BAG Urteil v. - 6 AZR 719/09

Diakonische Einrichtung - Bezugnahme auf Arbeitsordnung

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 612 Abs 2 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB

Instanzenzug: Az: 5 Ca 190/08 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 26 Sa 2299/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW-EKD) nach Maßgabe der von der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz beschlossenen Arbeitsrechtsregelung (AVR-DWBO) auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

Die Beklagte erbringt Leistungen zur beruflichen Rehabilitation junger Menschen mit Behinderungen. Sie ist Mitglied des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) e. V. In der Satzung dieses Vereins heißt es ua.:

Die Klägerin ist Heilerziehungspflegerin. Sie war ab dem aufgrund eines bis zum befristeten Arbeitsvertrags vom bei der Beklagten beschäftigt. Nach diesem am bis zum verlängerten Arbeitsvertrag richtete sich das Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Vergütung nach der AVR-DWBO und im Übrigen nach den AVR-DW-EKD. Seit dem ist die Klägerin aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrags vom bei der Beklagten tätig. § 2 dieses Vertrags regelt ua.:

4Die Mitarbeitervertretung der Beklagten verweigerte ihre Zustimmung sowohl zur unbefristeten Einstellung als auch zur Eingruppierung der Klägerin nach der AO-BBW. In einem Schreiben vom teilte die Beklagte der Klägerin ua. mit, dass der Widerspruch der Mitarbeitervertretung gegen ihre Einstellung und Eingruppierung am vor der Schieds- und Schlichtungsstelle des DWBO verhandelt worden ist, der geschlossene Dienstvertrag Gültigkeit behält, allerdings bis zur Zustimmung der Mitarbeitervertretung oder einer entsprechenden Zustimmungsersetzung durch die Schiedsstelle rückwirkend ab dem die AVR-DWBO auf das Dienstverhältnis anzuwenden ist. Mit Beschluss vom entschied die Schieds- und Schlichtungsstelle, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund hatte, die Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung der Klägerin zu verweigern. Darüber informierte die Beklagte die Klägerin in einem Schreiben vom und teilte der Klägerin zugleich mit, dass sich das Arbeitsverhältnis ab dem nach der Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung hinsichtlich der Vergütung und der Arbeitszeit nach der AO-BBW richtet.

5Mit einem Schreiben vom beantragte die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 6 Satz 2 der Satzung des DWBO beim Diakonischen Rat die Genehmigung, statt der AVR-DWBO die AO-BBW anzuwenden. Am beschloss der Diakonische Rat, dem Antrag der Beklagten vom zu entsprechen. Mit einem Beschluss vom (- II-0124/R18-09 -) wies der Zweite Senat für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland in einem mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschwerdeverfahren ua. den Antrag der Mitarbeitervertretung zurück, der Beklagten die Anwendung der AO-BBW zu untersagen.

6Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe die AVR-DWBO bzw. die AVR-DW-EKD auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Die der Beklagten vom Diakonischen Rat erteilte Ausnahmegenehmigung sei nicht wirksam, weil die Arbeitsrechtliche Kommission im Genehmigungsverfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Die staatlichen Gerichte seien nicht an die Entscheidung des Kirchengerichtshofs gebunden. Im Arbeitsvertrag vom sei zwar die Anwendung der AO-BBW vereinbart worden, diese Vereinbarung sei jedoch durch die konkludent getroffene Abrede ersetzt worden, dass sich das Arbeitsverhältnis nach der AVR-DWBO bzw. den AVR-DW-EKD bestimmt. Eine arbeitsvertragliche Verweisung auf die AO-BBW in der jeweils geltenden Fassung wäre wegen Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Nr. 4 BGB und § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Aufgrund der Unwirksamkeit der Verweisungsklausel fänden die AVR-DWBO bzw. die AVR-DW-EKD auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Bei ca. 70 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten richte sich die Vergütung nach der AVR-DWBO. Selbst wenn die AVR-DWBO nicht als Taxe iSd. § 612 Abs. 2 BGB anzusehen sei, stelle die in ihr geregelte Vergütung doch die übliche Vergütung dar. Vor dem Hintergrund der Rechtsfigur der ergänzenden Vertragsauslegung könne für die übrigen Arbeitsbedingungen nichts anderes gelten. Angesichts der seit vielen Jahren üblichen Anwendung der AVR-DWBO bei der Beklagten hätten die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der Verweisung auf die AO-BBW nicht nur gesetzliche Mindeststandards, sondern die AVR-DWBO vereinbart.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

8Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die AO-BBW sei im Arbeitsvertrag vom wirksam in Bezug genommen worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Gründe

10Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem nicht nach der AVR-DWBO bzw. nicht nach den AVR-DW-EKD richtet.

11I. Die Revision ist mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils unzulässig, soweit das Landesarbeitsgericht die Feststellungsklage mangels eines Feststellungsinteresses der Klägerin als unzulässig abgewiesen hat.

121. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung hat sich daher mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll ( - Rn. 13, AP ZPO § 551 Nr. 65 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 8). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Revisionskläger das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (vgl.  - Rn. 13, NZA 2010, 1446).

132. Hiernach enthält die Revisionsbegründung der Klägerin keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils, soweit das Landesarbeitsgericht die Klage teilweise als unzulässig abgewiesen hat. Die Revisionsbegründung der Klägerin erschöpft sich insoweit in dem bloßen Hinweis auf die vom Landesarbeitsgericht angenommene teilweise Unzulässigkeit der Klage.

14II. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin zulässig, aber unbegründet.

151. Soweit der Feststellungsantrag die Zeit ab dem erfasst, ist die Klage zulässig.

16a) Der Antrag bedarf allerdings der Auslegung dahingehend, dass die Klägerin nur festgestellt haben will, dass auf das Arbeitsverhältnis die AVR-DWBO bezüglich der Vergütung und die AVR-DW-EKD hinsichtlich der übrigen Arbeitsbedingungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Soweit die Antragsformulierung die AO-BBW erfasst, begehrt die Klägerin nicht im Wege einer eigenständigen negativen Feststellungsklage die Feststellung, dass sich das Arbeitsverhältnis nicht nach der AO-BBW richtet. Der Antragswortlaut schließt ein solches Verständnis zwar nicht aus. Der Umstand, dass die auf die AO-BBW bezogene Formulierung im Hilfsantrag wiederholt wird, spricht jedoch dafür, dass sie nur der Klarstellung dient. Ein eigenständiger, auf die Nichtanwendung der AO-BBW bezogener Feststellungsantrag wäre von dem Eventualverhältnis zwischen Haupt- und Hilfsantrag nicht betroffen. Die Wiederholung der auf die Nichtanwendung der AO-BBW bezogenen Formulierung im Hilfsantrag ist deshalb nur dann nicht sinnwidrig, wenn diese Formulierung nicht als eigenständiger Klageantrag verstanden wird. Auch die gebotene interessengerechte Auslegung des Klageantrags gibt dieses Ergebnis vor. Wird davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem Klageantrag das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl.  - Rn. 17, AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 32 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 88), muss der Klageantrag als einheitlicher Feststellungsantrag ausgelegt werden. Eine negative Feststellungsklage wäre mangels des nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresses nicht zulässig, weil mit der Feststellung, dass die AO-BBW auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet, noch nicht geklärt wäre, nach welchen anderen Regelungen sich das Arbeitsverhältnis richtet.

