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Einräumung und Übertragung von Gewichtsguthaben an Edelmetallen

1. Abgabe von Scheidegut an eine Scheideanstalt gegen Gutschrift auf einem Gewichtskonto

Bei der Anlieferung von Scheidegut an eine Scheideanstalt bestimmen sich die Leistungsbeziehungen nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen. Die Verbuchung auf einem Gewichtskonto ist für die umsatzsteuerliche Beurteilung allein nicht maßgeblich.

Die Abgabe von Scheidegut an Scheideanstalten gegen Gutschrift auf dem Gewichtskonto stellt keine Lieferung an die Scheideanstalt dar, wenn durch die Gutschrift auf dem Gewichtskonto die Verfügungsmacht an dem Edelmetall beim Anlieferer verbleiben soll. Der Anlieferer hat einen Anspruch auf Herausgabe von Edelmetall hinsichtlich der ihm gutgeschriebenen Menge (Miteigentumsanteil). Die Scheideanstalt erbringt in diesem Fall mit der Scheidung der Edelmetalle eine sonstige Leistung.

Beispiel 1

Schmuckhersteller H übergibt Scheidegut an eine Scheideanstalt. Die Edelmetallgehalte werden seinem Gewichtskonto bei der Scheideanstalt gutgeschrieben. Die Scheideanstalt stellt ihm die Scheidekosten für Schmelz-, Scheide- und Analyseleistungen in Rechnung.

Die Anlieferung des Scheideguts stellt keinen Umsatz dar. Die Scheideanstalt erbringt mit den Scheideleistungen (Schmelz-, Scheide- und Analyseleistungen) eine sonstige Leistung an H.

Beispiel 2

Schmuckhersteller H übergibt Scheidegut an eine Scheideanstalt. Die Edelmetallgehalte werden seinem Gewichtskonto bei der Scheideanstalt gutgeschrieben. Die Scheideanstalt stellt keine Scheidekosten in Rechnung, sondern vermindert die Gutschrift des Feingoldgehalts.

Die Anlieferung des Scheideguts stellt insoweit keinen Umsatz dar als die Edelmetallgehalte dem Gewichtskonto des H gutgeschrieben werden. Die Scheideanstalt erbringt mit der Scheideleistung eine sonstige Leistung an H. Entgelt für diese Leistung ist die anteilige Lieferung von Edelmetall (tauschähnlicher Umsatz). Hierfür ist die Scheideanstalt Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 9 i. V. mit Abs. 5 UStG (vgl. Beispiel 3).

Die Abgabe von Scheidegut an Scheideanstalten gegen Gutschrift auf dem Gewichtskonto stellt eine Lieferung an die Scheideanstalt dar, wenn das Gewichtskonto lediglich dazu dient, die Anlieferung an die Scheideanstalt abzuwickeln. In diesen Fällen hat der Anlieferer nur Anspruch auf Vergütung der angelieferten Edelmetallgehalte. Nach dem Willen der Vertragsparteien ist davon auszugehen, dass der Edelmetallgehalt der im Scheidegut enthaltenen Edelmetalle der Scheideanstalt geliefert wird. Für diesen Umsatz kann § 13b UStG zur Anwendung kommen.

Beispiel 3

Unternehmer A übergibt Scheidegut an eine Scheideanstalt. Er erhält hierfür von der Scheideanstalt den Wert des angelieferten Edelmetalls ausgezahlt. Die technische Abwicklung erfolgt bei der Scheideanstalt über ein Gewichtskonto.

A erbringt eine Lieferung von Edelmetall an die Scheideanstalt. Für das vergütete Feingold wird die Scheideanstalt Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 9 i. V. mit Abs. 5 UStG.

2. Geschäftsvorfälle mit Gewichtsguthaben

Bei der Verfügung über das Gewichtskonto kann es sich um eine sonstige Leistung (Übertragung eines Miteigentumsanteils), um eine Lieferung (Übertragung eines Miteigentumsanteils an Anlagegold, vgl. Abschn. 25c.1 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b UStAE) oder um eine Beistellung handeln.

Überträgt der Unternehmer Anteile seines Gewichtskontos an die Scheideanstalt oder einen Dritten, erbringt er eine sonstige Leistung, die im Verzicht oder in der Übertragung eines Lieferanspruchs besteht (vgl. , BStBl 1991 II S. 193). Eine physische Warenbewegung findet nicht statt.

Beispiel 4

Der im Inland ansässige Unternehmer A hat ein Guthaben auf seinem Gewichtskonto bei der Scheideanstalt S. Von diesem Guthaben überträgt er einen Teil an den im Inland ansässigen Unternehmer B, der ebenfalls bei S ein Gewichtskonto führt.

A erbringt an B eine sonstige Leistung. Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG. § 13b UStG findet keine Anwendung.

