BFH Urteil v. - X R 31/09

Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: vorübergehende Reduzierung der vereinbarten Zahlung unschädlich; schriftliche Dokumentation künftige Abweichungen vom Versorgungsvertrag; zur Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgabe

Leitsatz

Versorgungsleistungen aufgrund eines Vermögensübergabevertrags sind dann nicht vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen, wenn die Zahlungen geringfügig von den vereinbarten Leistungen sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Versorgungsberechtigten abweichen. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Altersrente des Berechtigten, an deren Höhe die Rentenzahlungen gekoppelt sind, jährlich mehrfach ändern. Abweichungen des tatsächlich Vollzogenen von dem im Versorgungsvertrag Vereinbarten sind grundsätzlich schriftlich zu dokumentieren, damit geprüft werden kann, ob sie durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt oder willkürlich sind.
Im Streitfall hatte der Vermögensübernehmer die Versorgungsleistungen nicht während eines längeren Zeitraums völlig ausgesetzt, sondern die unbaren Versorgungsleistungen wie geschuldet erbracht und lediglich die Barzahlungen in Absprache mit dem Vermögensübergeber um ca. die Hälfte gekürzt. Es lag keine willkürliche Nichtbeachtung der vertraglichen Pflichten seitens des Vermögensübernehmers vor, sondern dessen einvernehmliche - lediglich vorübergehende - Reduzierung, die gerade an dem Versorgungszweck des Vertrags orientiert war. Zweifel am Rechtsbindungswillen des Vermögensübernehmers bestanden nicht, so dass es nicht gerechtfertigt war, dem Vermögensübernehmer den Sonderausgabenabzug der vertragsgerecht geleisteten Rentenzahlungen zu verwehren.

Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, EStG § 12

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2001 und 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom (Übergabevertrag) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihren Eltern zum das Eigentum an deren Hof —einem Hof im Sinne der Höfeordnung— übertragen. Die Eltern der Klägerin erhielten im Gegenzug ein lebenslängliches Altenteilsrecht. Neben einem Wohnungsrecht und verschiedenen Sachleistungen wurde eine monatliche Barzahlung vereinbart, deren Höhe sich nach der Höhe der Altersrente des Vaters der Klägerin richten sollte. Diese Rente war in dem Übergabevertrag mit „z.Zt. 948 DM” angegeben. Die Altenteilleistungen waren entsprechend der Leistungsfähigkeit des übertragenen Grundbesitzes und den Bedürfnissen der altenteilsberechtigten Übergeber änderbar (§ 323 der Zivilprozessordnung).

2 Die Klägerin erbrachte —neben dem Wohnungsrecht und den Sachleistungen— folgende monatliche Barzahlungen: Von Dezember 1997 bis April 1998 jeweils 948 DM monatlich; von Mai 1998 bis Februar 1999 monatlich 1.000 DM; von März 1999 bis Oktober 2000 jeweils 500 DM monatlich; von November bis Dezember 2000 und im Streitjahr 2001 monatlich 1.000 DM sowie im Streitjahr 2002 jeweils 511,99 € monatlich.

3 Die Rente des Vaters betrug ab Juli 1998 969,42 DM bzw. 967,84 DM, ab Juli 1999 980,60 DM bzw. 981,13 DM, im Streitjahr 2001 von Januar bis Juni monatlich 986,85 DM und von Juli bis Dezember jeweils 1.005,78 DM bzw. im Streitjahr 2002 von Januar bis Juni jeweils 514,24 € und von Juli bis Dezember jeweils 525,32 € monatlich.

4 In ihren Einkommensteuererklärungen für 1999 und die Streitjahre 2001 und 2002 machte die Klägerin für die Altenteilleistungen Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren gültigen Fassung geltend (2001: Barleistungen in Höhe von 12.000 DM; Strom, Wasser und Heizung in Höhe von 2.137,96 DM = 14.137,96 DM; 2002 Barleistungen in Höhe von 6.143,88 €; Strom, Wasser und Heizung in Höhe von 1.065,33 € = 7.209,21 €).

