BGH Beschluss v. - V ZB 184/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Bremen, 10 T 88/10 (b) vom AG Bremen, 92 XIV 57/10 vom

Gründe

I. Die Betroffene, eine mit einem Spanier verheiratete nigerianische Staatsangehörige, reiste im Dezember 2009 in die Bundesrepublik ein, um der Prostitution nachzugehen. Sie verfügte über einen nigerianischen Nationalpass und einen spanischen Aufenthaltstitel, jedoch nicht über eine Arbeitserlaubnis der deutschen Behörden. Anlässlich eines bundesweiten Kontrolltags wurde sie am in einem Bordell in B. von der Polizei wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts festgenommen und dazu als Beschuldigte vernommen.

Die Beteiligte zu 2 wies die Betroffene unter Androhung der Abschiebung nach Spanien mit Verfügung vom wegen des Vorwurfs unerlaubter Arbeitsaufnahme aus dem Bundesgebiet aus. Auf ihren Antrag ordnete das Amtsgericht an diesem Tag gegen die Betroffene die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum an.

Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Amtsgericht am die Haftanordnung aufgehoben, weil die Betroffene ein Flugticket für den vorgelegt hatte. Ihr Antrag, festzustellen, dass die Haft von Anfang an rechtswidrig war, hat weder im Abhilfeverfahren noch vor dem Beschwerdegericht Erfolg gehabt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Betroffene den Fortsetzungsfeststellungsantrag weiter.

II. Das Beschwerdegericht hat den Haftgrund der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bejaht. Die Betroffene sei zwar im Besitz einer spanischen Aufenthaltserlaubnis gewesen, die sie nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen grundsätzlich auch zum vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland berechtigt habe. Sie habe indessen entgegen den Vorgaben des Schengener Grenzkodex nicht über ausreichende Mittel zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts verfügt und sich diese erst durch die Prostitution verdienen wollen. Für eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet habe sie eines besonderen Aufenthaltstitels nach § 4 AufenthG bedurft.

Bis zur Vorlage des Flugtickets sei zu befürchten gewesen, dass die Betroffene die Bundesrepublik nicht freiwillig verlassen, sondern untertauchen werde.

III. 1. Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschlüsse vom - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360 und vom - V ZB 96/10, Rn. 10, juris) Rechtsbeschwerde ist gemäß § 71 FamFG form- und fristgerecht eingelegt.

Hat - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden, geht es im Rechtsbeschwerdeverfahren allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist allerdings inzident auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen (vgl. Senat, Beschlüsse vom - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4 und vom - V ZB 96/10, Rn. 11, juris).

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält dieser rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Rechtsmittel der Betroffenen ist begründet.

Die Betroffene ist in ihrem Freiheitsgrundrecht verletzt worden. Die Haft zur Sicherung der Abschiebung hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem nach § 417 FamFG zulässigen Antrag der Beteiligten zu 2 auf Anordnung der Freiheitsentziehung fehlte. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12 und vom - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7).

a) Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 218/09, aaO., Rn. 14 und vom - V ZB 28/10, aaO., Rn. 8). Für Abschiebungshaftanträge werden nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt.

b) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 genügte diesen Anforderungen nicht, weil diese darin nichts zu dem für die Abschiebung der Betroffenen nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmen der Staatsanwaltschaft ausgeführt hat.

aa) Der Senat hat - allerdings erst nach Erlass der Haftanordnung - entschieden, dass solange das für die Abschiebung des Ausländers erforderliche Einvernehmen der Strafverfolgungsbehörde nicht vorliegt, auch eine Haft zu deren Sicherung nicht angeordnet werden darf (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574, 1575 Rn. 8, vom - V ZB 211/10, Rn. 10, juris und vom - V ZB 226/10, Rn. 22, juris).

bb) Ergibt sich bereits aus dem Haftantrag oder den diesem beigefügten Anlagen, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, stellt sich das Fehlen von Ausführungen zum Einvernehmen der Staatsanwaltschaft als ein Begründungsmangel dar, der zur Unzulässigkeit des Haftantrags führt (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 226/10, Rn. 9, juris und vom - V ZB 224/10, Rn. 7, juris). So ist es hier.

Nach der von der Beteiligten zu 2 vorgelegten und von dem Amtsgericht beigezogenen Ausländerakte war die Betroffene wegen des Verdachts einer Straftat nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel) festgenommen und als Beschuldigte vernommen worden. Damit war - wovon das Amtsgericht auch zutreffend ausgegangen ist - ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet (vgl. , NJW 2003, 3142, 3143). Die Durchführung der Abschiebung hing daher nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG von dem Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft ab (Senat, Beschluss vom - V ZB 224/10, Rn. 9, juris).

cc) Der Hinweis des Gerichts auf die gerichtsbekannte Praxis der Staatsanwaltschaft B., ihr Einvernehmen mit der Abschiebung zu erklären, wenn es sich lediglich um Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz geht, vermag die nach der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erforderlichen Angaben im Haftantrag der Behörde schon deshalb nicht zu ersetzen, weil das staatsanwaltschaftliche Einvernehmen mit der Abschiebung des Ausländers Voraussetzung für die Anordnung der Haft ist. Dass die zuständige Staatsanwaltschaft B. für diese Fälle generell vorab ihr Einvernehmen zur Abschiebung der Ausländer erklärt hätte (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 224/10, Rn. 18, juris), ist jedoch weder vorgetragen noch festgestellt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die F., als diejenige Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG), zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Fundstelle(n):
GAAAD-85102