Variante 1

B ist im Ausland ansässig.

Der Leistungsort ist nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Ausland. Ist B im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, hat A den Umsatz in der Zusammenfassenden Meldung (vgl. § 18a Abs. 2 UStG) anzugeben.

Variante 2

A ist im Ausland ansässig.

Der Leistungsort ist nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Inland. B schuldet die Steuer nach § 13b Abs. 1 i. V. mit Abs. 5 UStG.

Bei der Herstellung von Halbzeugen oder anderen Gegenständen durch eine Scheideanstalt oder einen Dritten, liegt eine Beistellung vor, wenn der Unternehmer dafür Anteile seines Gewichtskontos abtritt.

Beispiel 5

Unternehmer A lässt bei dem Galvanikunternehmen G die von ihm hergestellten Kugelschreiberhüllen vergolden. Beide Unternehmer unterhalten ein Gewichtskonto bei der Scheideanstalt S. Für einen Teil des hierzu benötigten Goldes erhält G eine Gutschrift auf seinem Gewichtskonto zu Lasten des Gewichtskontos von A.

G erbringt an A eine Werklieferung, da beim Vergolden noch weitere Hauptstoffe von G verwendet werden. Bei der Belastung des Gewichtskontos des A handelt es sich um eine nicht steuerbare Beistellung, die am Leistungsaustausch nicht teilnimmt. Die Werklieferung fällt nicht unter § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UStG, da die Galvanik ein elektro-chemisches Verfahren und kein mechanisches Verfahren zur Goldplattierung i. S. der Zolltarifposition 7109 ist.

Beispiel 6

Schmuckhersteller H bestellt bei der Scheideanstalt S Granulat. Die für das Granulat benötigte Edelmetallmenge wird dem Gewichtskonto des H belastet.

S erbringt mit der Übergabe des von ihr hergestellten Granulats eine Werkleistung an H, da die benötigten Edelmetallgehalte von H insgesamt beigestellt werden. Die Beistellung nimmt nicht am Leistungsaustausch teil und ist daher bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Werkleistung nicht zu berücksichtigen.

Beispiel 7

Der Schmuckhersteller H bestellt bei der Scheideanstalt S Halbzeuge mit einem Feingehalt von 585/1000. Die für die Herstellung der Halbzeuge benötigte Goldmenge wird dem Gewichtskonto des Schmuckherstellers H belastet.

S erbringt an H eine Werklieferung. Das Feingold wird von H beigestellt und nimmt daher nicht am Leistungsaustausch teil. H schuldet nach § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 i. V. mit Abs. 5 UStG die Umsatzsteuer für die Werklieferung.

3. Negatives Gewichtskonto

Wird durch die Verfügung des Unternehmers das Gewichtskonto negativ, gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

Beispiel 8

Der Schmuckhersteller H bestellt bei der Scheideanstalt S Halbzeuge mit einem Feingehalt von 585/1000. Die für die Herstellung der Halbzeuge benötigte Goldmenge wird dem Gewichtskonto des Schmuckherstellers H belastet. Das Konto weist nach der Verbuchung einen Saldo zuungunsten von H aus. H erwirbt im Anschluss das zum Ausgleich seines Kontos benötigte Gewichtsguthaben von der Scheideanstalt.

S erbringt an H eine Werklieferung. Auch wenn nach der Abrechnung das Gewichtskonto einen negativen Saldo aufweist, liegt eine Beistellung vor. Das Edelmetall nimmt daher nicht am Leistungsaustausch teil. H schuldet nach § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 i. V. mit Abs. 5 UStG die Umsatzsteuer für die Werklieferung. Die Übertragung des Gewichtsguthabens ist eine sonstige Leistung, deren Leistungsort nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG zu bestimmen ist.

Berechnet die Scheideanstalt für die Überziehung des Gewichtskontos Zinsen, handelt es sich um eine eigenständige Leistung, deren Leistungsort sich nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG bestimmt. Da es sich um die Gewährung eines Sachdarlehens handelt, kommt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht in Betracht (, UR 2007, 379).

4. Sonderfall des § 25c UStG

Werden Gewichtsguthaben an einem Goldbarrenbestand veräußert, der die Voraussetzungen von Anlagegold i. S. des § 25c Abs. 2 UStG erfüllt, liegt eine Lieferung und keine sonstige Leistung vor (Abschn. 25c.1 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b UStAE). Für derartige Lieferungen ist nach § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 i. V. mit Abs. 5 UStG der Leistungsempfänger Steuerschuldner.

5. Anwendungszeitpunkt

Diese Regelungen sind ab dem anzuwenden. Eine abweichende umsatzsteuerliche Behandlung wird bis zu diesem Zeitpunkt nicht beanstandet, sofern die Umsätze in zutreffender Höhe versteuert wurden.

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