OFD Karlsruhe - S 7170

Umsatzsteuerbefreiung für ärztliche Leistungen

Unter Zugrundelegung der (BStBl 2001 I S. 826) und vom (BStBl 2009 I S. 756) und verschiedener Einzelentscheidung auf Bundes- und Landesebene gilt zur Frage der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG für ärztliche Leistungen Folgendes:

Nach dem sind Leistungen eines Arztes nur dann nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL steuerfrei, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen.

§ 4 Nr. 14 UStG, ist im Sinne des o. g. EuGH-Urteils auszulegen. Dies gilt unabhängig davon, um welche konkrete ärztliche Leistung es sich handelt (Untersuchung, Attest, Gutachten usw.), für wen sie erbracht wird (Patient, Gericht, Sozialversicherung o. a.) und wer sie erbringt (freiberuflicher oder angestellter Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Unternehmer, der ähnliche heilberufliche Tätigkeiten nach § 4 Nr. 14 UStG ausübt, sowie Krankenhäuser, Kliniken usw.).

1. Steuerpflichtige Umsätze

1.1

Seit jeher fallen nicht unter die Steuerbefreiung:

  • Blutgruppenuntersuchungen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung;

  • anthropologisch-erbbiologische Gutachten;

  • psychologische Tauglichkeitstests, die sich ausschließlich auf die Berufsfindung erstrecken;

  • Gutachten über die chemische Zusammensetzung des Wassers;

  • experimentelle Untersuchungen bei Tieren im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung.

1.2

Seit dem sind steuerpflichtig:

(Leistungen nach Veröffentlichung des a. a. O.)

  • Alkohol- und Drogen-Gutachten zur Untersuchung der Fahrtüchtigkeit;

  • Gutachten über den Gesundheitszustand als Grundlage für Versicherungsabschlüsse;

  • Gutachten über die Berufstauglichkeit;

  • Gutachten über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten, in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung und in Schadensersatzprozessen;

  • Zeugnissen oder Gutachten über das Seh- und Hörvermögen;

  • Gutachten über die Freiheit des Trinkwassers von Krankheitserregern und über die chemische Zusammensetzung des Wassers;

  • dermatologischen Untersuchungen von kosmetischen Stoffen;

  • gutachterliche Feststellungen zum voraussichtlichen Erfolg von Rehabilitationsleistungen im Rahmen eines Rentenverfahrens, da hier ein Rentenantrag Anlass für das ärztliche Tätigwerden ist. Der Aspekt „Rehabilitation vor Rente” führt auch nicht dazu, dass die medizinische Betreuung in den Vordergrund tritt, da es insoweit in erster Linie darum geht, Rentenleistungen nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen zu müssen.

  • Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen, z. B. bei Fragen der Schadensersatzleistung, auch bei öffentlichrechtlicher Berichtspflicht;

  • Musterungs-, Tauglichkeits- und Verwendungsfähigkeitsuntersuchungen und -gutachten, da diese dem Anlass der Beurteilung für den (künftigen) Dienstherrn dienen, ob der Bewerber für eine bestimmte Verwendung geeignet ist. Die Umsatzsteuerpflicht besteht selbst dann, wenn durch eine derartige Untersuchung die Verschlimmerung einer bestehenden Erkrankung vermieden werden soll, da ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht.

  • Untersuchungen, bei denen die Frage der Tauglichkeit des Untersuchten für eine bestimmte Tätigkeit im Vordergrund steht, z. B. bei Flugtauglichkeitsuntersuchungen. Hierbei handelt es sich nicht um Vorsorgeuntersuchungen.

