BAG Urteil v. - 3 AZR 97/08

Betriebsrente - wirtschaftliche Auszehrung anderer Ansprüche

Leitsatz

1. Die Berücksichtigung anderweitiger Bezüge bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung darf nicht zur unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Entwertung dieser Bezüge führen.

2. Keine unverhältnismäßige wirtschaftliche Entwertung liegt vor, wenn eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Hinterbliebenenrente angerechnet wird, die auf dem Ableben derjenigen Person beruht, deren Versterben den Anspruch auf Witwenrente ausgelöst hat. Demgegenüber darf die Berücksichtigung einer eigenen Altersrente der hinterbliebenen Person lediglich zu einer wirtschaftlichen Entwertung der Altersrente um bis zu 80 % führen.

3. Betriebsvereinbarungen sind insoweit unwirksam, als sie die Grenze der zulässigen wirtschaftlichen Entwertung überschreiten.

Gesetze: § 5 Abs 2 BetrAVG, Art 3 Abs 1 GG, § 75 Abs 1 BetrVG, § 53 Abs 5 S 1 BeamtVG, § 54 Abs 3 BeamtVG, § 54 Abs 4 BeamtVG

Instanzenzug: ArbG Essen Az: 3 Ca 5521/06 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 6 Sa 315/07 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin ist die Tochter und Alleinerbin der während des Revisionsverfahrens verstorbenen früheren Klägerin W M. Die frühere Klägerin(künftig: Klägerin) war die Witwe von Herrn M. Herr M ist für die Beklagte tätig gewesen. Die Parteien streiten darüber, inwieweit die Beklagte bei der Berechnung der Hinterbliebenenversorgung nach Herrn M eine von der Klägerin bezogene eigene Altersrente neben einer Versorgungsrente durch die Beklagte und einer gesetzlichen Witwenrente berücksichtigen darf.

Herr M wurde 1925 geboren. Er war vom bis zum bei der Beklagten tätig. Ab dem erhielt er ein betriebliches Ruhegeld. Rechtsgrundlage war eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die „Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft, Essen“ (im Folgenden: RL 66). Diese lauten auszugsweise:

Mit Schreiben vom überließ die Beklagte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin eine „Übersicht über die sozialen Leistungen des RWE“. Darin heißt es ua.:

Am verstarb der Ehemann der Klägerin. Die Klägerin erhielt deshalb beginnend mit dem ein monatliches Witwengeld. Dieses betrug zunächst 607,69 Euro. Es wurde zum um 1,25 % auf 615,29 Euro und zum um 3,54 % unter Anrechnung des Erhöhungsbetrages von 1,25 % auf 629,21 Euro erhöht. Der ursprüngliche Zahlbetrag beruhte auf folgender Berechnung der Beklagten:

5Die Klägerin hat geltend gemacht, bei dieser Berechnung habe die Beklagte fehlerhafterweise ihre, der Klägerin, eigene Altersrente angerechnet. Ein Recht auf eine derartige Anrechnung ergebe sich nicht, jedenfalls nicht mit hinreichender Bestimmtheit, aus den RL 66. Zudem habe die Beklagte durch die Überlassung der „Übersicht über die sozialen Leistungen des RWE“ einen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass eine Anrechnung nicht erfolgen werde. Im Übrigen stehe ihre Altersrente Arbeitsentgelt gleich. Mit der Anrechnung von Arbeitsentgelt auf betriebliche Hinterbliebenenversorgung hätten aber weder der ursprüngliche Ruhegeldempfänger noch seine Witwe rechnen müssen.

6Die Klägerin hat aufgrund dessen einen Nachzahlungsanspruch für Dezember 2005 bis Juni 2006 iHv. monatlich 239,59 Euro und aufgrund der späteren Erhöhungen für den Zeitraum vom bis Januar 2007 eine monatliche Nachzahlung iHv. 242,58 Euro und seit Februar 2007 iHv. 248,07 Euro errechnet, was bis April 2007 einen Rückstand von 4.119,40 Euro ergibt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Hinterbliebenenrente der Klägerin für richtig berechnet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage - auch hinsichtlich einiger weitergehender Ansprüche - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Klägerin zunächst ihren ursprünglichen Klageantrag weiterverfolgt. Die nunmehrige Klägerin hat unter Berücksichtigung des Ablebens der früheren Klägerin sowie einer in der Revisionsinstanz unstreitig gewordenen Erhöhung des Witwengeldes um jeweils 1 % zum und folgenden Sachantrag gestellt:

Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

11Die Revision ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache lediglich zum Teil Erfolg.