5 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) versagte für die Streitjahre —wie auch für das Jahr 1999— den begehrten Sonderausgabenabzug. Im Einspruchsverfahren trugen die Kläger vor, die Übergeber hätten schon kurze Zeit nach Abschluss des Versorgungsvertrags einen geringeren Barbedarf festgestellt, weil der Vater hinzuverdient habe. Ab März 1999 sei daher die Barleistungsverpflichtung aufgrund mündlicher Vereinbarung abgeändert worden. Im Jahr 2000 sei der Vater schwer erkrankt und habe nicht mehr arbeiten können. Deshalb seien ab November 2000 wieder Versorgungsleistungen in Höhe von 1.000 DM monatlich bezahlt worden. Der Einspruch blieb erfolglos.

6 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1458 veröffentlichtem Urteil für die Streitjahre 2001 und 2002 statt. Die Klage betreffend das Jahr 1999 wies es ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Kürzung der Barleistungen ab März 1999 sei nicht durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt gewesen. Der Vater der Klägerin habe bereits vor der Vermögensübergabe gearbeitet und dieser Hinzuverdienst habe sich später nicht wesentlich geändert. Allein die subjektive Einschätzung der Eltern, nicht den vollen Betrag zu benötigen, lasse nach der Rechtsprechung, die objektive und nachweisbare Umstände einer veränderten Bedarfslage verlange (, BFHE 181, 175, BStBl II 1997, 47), eine Kürzung der Barleistungen nicht zu. Die im Jahr 1999 erbrachten wiederkehrenden Leistungen seien deshalb als Sonderausgaben nicht abziehbar. Anders sei die Rechtslage 2001 und 2002. In diesen Jahren habe die Klägerin die Versorgungsleistungen wieder in voller Höhe erbracht. Unschädlich sei, dass die Barzahlungen teilweise etwas über und teilweise etwas unter der Rente des Vaters gelegen hätten. Rechtsgrundlage der Leistungen sei nach wie vor der Übergabevertrag. Die Rechte und Pflichten aus dem Übergabevertrag würden fortbestehen, auch wenn sie zeitweise von den Parteien nicht eingehalten worden seien. Deshalb könnten die Vertragsbeteiligten die von ihnen zeitweise nicht eingehaltenen Regelungen für die Zukunft wieder als rechtlich bindend ansehen.

7 Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG geltend. Die steuerliche Privilegierung der privaten Versorgungsrente, die zum Sonderausgabenabzug führe, ende, wenn die vereinbarten wiederkehrenden Zahlungen wie im Streitfall willkürlich abgeändert würden. Für die Zukunft würden dann die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts gelten, so dass die Leistungen beim Vermögensübernehmer nicht abziehbare und die Bezüge beim Vermögensübergeber nicht steuerbare Unterhaltsleistungen seien. Sei einmal der Rechtsbindungswille aufgegeben worden, gebe es kein Zurück mehr in die steuerliche Privilegierung, selbst wenn die Leistungen wieder in der vertraglich ursprünglich vereinbarten Höhe aufgenommen worden seien.

8 Das FA beantragt,

das FG-Urteil für die Streitjahre 2001 und 2002 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

9 Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

10 II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Im Ergebnis zu Recht hat das FG erkannt, dass die in den Jahren 2001 und 2002 erbrachten Versorgungsleistungen als Sonderausgaben abziehbar sind.

11 1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Hierzu hat die Rechtsprechung des BFH im Wesentlichen die folgenden Grundsätze entwickelt:

12 a) Nach Maßgabe des § 12 EStG sind nicht abziehbar u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des § 12 EStG nicht erwähnten Renten und dauernden Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG), soweit diese —außerhalb der für die Vermögensübergabe geltenden Sonderregelung— Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht sind (Senatsurteil vom X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612).

13 b) Die steuerrechtliche Behandlung der Versorgungsleistungen als dauernde Last/wiederkehrende Bezüge „beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen” (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Dem liegt nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) die normleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen —ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt— ohne die vorbehaltenen Erträge, die nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat. Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist, so der Große Senat, „die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen —obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen— als zuvor vom Übergeber vorbehaltene —abgespaltene— Nettoerträge vorstellbar sind”. Dies ist für die Abziehbarkeit und materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit der privaten Versorgungsrente konstituierend (Senatsurteil vom X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130, unter II.1.b der Gründe).

14 2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG die in den Jahren 2001 und 2002 gezahlten wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben anerkannt.