  • Röntgenaufnahmen, die für ein Gutachten des TÜV zur Berufstauglichkeit erstellt werden;

  • Gutachten, die im Rahmen von Strafverfahren erstattet werden;

  • Untersuchung und Begutachtung durch Vertragsärzte zur Feststellung von Beschädigungen, wenn diese Leistungen nicht der (weiteren) medizinischen Betreuung dienen sollen, sondern z. B. als Grundlage für eine Entschädigungsleistung;

  • forensische Gutachten, sowohl zur Frage der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) als auch zur Frage der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (§§ 63, 64 StGB). Obwohl Letzteres auf eine zukünftige Behandlung zielt, sind derartige Gutachten ausnahmslos umsatzsteuerpflichtig.

  • Prognosegutachten, die im Rahmen des Strafvollzugs erstattet werden

  • Vergütungen für Sachverständigentätigkeit nach § 10 Abs. 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) i. V. mit Anlage 2 Nr. 202 und 203 des JVEG. Soweit der sachverständige Zeuge nach § 10 Abs. 1 JVEG i. V. mit Anlage 2 Nr. 200 und 201 des JVEG vergütet wird, liegt nicht steuerbarer Schadensersatz vor. Ob jemand als Zeuge, sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger anzusehen ist, richtet sich nach der tatsächlich erbrachten Tätigkeit, nicht nach einer ggf. abweichenden Abrechnung. Ausschlaggebend ist dabei, ob er als Zeuge „unersetzlich” oder „auswechselbar” ist.

  • Gutachten nach § 12 Abs. 1 der Psychotherapie-Vereinbarung (Klärung, ob die Therapiekosten von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden);

  • Obduktionen, es sei denn, die Obduktion ist im Falle des Seuchenverdachts für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung;

  • sportmedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen, die der Feststellung von Trainingsfortschritten oder der Optimierung der Trainingsgestaltung dienen;

  • reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen, wenn hierüber eine Bescheinigung ausgestellt wird, die Grundlage für eine Entscheidungsfindung eines Dritten ist;

  • externe Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung;

  • Gutachten zur Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit oder zur Feststellung, welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt (§ 18 Abs. 1 SGB XI). Hier stehen Fragen nach Art und Umfang der erforderlichen Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 SGB XI) im Vordergrund, die ggf. auch zu treffenden Feststellungen zu Fragen der Behandlungspflege treten dahinter zurück.

  • Gutachten eines Dritten zur vorgeschlagenen ärztlichen Behandlung, zahnärztlichen Behandlung, der Verordnung von Arzneimitteln und zur vorgeschlagenen kieferorthopädischen Behandlung und der Versorgung mit Zahnersatz (zahnprothetische Behandlungen) zum Zwecke der Kostenübernahme durch die Krankenkasse (§ 12 SGB V).

  • Gutachten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, wenn nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der untersuchten Person im Vordergrund steht.

1.3

Seit dem sind auch folgende Leistungen steuerpflichtig ( a. a. O.):

  • Gutachten über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung;

  • Gutachten über die Tatsache oder Ursache des Todes (ausgenommen, die äußere Leichenschau und Ausstellen von Todesbescheinigungen als letzte Maßnahme im Rahmen einer Heilbehandlung);

  • Genehmigung zur Feuerbestattung (sog. 2. Leichenschau)

  • die ärztliche Untersuchung über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen;

  • Blutalkoholuntersuchungen für gerichtliche Zwecke in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung. Die Feststellung des Zustands der Organe, Gewebe, Körperflüssigkeiten usw. in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung ist nur dann nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei, wenn sie für diagnostische oder therapeutische Zwecke erfolgt.

  • Gutachten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Physiotherapie in straf-, zivil- oder familienrechtlichen Verfahren

Die oben genannten Leistungen sind nicht nur steuerpflichtig, wenn sie von selbstständigen Ärzten erbracht werden, sondern auch dann, wenn Leistender ein Krankenhaus oder eine andere in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG bezeichnete Einrichtung ist. Eng verbundene Umsätze nach Abschn. 100 Abs. 1 Satz 2 UStR dürfen im Wesentlichen nicht dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer – nämlich der selbstständigen Ärzte – stehen. Daher fallen derartige Leistungen – wie z. B. die Abgabe von ärztlichen Gutachten gegen Entgelt – nicht mehr unter die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, wenn eine vergleichbare Leistung nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei ist.