17b) Der Antrag ist ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Abgrenzung zwischen der beanspruchten Anwendung der AVR-DWBO einerseits und den AVR-DW-EKD andererseits kann dem Antrag selbst allerdings nicht mit der an sich erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden. Zwischen den Parteien besteht jedoch kein Streit über die Abgrenzung. Die Beklagte hat im Arbeitsvertrag der Parteien vom für das befristete Arbeitsverhältnis selbst keine andere, detailliertere Abgrenzung vorgenommen. Im Übrigen regelt § 1a Abs. 2 Satz 1 AVR-DW-EKD, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien nach Maßgabe der gliedkirchlich-diakonischen Arbeitsrechtsregelung gelten, wenn für den Bereich eines oder mehrerer gliedkirchlich-diakonischer Werke eine Arbeitsrechtliche Kommission gebildet ist. Von dieser Abgrenzung gehen auch die Parteien aus.

18c) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann ( - 6 AZR 84/99 -; - 6 AZR 494/97 -; - 6 AZR 667/94 - BAGE 79, 224, 226; - 4 AZR 784/07 - Rn. 11, BAGE 128, 165). Für die Frage der Anwendung einer kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsregelung gilt in Bezug auf das Feststellungsinteresse nichts anderes. Der teilweise Vergangenheitsbezug der Feststellungsklage steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Klägerin insoweit aus der Anwendung der AVR-DWBO Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt.

192. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich weder nach der AVR-DWBO noch nach den AVR-DW-EKD. Für die Anwendung dieser Regelungen fehlt eine rechtliche Grundlage.

20a) Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entfalten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung, sondern können als vom jeweiligen Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (vgl. - 6 AZR 847/07 - ZTR 2010, 658; - 4 AZR 801/07 - BAGE 129, 1; - 6 AZR 307/06 - Rn. 12, BAGE 120, 55; - 4 AZR 1/06 - Rn. 20, ZMV 2007, 148; - 6 AZR 160/05 - Rn. 17, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7; - 4 AZR 412/04 - Rn. 53 ff., AP MitarbeitervertretungsG-EK Rheinland-Westfalen § 42 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6). Dies bewirkt, dass mangels einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme die AVR-DWBO auch dann auf das Arbeitverhältnis der Parteien keine Anwendung fände, wenn die der Beklagten vom Diakonischen Rat erteilte Ausnahmegenehmigung entgegen der Annahme des Zweiten Senats für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht wirksam wäre.

21b) Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom nicht vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach der AVR-DWBO bzw. den AVR-DW-EKD richtet. Vielmehr haben sie in diesem Vertrag geregelt, dass die AO-BBW in der jeweils geltenden Fassung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet, sofern nichts anderes vereinbart ist.

22c) Mit dem Schreiben vom hat die Beklagte der Klägerin zwar mitgeteilt, dass sie bis zur Zustimmung der Mitarbeitervertretung oder einer entsprechenden Zustimmungsersetzung durch die Schiedsstelle rückwirkend ab dem die AVR-DWBO auf das Dienstverhältnis anwendet. Selbst wenn zugunsten der Klägerin angenommen würde, dass die Beklagte ihr damit die Anwendung der AVR-DWBO auf das Arbeitsverhältnis angetragen und die Klägerin das Angebot gemäß § 151 Satz 1 BGB ohne ausdrückliche Erklärung angenommen hat, wäre eine vereinbarte Anwendung der AVR-DWBO jedenfalls an eine auflösende Bedingung geknüpft, die mit der Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Einstellung und Eingruppierung der Klägerin durch den Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle vom eingetreten ist. Damit wäre gemäß § 158 Abs. 2 BGB der frühere Rechtszustand wieder hergestellt worden mit der Folge, dass die im Arbeitsvertrag vom getroffenen Vereinbarungen wieder maßgebend sind. Es wäre auch interessengerecht gewesen, abweichend von der im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Bezugnahme auf die AO-BBW die Anwendung der AVR-DWBO nur so lange zu vereinbaren, bis die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Anwendung der AO-BBW vorliegt oder ersetzt worden ist, so dass eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht kommt. Es entsprach einem begründeten und billigenswerten Interesse der Beklagten, einerseits an den mit der Klägerin im Arbeitsvertrag vom getroffenen Vereinbarungen festzuhalten und andererseits die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung zu achten. Dieses Interesse der Beklagten überwiegt das Interesse der Klägerin an der unbedingten und unbefristeten Anwendung der AVR-DWBO, mit der sie aufgrund der im Arbeitsvertrag vom getroffenen Regelung nicht auf Dauer rechnen durfte.