12I. Gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen keine Bedenken. Das gilt auch insoweit, als die nunmehrige Klägerin den Antrag im Hinblick auf das Ableben der früheren Klägerin sowie zwischenzeitliche Rentenerhöhungen neu formuliert hat. Dass darin eine Antragsänderung liegt, ist hier unschädlich. Allerdings ist nach § 559 Abs. 1 ZPO in der Revisionsinstanz eine Antragsänderung grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen sind jedoch insbesondere aus prozessökonomischen Gründen möglich( - Rn. 21, EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1). Solche Gründe liegen hier vor: Mit dem neu gefassten Klageantrag kann der zwischen den Parteien bestehende Konflikt durch das vorliegende Verfahren endgültig erledigt werden. Die der Antragsänderung zugrunde liegenden Tatsachen sind unstreitig und können deshalb auch in der Revisionsinstanz berücksichtigt werden ( - zu I der Gründe, BAGE 65, 147). Neue Rechtsfragen stellen sich durch die Neufassung des Antrags nicht.

13II. Die Revision hat nur insoweit Erfolg, als durch die Anrechnung auf die betriebliche Hinterbliebenenrente die eigene Altersrente der Klägerin zu mehr als 80 % wirtschaftlich entwertet wird.

14Außer auf die Auslegung der RL 66 und das von der Beklagten ihrer Ansicht nach gesetzte Vertrauen hat sich die Klägerin darauf gestützt, weder der Ruhegeldempfänger noch die Witwe hätten mit der vollen Anrechnung entgeltgleicher Leistungen auf das Ruhegeld der Witwe rechnen müssen. Sie hat sich damit gegen die weitgehende Aushöhlung der Hinterbliebenenrente gewendet. Daher ist neben den Voraussetzungen der Anrechenbarkeit nach den RL 66 unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt auch deren Rechtswirksamkeit zu prüfen. Diese Prüfung ergibt, dass die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung den RL 66 entspricht und die Beklagte auch keine Vertrauenstatbestände gesetzt hat, die die Anrechnung ausschließen. § 5 Abs. 2 BetrAVG verbietet die Anrechnung ebenfalls nicht. Jedoch steht § 75 Abs. 1 BetrVG iVm. dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG der Anrechnung der eigenen Altersrente der Klägerin auf ihre betriebliche Witwenversorgung insoweit entgegen, als der Klägerin kein anrechnungsfreier Rest von wenigstens 20 % verbleibt.

151. Der von der Beklagten gewählte Rechenweg entspricht den RL 66. Das ergibt die Auslegung.

16Schafft eine Versorgungsordnung Tatbestände, aufgrund derer im Rahmen einer Limitierungsklausel anderweitige Einkünfte berücksichtigt werden, muss sie diese für den Arbeitnehmer erkennbar und eindeutig beschreiben(vgl. zB  - zu B II 1 und 2 der Gründe, BAGE 81, 345). Dabei reicht es jedoch aus, wenn eine Auslegung vorzunehmen ist (vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 5. Aufl. § 5 Rn. 57). Das schließt auch allgemeine, aber umfassende Formulierungen nicht aus. Nur so kann der Arbeitgeber rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen angemessen Rechnung tragen. Auch differenzierte Formulierungen können zu Auslegungsproblemen führen.

17§ 10 Ziff. 5 RL 66 regelt hinreichend bestimmt, dass die der Klägerin aus der gesetzlichen Altersversorgung zustehende „große Witwenrente“ hälftig auf ihre Hinterbliebenrente angerechnet wird. Nach dieser Bestimmung werden auf das Witwen- und Waisengeld ua. „die Leistungen der Sozialversicherungsträger … gemäß den Vorschriften des § 6 entsprechend angerechnet“. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass auf den zugrunde zu legenden Ausgangsbetrag, hier 60 % des letzten Ruhegehalts des verstorbenen Ehemanns der Klägerin nach § 10 Ziff. 2 RL 66, die in der Anrechnungsbestimmung genannten Leistungen entsprechend den Vorschriften des § 6 angerechnet werden. Aus der Formulierung „entsprechend“ wird ausreichend deutlich, dass die Regeln des § 6 RL 66 sinngemäß heranzuziehen sind, also insoweit, als es für die Hinterbliebenenversorgung angebracht ist.

