige Gesamtfreiheitsstrafe“ (UA S. 23) ist jedoch ebenso wie die Einzelstrafen - unter Berücksichtigung aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände - angemessen, selbst wenn der Betrag hinterzogener Einfuhrabgaben neben der Tabaksteuer gänzlich unberücksichtigt bliebe (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Diese Wertung im Antrag des Generalbundesanwalts teilt der Senat. Sie wird von den im Übrigen rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts getragen; die Anforderungen an die Anwendung des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO (vgl. , 2 BvR 136/05, BVerfGE 118, 212) sind gegeben.

104. Der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den Umfang des Erlangten unzutreffend bestimmt, indem es angenommen hat, der Angeklagte habe die von den Vortätern ersparten Aufwendungen für Verbrauchsteuern und Zoll erlangt.

11Zwar kann ein Täter auch dadurch etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO erlangen, dass er sich Aufwendungen erspart. Infolgedessen kann bei einer Steuerhinterziehung auch ein Betrag in Höhe nicht gezahlter Steuern dem Verfall von Wertersatz unterliegen (, wistra 2010, 406), wobei allerdings der Verfallsanordnung regelmäßig Ansprüche des Steuerfiskus i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen (vgl. , NStZ 2001, 155). Das Landgericht hat jedoch nicht beachtet, dass der Steuerhehler weder aus der Tat noch für die Tat die vom „Importeur“ hinterzogenen Steuern und Abgaben erlangt. Er erspart sich „aus der Tat“ auch nicht Aufwendungen, nur weil er wegen der Tat für die (zuvor) verkürzten Steuern gemäß § 71 AO gesamtschuldnerisch haftet. Vielmehr erlangt der Steuerhehler, indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös. Die Aufwendungen des Steuerhehlers für den Erwerb der Zigaretten bleiben dabei unberücksichtigt (Bruttoprinzip; vgl. , NStZ 2011, 83 mwN). Ist der Steuerhehler auch Empfänger i.S.d. § 19 TabStG aF, hat er daneben die Aufwendungen für die beim Verbringen der Zigaretten in das deutsche Steuergebiet entstandene Tabaksteuer erspart. Die Hinterziehung von Tabaksteuer ist hier indes nicht Gegenstand der Verurteilung.

12Der Senat beschränkt den Rechtsfolgenausspruch mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf die gegen den Angeklagten verhängten Strafen (§ 430 Abs. 1, § 442 Abs. 1 StPO). Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts jetzt weitgehend vermögenslos ist, würde die Verfallsanordnung neben den verhängten Strafen - wirtschaftlich - nicht ins Gewicht fallen.

Fundstelle(n):
AO-StB 2012 S. 24 Nr. 1
BFH/NV 2011 S. 1821 Nr. 10
wistra 2011 S. 394 Nr. 10
VAAAD-88425