BFH Beschluss v. - II S 32/09

Unterschiedliche Besteuerung von echten und unechten Wohnmobilen verfassungsgemäß

Gesetze: KraftStG § 2 Abs. 2b, KraftStG § 8 Nr. 1a, KraftStG § 9 Abs. 1 Nr. 2a, KraftStG § 9a, FGO § 69 Abs. 2, FGO § 69 Abs. 3, GG Art. 2, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 14 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Antragsteller ist seit 2002 Halter eines Kfz der Marke Kia, Typ Carnival. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen werkseitig mit sieben Sitzplätzen ausgestatteten Multivan mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 2.545 kg. Die Fahrzeughöhe beträgt 1,735 m. Nach einem Umbau wurde das Fahrzeug als Wohnmobil zum Verkehr zugelassen und zunächst als „anderes Fahrzeug” i.S. von § 8 Satz 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der im Jahre 2005 geltenden Fassung nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht besteuert. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom änderte der Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) die bisherige Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung unter Einstufung als PKW und setzte für die Zeit ab die Steuer auf jährlich 840 € fest. Eine Behandlung des Fahrzeugs als Wohnmobil nach § 2 Abs. 2b des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der ab geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (3. KraftStÄndG) vom (BGBl I 2006, 3344) —KraftStG ab 2006— lehnte es ab, weil dieses nicht zum vorübergehenden Wohnen ausgelegt und gebaut sei. Es fehle die erforderliche Mindeststehhöhe von 170 cm.

2 Mit Änderungsbescheid vom setzte das FA mit Wirkung ab unter Berücksichtigung des Zuschlags gemäß § 9a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes i.d.F. des Art. 1 Nr. 3 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) vom (BGBl I 2007, 356) auf jährlich 856 € fest. Einspruch und Klage, mit denen der Antragsteller eine Besteuerung des Fahrzeugs als Wohnmobil begehrte, blieben ohne Erfolg. Über die Revision des Antragstellers gegen das finanzgerichtliche Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) noch nicht entschieden.

3 Am hat der Antragsteller beim BFH als Gericht der Hauptsache die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids beantragt und zur Begründung ausgeführt, § 2 Abs. 2b KraftStG verletze das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, soweit dort rückwirkend auf den die Eigenschaft „Wohnmobil” an eine Mindeststehhöhe von 1,70 m geknüpft und eine rückwirkende Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer um das 5,5-fache vorgenommen werde.

4 Der Antragsteller beantragt, den Kraftfahrzeugsteueränderungsbescheid vom von der Vollziehung auszusetzen.

5 Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.

6 II. Der Antrag ist unbegründet und war daher abzulehnen.

7 1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder —was vorliegend nicht in Betracht kommt— seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (BFH-Beschlüsse vom I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl II 2008, 415; vom II B 58/08, BFH/NV 2009, 418; vom II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146, und vom VIII B 190/09, BFH/NV 2010, 331). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist, weil an die Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit keine strengeren Anforderungen zu stellen sind als beim Einwand fehlerhafter Rechtsanwendung (, BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799).

8 2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kraftfahrzeugsteueränderungsbescheids sind indessen nicht erkennbar.

9 a) Der vom Antragsteller gerügte Verstoß der die Wohnmobilbesteuerung betreffenden und ab geltenden Bestimmungen des KraftStG ab 2006 (§ 2 Abs. 2b i.V.m. § 8 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 Nr. 2a) gegen das Rückwirkungsverbot sowie das Vertrauensschutzprinzip liegt, wie der Senat inzwischen durch Urteil vom II R 44/09 (BFH/NV 2010, 1204) entschieden hat, nicht vor. Zur Begründung wird dazu zunächst auf die Ausführungen im vorgenannten Urteil verwiesen, auf welches der Antragsteller zuvor hingewiesen worden ist. Dort hat der Senat insbesondere ausgeführt, dass die durch das 3. KraftStÄndG geschaffenen Neuregelungen für die Wohnmobilbesteuerung deshalb ausschließlich begünstigende Wirkung haben, weil ohne sie Wohnmobile als PKW zu besteuern gewesen wären. Dem Gesetzgeber stand es im Rahmen des 3. KraftStÄndG frei, eine neue Fahrzeugart „Wohnmobil” zu schaffen. Er konnte auch eine inhaltliche Bestimmung des Wohnmobilbegriffs vornehmen, um die echten Wohnmobile von den sog. unechten Wohnmobilen abzugrenzen, die auf den Fahrzeugkonzepten von Kleinbussen, Gelände-, Mehrzweck- oder Kombinationskraftfahrzeugen beruhen, nur einzelne Elemente eines Wohnmobils aufweisen und gerade deshalb den für Wohnmobile maßgeblichen objektiven Kriterien nicht entsprechen (vgl. dazu Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 2 Rz 7e mit Verweis auf die Gesetzesbegründung).

10 b) Die Annahme einer gleichheitswidrigen Besteuerung von unechten im Vergleich zu echten Wohnmobilen scheidet schon wegen der genannten konzeptionellen Unterschiede der jeweiligen Fahrzeuge aus. Der Antragsteller wird durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in seinen Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt, weil eine —wenn auch deutliche— Steuererhöhung nicht etwa per se zu einem Verstoß gegen die genannten Grundrechte führt, sondern dazu ein steuerlicher Eingriff mit erdrosselnder Wirkung erforderlich wäre (vgl. , BFH/NV 2006, 1354). Davon kann angesichts der im Vergleich zu den Anschaffungskosten eines Kfz moderaten Höhe der jährlichen Kraftfahrzeugsteuer offensichtlich nicht ausgegangen werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 2120 Nr. 11
BAAAD-52403