BAG Urteil v. - 5 AZR 697/09

Verlängerung des Entgeltfortzahlungszeitraums bei Krankheit durch Tarifvertrag oder Gesamtzusage

Gesetze: § 133 BGB, § 157 BGB, § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 21 Ca 392/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 2 Sa 128/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

2Die privat krankenversicherte Klägerin war vom bis zum in einem Krankenhaus in Hamburg und vom bis zum bei der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigt. Seit dem ist sie beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom tätig.

3Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich aufgrund einzelvertraglicher Regelung nach dem Manteltarifvertrag für Beschäftigte der medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK-T) sowie den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen und sonstigen tariflichen Vereinbarungen.

Im MDK-T heißt es ua.:

Der Beklagte legte mit Schreiben vom den Beginn der Beschäftigungszeit auf den fest. Mit Schreiben vom teilte der Beklagte der Klägerin Folgendes mit:

6Ein entsprechendes Schreiben des Beklagten ging allen dort beschäftigten privat krankenversicherten Ärzten zu.

7Im Juni 2007 leistete der Beklagte anlässlich einer längeren Erkrankung der Klägerin Entgeltfortzahlung für lediglich sechs Wochen. Auf eine Beschwerde der Klägerin erklärte er sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, einmalig das Entgelt für längstens 26 Wochen fortzuzahlen.

8Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte sei tariflich zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu einer Dauer von 26 Wochen verpflichtet. Mit den Schreiben vom und vom habe der Beklagte jedenfalls eine entsprechende Entgeltfortzahlung zugesagt.

Die Klägerin hat beantragt

10Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, „Beschäftigungszeit“ und „Beginn des Arbeitsverhältnisses“ seien nach dem Tarifvertrag zu unterscheiden. Eine übertarifliche Leistung habe er nicht zugesagt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Gründe

12Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu 26 Wochen.

13I. Die Klägerin hat, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keinen tariflichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu 26 Wochen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger begann erst am , denn die vorherigen Arbeitgeber der Klägerin waren keine Rechtsvorgänger des Beklagten. Beschäftigten wie der Klägerin, deren Arbeitsverhältnis nach dem begonnen hat, werden Krankenbezüge gemäß § 22 Abs. 2 MDK-T lediglich bis zur Dauer von sechs Wochen weitergezahlt. Der Wortlaut dieser ausschließlich auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses abstellenden Tarifnorm ist eindeutig. Die beim Arbeitgeber oder die bei einem anderen Arbeitgeber zurückgelegte und nach § 14 MDK-T angerechnete Beschäftigungszeit kann lediglich zu einer Verlängerung des Anspruchs auf den Zuschuss zum Krankengeld nach § 22 Abs. 2 MDK-T führen. Dies setzt einen Beginn des Arbeitsverhältnisses nach dem voraus. Ebenso wenig enthält die Protokollnotiz zu § 14 Abs. 4 MDK-T eine „Besitzstandsregelung“ in dem von der Klägerin vertretenen Sinne. Die Protokollnotiz betrifft lediglich bestimmte Rechtsfolgen einer entsprechenden Anerkennung, zB gerade die Dauer der Zahlung eines Krankengeldzuschusses, sie besagt jedoch nicht, dass die Anerkennung von Beschäftigungszeiten zu einer Vorverlegung des Beginns des Arbeitsverhältnisses führt.

14II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für bis zu 26 Wochen wegen der von dem Beklagten am berechneten Beschäftigungszeit. Diese Berechnung bezog sich ausschließlich auf die Anerkennung von Vordienstzeiten nach § 14 MDK-T.

15III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die im Sommer 2007 erfolgte Zusage des Beklagten, einmalig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall über die Dauer von mehr als sechs Wochen zu leisten, keinen Anspruch auf eine dauerhafte Gewährung entsprechender übertariflicher Leistungen begründete.

16IV. Der Beklagte hat mit Schreiben vom keine Gesamtzusage über eine übertarifliche Leistung von Entgeltfortzahlung erteilt.

171. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet. Ihrer bedarf es nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gem. § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen ( - Rn. 22 mwN, AP BGB § 157 Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 151 Nr. 1).

18Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. nur  - mwN, BGHZ 109, 171, 177). Dies gilt auch, wenn die Willenserklärung als Gesamtzusage abgegeben wird. Deren Auslegung ist voll revisibel (vgl.  - Rn. 22 mwN, AP BGB § 157 Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 151 Nr. 1).

192. Das an das ärztliche Personal gerichtete Schreiben des Beklagten vom stellte keine Willenserklärung in Form einer Gesamtzusage dar, mit der übertarifliche Ansprüche begründet wurden. Es enthält lediglich eine falsche Rechtsauskunft. Diese war durch Fragen nach „bestehenden“ Ansprüchen auf Fortzahlung der Bezüge bei Arbeitsunfähigkeit veranlasst. Bereits die Überschrift des Schreibens („§ 22 MDK-T“) und die Schilderung des Anlasses verdeutlichen, dass der Beklagte lediglich die bestehende Rechtslage erläutern wollte. Der bloße Erläuterungscharakter ergibt sich im Weiteren aus dem vom Beklagten verwendeten Begriff „mitteilen“. Es gab für die Klägerin und ihre gleichfalls angesprochenen ärztlichen Kollegen keinen Grund zu der Annahme, der Beklagte, vertreten durch einen Mitarbeiter des Referats Personalwesen, wolle die Rechtslage dahingehend gestaltend ändern, dass er über die tarifvertraglich begründete Verpflichtung hinaus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu 26 Wochen Dauer gewähre. Die Klägerin hat dies auch nicht angenommen, sondern das Schreiben als Auskunft aufgefasst. Denn sie selbst stützt ihren Anspruch auf § 22 Abs. 1 MDK-T. Kündigt ein Arbeitgeber aber einen bestimmten tariflichen Normvollzug an, den der Arbeitnehmer selbst für zutreffend hält, geht der Arbeitnehmer nicht davon aus, dass der Arbeitgeber mit der Ankündigung zugleich eine übertarifliche Leistung zusagen wolle.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
HAAAD-62588