BAG Beschluss v. - 1 ABR 37/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 95 Abs. 3 S. 1; BetrVG § 21b; BetrVG § 101

Instanzenzug: LAG Saarland, 2 TaBV 2/08 vom ArbG Saarbrücken, 65 BV 9/05 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen nach Betriebsstilllegung.

Die Arbeitgeberin erbringt Postdienstleistungen. Im Zuge unternehmensweiter Umstrukturierungen löste sie ihre Service Niederlassung Immobilien in S (SNL S) zum Jahresende 2001 auf. Zuvor ersuchte sie den dortigen Betriebsrat am um Zustimmung zu Versetzungen der Arbeitnehmer in andere Betriebe des Unternehmens. Das verweigerte der Betriebsrat mit Schreiben vom unter Hinweis darauf, dass nach den geltenden Tarifverträgen Nr. 444 bzw. 445 zunächst für diese Arbeitnehmer ein Sozialplan zu erstellen sei.

In der Folgezeit erhoben eine Reihe der bisher in der SNL S beschäftigen Arbeitnehmer Klage gegen ihren Einsatz in anderen Betrieben der Arbeitgeberin. Mit ihrem Begehren, das überwiegend auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu den Versetzungen gestützt wurde, waren sie vor den Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten fast durchweg erfolgreich. Daraufhin ersuchte die Arbeitgeberin den Betriebsrat im August 2003 vorsorglich erneut um seine Zustimmung zur Versetzung von 43 der zuvor in der SNL S beschäftigten Arbeitnehmer, die dieser mit Schreiben vom verweigerte. Für diese Arbeitnehmer leitete der Betriebsrat Ende Oktober 2003 ein Beschlussverfahren mit dem Ziel ein, die vorläufig durchgeführten Versetzungen aufzuheben. Dieses Beschlussverfahren wurde im Mai 2005 im Hinblick auf das vorliegende Verfahren für erledigt erklärt und eingestellt.

Im August 2004 vereinbarte die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan. Danach wurden die Beschäftigten der früheren SNL S rückwirkend zum auf Personalposten im Unternehmensbereich BRIEF übergeleitet. Die Zuordnung der Beschäftigten zu den Personalposten und Niederlassungen war in einer Anlage zum Sozialplan geregelt. Der Gesamtbetriebsrat stimmte mit Schreiben vom den von der Arbeitgeberin aufgestellten Feststellungsvermerken über die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu. Daraufhin ersuchte die Arbeitgeberin den Betriebsrat der stillgelegten SNL S mit Schreiben vom vorsorglich erneut um seine Zustimmung zu Versetzungen von insgesamt 150 Beschäftigten. Der am beim Betriebsrat eingegangene Antrag enthielt einen Hinweis darauf, dass die Versetzungen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich seien. Der Betriebsrat bestritt am die Dringlichkeit der Versetzungen und verweigerte anschließend im Schreiben vom , bei der Arbeitgeberin am gleichen Tag eingegangen, für 74 Arbeitnehmer seine Zustimmung zu den beantragten Versetzungen unter Hinweis auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Tarifverträge Nr. 444/445 und des Sozialplans.

Mit einem am beim Arbeitsgericht eingegangen Schriftsatz hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufig vorgenommenen Versetzungen beantragt. Das Arbeitsgericht hat die in einem Verfahren verhandelten Anträge abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, die Zustimmung des Betriebsrats gelte wegen Versäumung der Äußerungsfrist als erteilt. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts haben sowohl die Arbeitgeberin als auch der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren getrennt und die Anträge der Arbeitgeberin für jeden von der Versetzung betroffenen Arbeitnehmer gesondert verhandelt. Das vorliegende Verfahren betrifft den Antrag auf Versetzung des Arbeitnehmers B zu der Niederlassung BRIEF B-Z. Nach dem ihn betreffenden Feststellungsvermerk sollte Herr B dort als "Servicekraft 2" eingesetzt werden. Mit Wirkung ab dem übertrug die Arbeitgeberin Herrn B die Stelle eines Vertreterpostens zur Briefeingangsverteilung und zur Ausübung handwerklicher Tätigkeiten. Der Betriebsrat der Niederlassung BRIEF B-Z stimmte dieser Maßnahme zu.