18Geht es um Leistungen der Sozialversicherungsträger, ist es deshalb zulässig, wenn - wie dies die Beklagte getan hat - eine Witwenrente hälftig in entsprechender Anwendung von § 6 Ziff. 2 RL 66 angerechnet wird. Soweit in dieser Vorschrift von Belegschaftsmitglied die Rede ist, ist stattdessen „Witwe“ zu setzen. Auch dies ergibt sich daraus, dass nur eine entsprechende Anwendung der Bestimmung vorgesehen ist.

19Es entspricht auch dem Zweck der Hinterbliebenenversorgung, solche Leistungen anzurechnen, die der Hinterbliebene gerade wegen des Nachversorgungsfalles vom Sozialversicherungsträger erhält. Denn damit wird dasselbe Risiko abgedeckt, das auch von der Hinterbliebenenversorgung abgesichert wird. So, wie § 6 Ziff. 2 in seinem eigenen Anwendungsbereich die Anrechnung von Leistungen vorsieht, die das „Langlebigkeitsrisiko“ abdecken, bezieht sich § 10 Ziff. 5 auf Sozialversicherungsleistungen, die den Versorgungsbedarf nach dem Tode des Versorgungsschuldners abdecken, von dem die Hinterbliebenenversorgung abgeleitet wird.

20Weiterhin zu Recht hat die Beklagte nach § 10 Ziff. 6 RL 66 bei der Berechnung der Begrenzung des Witwengeldes aufgrund der Gesamtversorgungsobergrenze sowohl die Witwenrente als auch die eigene Rente der Klägerin herangezogen. In dieser Bestimmung sind staatliche Renten ausdrücklich genannt. Dazu gehören neben Witwenrenten auch eigene Altersrenten. Zweck der Bestimmung ist es zudem, das Gesamteinkommen eines Hinterbliebenen zu begrenzen. Zur Erfüllung dieses Zweckes kommt es nicht darauf an, aus welchen Quellen und auf welcher Grundlage das Gesamteinkommen erworben wurde.

212. Auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stehen entgegen der klägerischen Ansicht dieser Anrechnung nicht entgegen. Im Schreiben vom war ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „u.a.“ die Renten der Sozialversicherungsträger nach den Bestimmungen der Richtlinien angerechnet werden und das gesamte monatliche Ruhestandseinkommen bestimmte Höchstgrenzen nicht überschreiten darf. Angesichts dessen hat die Beklagte kein Vertrauen dahingehend gesetzt, sie wolle mehr leisten, als sich aus ihren Richtlinien ergibt.

223. Die Anrechnung verstößt auch nicht gegen § 5 Abs. 2 BetrAVG.

23Nach dieser Vorschrift dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit diese auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Das gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG nicht für Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie für sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen.

24Entscheidend für das Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG ist allein, dass der Arbeitnehmer ausschließlich eigene Beiträge aufwenden musste(vgl.  - zu II 1 der Gründe, BAGE 107, 369). Aus Satz 2 der Vorschrift ergeben sich keine weiteren Anrechnungsverbote. Die Bestimmung schränkt nur das Anrechnungsverbot des Satzes 1 ein. Soweit Satz 1 einer Anrechnung nicht entgegensteht, kommt es auf Satz 2 nicht mehr an (vgl.  - zu II 1 c der Gründe, BAGE 66, 282). Die Regelung lässt daher nicht nur eine Anrechnung solcher Leistungen zu, die der zur Versorgung verpflichtete Arbeitgeber finanziert hat (vgl.  - zu 3 b der Gründe, AP BetrAVG § 5 Nr. 27 = EzA BetrAVG § 5 Nr. 19; - 3 AZR 942/94 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 81, 345). Sie steht nur umgekehrt der Anrechnung von Versorgungsleistungen entgegen, die sich der Arbeitnehmer ohne Beteiligung eines Arbeitgebers ausschließlich auf eigene Kosten verschafft hat (vgl.  - aaO). Um eine derartige Leistung handelt es sich hier nicht.

25Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn man hinsichtlich der Eigenleistung nicht auf die Klägerin, sondern auch auf ihren verstorbenen Ehemann abstellt(vgl. dazu Höfer BetrAVG Stand März 2010 § 5 Rn. 3928 sowie ihm folgend Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto § 5 Rn. 129). Weder die große Witwenrente noch die eigene Altersrente der Klägerin beruhen allein auf Leistungen ihres verstorbenen Ehemanns.

264. Demgegenüber steht § 75 BetrVG iVm. dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zwar nicht der Anrechnung der großen Witwenrente, wohl aber einer über 80 % hinausgehenden wirtschaftlichen Entwertung der eigenen Altersrente der Klägerin entgegen.

27a) Als Gesamtbetriebsvereinbarung sind die RL 66 an § 75 Abs. 1 BetrVG zu messen. Danach haben die Betriebsparteien darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Zu diesen Grundsätzen gehört der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Dieser ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgedankens im Grundgesetz und fundamentales Rechtsprinzip. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Regelbildung auszuschließen. Er kommt insbesondere zur Anwendung, wenn die Betriebsparteien bei einer Regelung unterschiedliche Gruppen bilden.

28Eine unterschiedliche Gruppenbildung liegt vor, wenn für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen werden. Dann verlangt der Gleichheitssatz, dass die Unterscheidung gerechtfertigt ist. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbedingten Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

29Maßgeblich für das Vorliegen eines hinreichenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Unter Berücksichtigung dessen müssen die Merkmale, an welche die Gruppenbildung anknüpft, die Differenzierung bei den Rechtsfolgen rechtfertigen. Die Betriebsparteien haben - ebenso wie die anderen Normgeber - einen Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen und Folgen der von ihnen gesetzten Regelungen(vgl. zum Ganzen  - Rn. 29 - 31, NZA 2010, 701).

30b) Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist zu berücksichtigen, dass Versorgungszusagen - anknüpfend an in der Versorgungsordnung geregelte Risiken - einen - auch typischerweise - unterschiedlichen Versorgungsbedarf des Versorgungsempfängers berücksichtigen dürfen. Die daraus folgenden Differenzierungen stehen in Übereinstimmung mit den üblichen Zwecken betrieblicher Versorgungswerke( - Rn. 37, NZA 2010, 701). Andererseits - und insoweit vorrangig - sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung Entgelt des berechtigten Arbeitnehmers, das er als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebstreue erhält. Der Arbeitnehmer erwirbt für sich selbst und, falls zugesagt, zugunsten seiner Hinterbliebenen Versorgungsansprüche, die im Versorgungsfall zu erfüllen sind. Dies ist in der Rechtsprechung sowohl des Senats (vgl. zB - 3 AZR 575/88 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 62, 345) als auch des Bundesgerichtshofs ( - IV ZR 304/04 - Rn. 17, BGHZ 169, 122) anerkannt. Auch bei typisierender Regelung der Betriebsparteien sind diese Zwecke zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei haben die Betriebsparteien einen Gestaltungsspielraum.

31c) Für die Berücksichtigung anderweitiger Bezüge bei der Berechnung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bedeutet dies, dass deren unverhältnismäßige wirtschaftliche Entwertung auszuschließen ist. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, auf dessen Betriebstreue die Versorgungsleistung beruht, darf nicht völlig unberücksichtigt bleiben, wenn es darum geht, dass sich die ihm für die Betriebszugehörigkeit versprochene Gegenleistung nachteilig auf den wirtschaftlichen Wert aus anderen Rechtsgründen bezogener Leistungen auswirkt. Soweit eine derartige Auswirkung bezogen auf den Zweck der betrieblichen Altersversorgung einerseits und den Rechtsgrund der anderweitigen Leistung andererseits zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Entwertung des anderweitigen Bezuges führt, liegt darin eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung gegenüber anderen Arbeitnehmern, deren Versorgungsbezüge bei gleicher Betriebstreue keine wirtschaftlichen Nachteile zeitigen.