23d) Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe mit der Beklagten die Anwendung der AVR-DWBO konkludent vereinbart, steht dem entgegen, dass die Beklagte die Anwendung der AVR-DWBO im Schreiben vom ausdrücklich nur bis zur Zustimmung der Mitarbeitervertretung bzw. deren Ersetzung durch die Schiedsstelle zugesagt hat. Zwar ist die Zustimmung der Mitarbeitervertretung bereits mit dem Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle vom ersetzt worden. Wenn die Beklagte die AVR-DWBO über diesen Tag hinaus bis zum angewandt hat, kann daraus aber noch keine konkludente Vereinbarung der Parteien abgeleitet werden, dass sich das Arbeitsverhältnis auf Dauer nach der AVR-DWBO richten sollte, zumal die Beklagte die Klägerin bereits im Schreiben vom darauf hingewiesen hat, dass sich das Arbeitsverhältnis ab dem nach der AO-BBW richtet.

24e) Eine Anwendung der AVR-DWBO bzw. der AVR-DW-EKD auf das Arbeitsverhältnis folgt nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ungeachtet seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung wird dieser Grundsatz inhaltlich durch den Gleichheitssatz bestimmt (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 29 mwN). Er knüpft an eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers an und gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (Senat - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, AP BGB § 620 Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 10). Eine solche hat die Beklagte nicht dadurch vorgenommen, dass sie ab dem in neuen Arbeitsverträgen nicht mehr die Anwendung der AVR-DWBO, sondern der AO-BBW vereinbart hat. Es handelt sich um eine zulässige Stichtagsregelung, ohne die eine Umstellung eines Vergütungssystems nicht durchführbar wäre (Senat - 6 AZR 382/09 - Rn. 33; - 6 AZR 64/03 - BAGE 109, 110, 120). Soweit die Beklagte auf vor dem Stichtag begründete Arbeitsverhältnisse die AVR-DWBO anwendet, liegt keine Begünstigung einer Beschäftigtengruppe aufgrund einer verteilenden Entscheidung der Beklagten vor. Damit erfüllt die Beklagte nur ihre vor dem Stichtag eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen.

25f) Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich ihr Anspruch auf Anwendung der AVR-DWBO bzw. der AVR-DW-EKD auch nicht aus § 612 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist (Senat - 6 AZR 287/04 - Rn. 19;  - AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 38 = EzA BGB § 612 Nr. 17). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Vergütung der Klägerin ist in der AO-BBW geregelt, auf die im Arbeitsvertrag vom verwiesen wurde. Darüber hinaus wäre die in der AVR-DWBO vorgesehene Vergütung auch nicht die übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB.

26aa) Das Landesarbeitsgericht hat unter Hinweis auf die Entscheidung des - 10 AZR 222/08 - Rn. 24, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9) zutreffend angenommen, dass eine Unwirksamkeit der Jeweiligkeitsklausel im Arbeitsvertrag vom nicht insgesamt die Unwirksamkeit der Bezugnahme auf die AO-BBW begründen würde. Die Verweisungsklausel ist teilbar. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels einer Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift“ zu ermitteln (vgl. zum sog. blue-pencil-Test  - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33; - 8 AZR 425/04 - AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3). Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. So verhält es sich hier. Werden die Worte „in der jeweils geltenden Fassung“ in § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom gestrichen, wird die AO-BBW in der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags gültigen Fassung in Bezug genommen, so dass sich die Vergütung der Klägerin danach bestimmt.