Die Arbeitgeberin hat gemeint, die Zustimmung des Betriebsrats der SNL S zu der vorsorglich durchgeführten personellen Maßnahme gelte als erteilt, da dessen Verweigerung nicht rechtzeitig erfolgt sei. Daneben fehle es an einer wirksamen Zustimmungsverweigerung. Der Betriebsrat sei bei der Beschlussfassung über ihren Antrag nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. An dieser habe der Betriebsratsvorsitzende W mitgewirkt, der bereits mit Ablauf des wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sei und schon aus diesem Grund kein Restmandat habe ausüben können.

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,

1. die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Herrn B von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-Z zu ersetzen,

hilfsweise festzustellen,

dass die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Herrn B von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-Z als erteilt gilt,

2. festzustellen, dass die Versetzung von Herrn B von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-Z aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist.

Der Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung, beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Im Wege eines im Beschwerdeverfahren erhobenen Widerantrags hat er beantragt,

der Arbeitgeberin für den Fall, dass diese nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts an der konkreten Versetzungsmaßnahme, für die sie mit dem Schreiben vom die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 BetrVG beantragt habe, nicht mehr festhalte, gemäß § 101 BetrVG aufzugeben, die inzwischen erneut erfolgte Versetzung von Herrn F B aufzuheben.

Der Betriebsrat hat gemeint, seine Zustimmungsverweigerung sei rechtzeitig erfolgt. Nach einer Verfügung des Bundespostministers aus dem Jahr 1976 für den Bereich der damaligen Deutschen Bundespost gölten Anträge auf Erteilung der Zustimmung erst am maßgeblichen Sitzungstag als zugeleitet und Sonn- bzw. gesetzliche Feiertage sowie Samstage nicht als Arbeitstage. Die Generaldirektion der Deutschen Bundespost Postdienst habe in einem Hinweisschreiben aus dem Jahr 1994 geäußert, dass die in der Verfügung bekannt gegebene Berechnung der Fristen nach Maßgabe der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen fortgelte. Die Zustimmungsverweigerung sei auch zu Recht erfolgt. Der Herrn B in der Niederlassung BRIEF B-Z übertragene Arbeitsplatz als "Servicekraft 2" sei ihm funktionell nicht zumutbar. Die Zuweisung der Herrn B mit Wirkung ab dem übertragenen Tätigkeiten habe ebenfalls seiner Zustimmung bedurft, da eine Versetzung von der SNL S in die Niederlassung BRIEF B-Z bisher nicht wirksam erfolgt sei.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Widerantrag zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung die Beschwerde der Arbeitgeberin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihre Anträge "als unzulässig zurückgewiesen" werden. Den Widerantrag des Betriebsrats hat es als "unbegründet zurückgewiesen". Durch einen am gleichen Tag ergangenen Beschluss (- 2 TaBV 16/07 -) hat es den Antrag der Arbeitgeberin rechtskräftig abgewiesen, mit dem diese die Beendigung des Restmandats des Betriebsrats der SNL S festgestellt wissen wollte. Mit der nur für den Betriebsrat zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt dieser die Abweisung der Anträge der Arbeitgeberin als unbegründet und verfolgt seinen Aufhebungsantrag weiter. In der Anhörung vor dem Senat haben die Beteiligten die Sachanträge der Arbeitgeberin im Hinblick auf die ab dem geänderte Tätigkeit von Herrn B übereinstimmend für erledigt erklärt.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Nachdem die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der von der Arbeitgeberin gestellten Sachanträge übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat nur noch über den Widerantrag des Betriebsrats zu befinden. Diesen hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer B in der Niederlassung BRIEF B-Z nicht mehr beschäftigt. Die Arbeitgeberin konnte Herrn B eine Tätigkeit in der Niederlassung BRIEF B-Z zuweisen, ohne den Betriebsrat der stillgelegten SNL S im Rahmen eines Restmandats beteiligen zu müssen.