2. Steuerfreie Umsätze

Die folgenden Leistungen sind steuerfrei:

  • gutachterliche Tätigkeit zur Feststellung der persönlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitation, auch wenn der Arzt zu dem Ergebnis gelangt, dass der Patient nicht rehabilitierbar ist, sondern eine dauerhafte Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit gegeben ist;

  • Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen und die medizinische Betreuung im Vordergrund steht;

  • Vorsorgeuntersuchungen, bei denen Krankheiten möglichst frühzeitig festgestellt und mit größtmöglicher Aussicht auf Erfolg behandelt werden sollen, wie z. B. Krebsfrüherkennung oder Glaukomfrüherkennung;

  • körperliche Untersuchung von Personen im Polizeigewahrsam zur Überprüfung der Verwahrfähigkeit in der Zelle (alternativ erforderliche Krankenhauseinweisung);

  • kurze Bescheinigungen und Zeugnisse, die nach Nr. 70 GOÄ berechnet werden. Sie sind Nebenleistung zu einer Untersuchungs- und Behandlungsleistung. Dies gilt insbesondere für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

  • weitere Leistungen des Kapitels B VI der GOÄ, soweit ein enger Zusammenhang mit einer im Vordergrund stehenden Untersuchungs- und Behandlungsleistung gegeben ist;

  • sport- und reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen, soweit nicht nach Nr. 1.2 steuerpflichtig sind;

  • vertragsärztliche Auskünfte, Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten, die nach Nr. 71 ff des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgerechnet werden, weil sie der Kommunikation unter Ärzten als einem notwendigen Bestandteil der übernommenen Behandlung oder Erfüllung öffentlich-rechtlicher Berichtspflichten des Arztes gegenüber den Krankenkassen dienen;

  • Gutachten zu medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (Aussagen zu Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit, -prognose und Therapieempfehlung), zur Hilfsmittelversorgung und zur häuslichen Krankenpflege, da in diesen genannten Aufgabenfeldern ein therapeutisches Ziel bzw. eine therapeutische Entscheidung im Mittelpunkt steht;

  • Obduktionen, die im Falle des Seuchenverdachts für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung sind;

  • ärztliche Leistungen der Schönheitschirurgen, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Indiz hierfür kann die Übernahme der Kosten durch Krankenversicherungen sein. Die übrigen ästhetisch-plastischen Leistungen eines Chirurgen sind ab dem steuerpflichtig (bis zum erbrachte Leistungen können aus Gründen des Vertrauensschutzes steuerfrei belassen werden). Gleiches gilt für vergleichbare Leistungen der Dermatologen oder Anästhesisten;

  • eistungen zur Kontrolle von gespendetem Blut einschließlich der Blutgruppenbestimmung;

  • Mammographien einschließlich der von Radiologen erstellten Mammographien im Rahmen des Mammographie-Screenings (Zweitbefund);

  • die im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch nach § 218a StGB stehenden ärztlichen Leistungen einschließlich der nach den §§ 218b, 219 StGB vorgesehenen Sozialberatung durch einen Arzt;

  • sonstige Leistungen eines Arztes im Zusammenhang mit Empfängnisverhütungsmaßnahmen;

  • sonstige Leistungen eines Arztes im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung;

  • Individuelle Gesundheitsleistungen (IGEL-Leistungen), wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

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Fundstelle(n):
USt-Kartei BW § 4 Nr. 14 u. 16 UStG Fach S 7170 Karte 3
FAAAD-42187

1Die Leistungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG sind gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei unabhängig davon, ob sie im Vertrag einzeln aufgeschlüsselt und abgerechnet werden. Für bis zum ausgeführte Umsätze ist es nicht zu beanstanden, wenn diese als umsatzsteuerpflichtig behandelt werden ( BStBl 2007 I S. 481).

2 BStBl 2007 I S. 481, vgl. Fn 1