32Ein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund für die volle Berücksichtigung anderweitiger Bezüge bei der Berechnung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ergibt sich auch nicht daraus, dass § 5 BetrAVG ausdrückliche Anrechnungsverbote enthält. Ein die Anrechnung rechtfertigender Umkehrschluss ist aus dieser Regelung nicht zu ziehen. Die Bestimmung steht der Anwendung von sonstigen gesetzlichen Vorschriften und allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht entgegen, die eine Berücksichtigung sonstiger Bezüge bei der Berechnung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausschließt(vgl. BT-Drucks. 7/2843 S. 8 sowie  - zu II 2 a der Gründe, BAGE 66, 282).

33Soweit sie jedoch nicht zu einer unverhältnismäßigen Entwertung führt, ist die Berücksichtigung anderweitigen Einkommens nicht gleichheitswidrig. Sie entspricht vielmehr dem Versorgungszweck betrieblicher Versorgungswerke.

34d) Nach diesen Grundsätzen ist zwischen der Berücksichtigung der großen Witwenrente bei der Berechnung der Höhe der Hinterbliebenenversorgung der Klägerin einerseits und der Berücksichtigung ihrer eigenen gesetzlichen Altersrente andererseits zu unterscheiden. Während gegen die Berücksichtigung der großen Witwenrente keine Bedenken bestehen, darf ihre gesetzliche Altersrente nicht zu mehr als 80 % ausgezehrt werden.

35aa) Der Versorgungszweck der betrieblichen Altersversorgung, auch der Hinterbliebenenversorgung, dominiert die Anrechnungsmöglichkeiten insoweit, als es um Anrechnungsmöglichkeiten von Einkunftsarten geht, die mit den Versorgungsansprüchen gleichgerichtet sind, auf die die Anrechnung in der Versorgungsordnung angeordnet ist. Der anderweitig gedeckte und der durch die Versorgungsordnung zu deckende Versorgungsbedarf entsprechen sich dann. Der Arbeitnehmer hat kein Recht darauf, letztlich doppelte Leistungen, sei es auch für seine Hinterbliebenen, zu erhalten. Danach entspricht die von der Klägerin nach ihrem verstorbenen Ehemann bezogene große Witwenrente der in den RL 66 geregelten Hinterbliebenenversorgung, die die Klägerin ebenfalls nach ihrem verstorbenen Ehemann bezog.

36Eine Grenze besteht nur insoweit, als über eine volle Anrechnung hinaus der Bezug solcher Leistungen nicht zu weitergehenden Kürzungen führen darf. Das ist hier nicht der Fall. Die große Witwenrente der Klägerin betrug 1.076,39 Euro brutto. Davon wurden 538,20 Euro durch die Anrechnung nach § 10 Ziff. 5 iVm. § 6 Ziff. 2 RL 66 berücksichtigt und 219,06 Euro dadurch, dass neben dem „RWE-Hinterbliebenengeld“ auch die große Witwenrente bei der Errechnung der Überschreitung der Kappungsgrenze nach § 10 Ziff. 6 RL 66 einbezogen wurde. Insgesamt ergab dies eine Kürzung der Hinterbliebenenversorgung der Klägerin durch Berücksichtigung der großen Witwenrente von 757,26 Euro.

37bb) Demgegenüber hat das Auszehrungsverbot Bedeutung, soweit es um die wirtschaftliche Auszehrung der eigenen Altersrente der Klägerin durch ihre Berücksichtigung bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente geht. Insofern treffen in der Person des Versorgungsgläubigers sowohl abgeleitete Leistungen aus einem Nachversorgungsfall als auch Einkommen, das auf eigenen Rechten beruht, zusammen. Hier besteht ein Auszehrungsverbot für 80 % überschreitende Beträge. Das führt zwar nicht dazu, dass die Anrechnungsregel insgesamt unwirksam ist, der Klägerin stand jedoch bei der Berechnung der erstmals zu zahlenden Hinterbliebenenrente ein Anspruch auf den nicht auszehrbaren Betrag zu, der aufgrund der Rentenerhöhungen bei der Beklagten zu erhöhen ist.