15 a) Unschädlich ist im Streitfall, dass die Klägerin und ihre Eltern die Abweichung des tatsächlich Vollzogenen vom Vereinbarten zwischen März 1999 und Oktober 2000 nicht dokumentiert haben. Künftige Abweichungen vom Vereinbarten sind jedoch schriftlich zu dokumentieren, damit geprüft werden kann, ob sie durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt oder willkürlich sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom X R 13/09, BFHE 231, 116).

16 b) Dem Abzug der Rente als Sonderausgaben in den Streitjahren steht auch nicht entgegen, dass sie abweichend von der Höhe der Altersrente des Vaters gezahlt wurde.

17 Zwar gehört nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur die Art, sondern auch die Höhe der Versorgungsleistungen zu dem Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen, der eine Qualifikation als Versorgungsvertrag erlaubt (Senatsurteil vom X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, unter II.5.a, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Gleichwohl steht die Nichtbeachtung einer Wertsicherungsklausel im Versorgungsvertrag dem Abzug einer Leibrente oder dauernden Last als Sonderausgabe nicht entgegen (Senatsurteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826). Nichts anderes kann im Streitfall angesichts der geringfügigen Abweichungen der Zahlungen von den vereinbarten Versorgungsleistungen sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Versorgungsberechtigten gelten, zumal sich die Altersrente des Vaters, an deren Höhe die Rentenzahlungen gekoppelt waren, teilweise jährlich mehrfach geändert hat.

18 c) Im Streitfall scheitert der Sonderausgabenabzug in den Streitjahren 2001 und 2002 auch nicht an der Tatsache, dass die Klägerin zwischen März 1999 und Oktober 2000 in Absprache mit den Eltern lediglich Versorgungsleistungen in Höhe von 500 DM und damit nur ca. die Hälfte der vertraglich vereinbarten Barzahlungen geleistet hat.

19 aa) Nach dem Senatsurteil vom X R 13/09 kommt eine Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten nach einer Phase der willkürlichen Aussetzung der Versorgungsleistungen nicht in Betracht (so auch , BStBl I 2010, 227, Tz 63, bzw. , BStBl I 2004, 922, Tz 39). Das vertragswidrige Verhalten während eines längeren Zeitraums zeigt den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien und wirkt sich auf dem gesamten Übergabevertrag aus. Deshalb kommt in solchen Fällen ein Sonderausgabenabzug auch dann nicht in Betracht, wenn die vereinbarten Versorgungsleistungen in späteren Jahren vereinbarungsgemäß erbracht würden.

20 bb) Anders als im Verfahren X R 13/09 hat die Klägerin im Streitfall die Versorgungsleistungen nicht während eines längeren Zeitraums völlig ausgesetzt, sondern vielmehr die unbaren Versorgungsleistungen wie geschuldet erbracht und lediglich die Barzahlungen in Absprache mit den Eltern um ca. die Hälfte gekürzt. Diese Verabredung beruhte nach Einlassung der Mutter im finanzgerichtlichen Verfahren auf dem Umstand, dass die Eltern nach Abschluss des Übergabevertrags erkannt hatten, den vereinbarten Barbetrag zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht zu benötigen. Mit ihrem Verhalten hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt ihre sich aus dem Sinn und Zweck des Versorgungsvertrags ergebende Hauptpflicht gefährdet, nämlich die Sicherung des finanziellen Unterhalts des Vermögensübergebers. Es liegt keine willkürliche Nichtbeachtung der vertraglichen Pflichten seitens der Klägerin vor, sondern deren einvernehmliche —lediglich vorübergehende— Reduzierung, die gerade an dem Versorgungszweck des Vertrags orientiert war. Der erkennende Senat hat daher keine Zweifel am Rechtsbindungswillen der Klägerin. In einem solchen Fall ist es nicht gerechtfertigt, dem Vermögensübernehmer den Sonderausgabenabzug der vertragsgerecht geleisteten Rentenzahlungen zu verwehren.

21 Andererseits müssen dann auch die Vermögensübergeber, im Streitfall die Eltern der Klägerin, als Ausfluss des Korrespondenzprinzips die Versorgungsleistungen als sonstige Einkünfte versteuern.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 583 Nr. 4
EStB 2011 S. 146 Nr. 4
HFR 2011 S. 637 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2011 S. 273
ZAAAD-62329