27bb) Selbst wenn zugunsten der Klägerin angenommen würde, dass die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf die AO-BBW insgesamt unwirksam und damit die Höhe der Vergütung der Klägerin iSv. § 612 Abs. 2 BGB nicht bestimmt wäre, würde daraus nicht die von der Klägerin beanspruchte Anwendung der AVR-DWBO bzw. der AVR-DW-EKD auf das Arbeitsverhältnis folgen.

28(1) Soweit die Klägerin die Anwendung von Vorschriften der AVR-DWBO oder der AVR-DW-EKD auf ihr Arbeitsverhältnis begehrt, die nicht die Höhe der Vergütung regeln, scheidet § 612 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage von vornherein aus.

29(2) Die AVR-DWBO beinhaltet keine taxmäßige Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB. Taxen sind nach Bundes- oder Landesrecht festgelegte Vergütungssätze. Für Arbeitsverhältnisse bestehen solche Taxen nicht (ErfK/Preis 11. Aufl. § 612 BGB Rn. 36).

30(3) Die in der AVR-DWBO vorgesehene Vergütung wäre auch nicht die gemäß § 612 Abs. 2 BGB übliche Vergütung. Üblich im Sinne dieser Vorschrift ist die Vergütung, die am gleichen Ort in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen für entsprechende Arbeit unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Dienstleistenden bezahlt zu werden pflegt, wobei für Arbeitnehmer häufig die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung ist (MünchKommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 612 Rn. 29 f. mwN). Maßgeblich ist damit nicht die vom Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gezahlte Vergütung, sondern die verkehrsübliche Vergütung in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis ( - Rn. 26, BAGE 118, 66; - 5 AZR 303/03 - BAGE 110, 79, 83). Deshalb käme es nicht darauf an, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, wonach ca. 70 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach der AVR-DWBO vergütet werden.

31(4) Der Annahme der Klägerin, die in der AVR-DWBO geregelte Vergütung sei die übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB, steht entgegen, dass die Einrichtungen des DWBO nicht einem Wirtschaftskreis, sondern einer Vielzahl von Wirtschaftskreisen angehören. Diese Einrichtungen erbringen nicht ausschließlich wie die Beklagte Leistungen zur beruflichen Rehabilitation junger Menschen mit Behinderungen. Sie bieten sehr unterschiedliche Pflege-, Betreuungs-, Beratungs- und Serviceleistungen an, insbesondere im Bereich der Wohlfahrtspflege. Maßgeblich für die Üblichkeit der Vergütung wäre der Wirtschaftskreis der Berufsbildungswerke in Brandenburg. Dafür, dass der AVR-DWBO in diesem Wirtschaftskreis eine ähnliche Funktion zukommt wie einem regionalen, branchenspezifischen Vergütungstarifvertrag für Berufsbildungswerke, fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Klägerin hat eine solche Funktion der AVR-DWBO auch nicht behauptet.

323. Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden. Die Klägerin hat ihn für den Fall gestellt, dass ihrem Hauptantrag nicht stattgegeben wird, weil sich dieser sowohl auf die Anwendung der AVR-DWBO als auch auf die Anwendung der AVR-DW-EKD bezieht. Aus diesem Grund ist der Hauptantrag nicht abgewiesen worden. Der spätere Zeitpunkt, ab dem die Klägerin die Anwendung der AVR-DWBO nach ihrem Hilfsantrag begehrt, hat keine eigenständige Bedeutung. Wäre der Hauptantrag zwar nicht ab dem , jedoch ab dem begründet gewesen, hätte der Klägerin dieses „Weniger“ auch ohne den Hilfsantrag zuerkannt werden müssen (vgl.  - Rn. 16 f. mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 308 = EzTöD 400 Eingruppierung BAT Allg. Verwaltungsdienst VergGr. VIb Nr. 1).

III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
AAAAD-81848