38(1) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass das Zusammentreffen von mehreren Leistungen, die auf in eigener Person erworbenen Rechten beruhen, und das Zusammentreffen solcher Leistungen, die auf Rechten mehrerer Personen beruhen, nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht gleich behandelt werden dürfen. Diesen Unterschied hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom (- 2 BvR 407/76 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 46, 97) herausgearbeitet. Es hat dabei den Rechtssatz entwickelt, dass bei derartigen Fallgestaltungen eine völlige Auszehrung der Versorgungsrechte ausgeschlossen ist (ebenso die Rechtsprechung des BGH vgl. - IV ZR 304/04 - Rn. 18, BGHZ 169, 122).

39In derartigen Fällen ist eine Versorgungsregelung unverhältnismäßig, wenn sie den anderweitigen Bezug um mehr als 80 % wirtschaftlich entwertet. Vielmehr müssen den Versorgungsgläubigern noch 20 % des anderweitigen Bezuges verbleiben, die sich nicht auf die Berechnung der Leistung der betrieblichen Altersversorgung auswirken.

40Dieser Satz ergibt sich aus den vom Gesetzgeber im Beamtenversorgungsrecht getroffenen Regelungen. Dort wurde als Reaktion auf die genannte Grundsatzentscheidung des BVerfG durch die Einführung von § 53 Abs. 5 Satz 1 sowie § 54 Abs. 3 und 4 BeamtVG - soweit nicht Besonderheiten des öffentlichen Dienstes durch Einsatz von „Verwendungseinkommen“ in Frage stehen - bei Zusammentreffen mehrerer Einkunftsarten eine wirtschaftliche Entwertung von mehr als 80 % ausgeschlossen, indem ein Mindestsatz von 20 % der Einkünfte verbleibt(vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte: Art. V § 1 Nr. 6 des Gesetzes vom , BGBl. I S. 357, dazu BT-Drucks. 8/2075 S. 20 und  - NVwZ 1983, 548 sowie Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes vom , BGBl. I S. 2218, dazu BT-Drucks. 11/5136 S. 24). Eine Übertragung dieser gesetzlichen Wertung aus dem Beamtenversorgungsrecht auch in das Recht der betrieblichen Altersversorgung ist geboten. Bei den genannten Vorschriften handelt es sich um eine unmittelbare Reaktion des Gesetzgebers auf die aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgenden Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts, die auch im Betriebsrentenrecht über arbeitsrechtliche Grundsätze der Gleichbehandlung zu berücksichtigen sind.

41(2) Rechtsfolge dessen ist nicht, dass die gesamte Anrechnungsregelung in den RL 66 unwirksam ist. Eine Unwirksamkeit tritt vielmehr nur insoweit ein, als die zulässige Auszehrung überschritten wird. Die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung im Übrigen bleiben ohne Weiteres sinnvoll und können in sich geschlossen noch weiter angewendet werden(vgl.  - zu B II 2 c ee (4) (b) der Gründe, BAGE 114, 162).

42Aufgrund der Teilunwirksamkeit stehen der Klägerin die Beträge zu, hinsichtlich derer eigene Altersrente unzulässig ausgezehrt wurde. Ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichheitssatz in § 75 BetrVG führt - jedenfalls - im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zu einem Anspruch auf Angleichung nach oben, wie es in § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG vorausgesetzt wird( - Rn. 55, NZA 2010, 701).

43(3) Die Berechnungsweise der Beklagten hat bewirkt, dass die eigene Altersrente der Klägerin vollständig aufgezehrt wurde. Der vom RWE-Hinterbliebenengeld abgezogene Überschreitungsbetrag der Gesamtversorgungsobergrenze nach § 10 Ziff. 6 iVm. § 6 Ziff. 5 RL 66 hat sich nach der Berechnungsweise der Versorgungsordnung um den vollen Betrag der gesetzlichen Altersrente erhöht, die Hinterbliebenenrente der Klägerin ist also entsprechend gesunken. Tatsächlich hätte der Klägerin ein weiterer Betrag von 20 % ihrer gesetzlichen Altersrente, also 47,92 Euro, bei der erstmaligen Errechnung ihrer Hinterbliebenenrente verbleiben müssen. Dieser Betrag hätte sich entsprechend den Rentensteigerungen erhöht.

Dementsprechend hat die Beklagte an die nunmehrige Klägerin den ausgeurteilten Betrag zu zahlen. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2236 Nr. 37
DB 2010 S. 2114 Nr. 38
PAAAD-52647