I. Der Widerantrag ist dahingehend auszulegen, dass der Betriebsrat nicht nur die Aufhebung der dem Arbeitnehmer B ab dem übertragenen Aufgaben verlangt, sondern dass dessen Beschäftigung in der Niederlassung BRIEF B-Z gänzlich unterbleibt. Nach Auffassung des Betriebsrats kann die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern der ehemaligen SNL S Tätigkeiten in anderen Betrieben des Unternehmens nur mit seiner Zustimmung zuweisen, weil eine solche personelle Maßnahme eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG darstellt.

II. Neben der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat der ehemaligen SNL S sind an dem Verfahren keine weiteren Personen oder Stellen iSv. § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligt.

Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist ( - Rn. 11 mwN, BAGE 117, 337). Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist der in der Niederlassung BRIEF B-Z errichtete Betriebsrat nicht am Verfahren beteiligt. Sein Mitbestimmungsrecht bei personellen Maßnahmen wird durch das vorliegende Verfahren nicht berührt. Würde dem Widerantrag des Betriebsrats entsprochen, wäre die Arbeitgeberin gehalten, die Beschäftigung von Herrn B in der Niederlassung BRIEF B-Z zu beenden. An einer solchen Maßnahme wäre der dort errichtete Betriebsrat nicht zu beteiligen, weil die Arbeitgeberin damit nur ihrer Verpflichtung aus einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung entsprechen würde.

III. Das Landesarbeitsgericht hat dem Widerantrag des Betriebsrats zu Recht nicht entsprochen. Der Betriebsrat kann die Aufhebung der Beschäftigung des Arbeitnehmers B in der Niederlassung BRIEF B-Z nicht verlangen, weil die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht verletzt hat. Die Arbeitgeberin konnte dem Arbeitnehmer B eine Tätigkeit in der Niederlassung BRIEF B-Z zuweisen, ohne den Betriebsrat der stillgelegten SNL S im Rahmen eines Restmandats beteiligen zu müssen.

1. Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn dieser die Maßnahme ohne seine - des Betriebsrats - Zustimmung durchgeführt hat. Der Beseitigungsanspruch ist nur begründet, wenn der Arbeitgeber tatsächlich eine personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgenommen hat, bei der ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht.

2. Nach § 21b BetrVG bleibt der Betriebsrat, dessen Betrieb durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht, so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass das Amt des Betriebsrats endet, wenn die betriebliche Organisation, für die der Betriebsrat gebildet ist, wegfällt ( - zu B II b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 21b Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 24 Nr. 3). Der Gesetzgeber hat mit dem durch das BetrVG-ReformG eingefügten § 21b BetrVG die zuvor ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Restmandat des Betriebsrats gesetzlich verankert (BT-Drucks. 14/5741 S. 39). Der Betriebsrat soll noch so lange im Amt verbleiben, wie dies seine hierbei zu beachtenden Beteiligungsrechte gebieten ( - zu B II 2 der Gründe, AP KO § 59 Nr. 6). Das Restmandat ist funktional bezogen auf alle im Zusammenhang mit der Stilllegung sich ergebenden betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ( - zu B II 2 d aa der Gründe, AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 24 Nr. 2).

3. Der Betriebsrat eines stillgelegten Betriebs ist nicht im Rahmen seines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nach der vollständigen Stilllegung des Betriebs eine Tätigkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens zuweist.

a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf die Versetzung eines Arbeitnehmers der Zustimmung des Betriebsrats. Versetzung ist nach der Legaldefinition des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss. Der "Arbeitsbereich" iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird in § 81 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Der Begriff ist demnach räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben dem Ort der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation ( - Rn. 21, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8). Die Vorschrift erfordert nach ihrem Wortlaut einen Wechsel des Arbeitsbereichs, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt wird. Der Arbeitsbereich ändert sich, wenn der bisherige Gegenstand der Arbeitsleistung und Inhalt der Arbeitsaufgabe ein "anderer" wird und sich deshalb das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. Es kommt darauf an, ob sich die Tätigkeiten vor und nach der Zuweisung so voneinander unterscheiden, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nicht mehr als die bisherige Tätigkeit angesehen werden kann ( - zu II 4 a aa der Gründe). Demzufolge ist auch die auf Dauer angelegte Versetzung von einem Betrieb des Unternehmens in einen anderen Betrieb eine Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, weil der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und in eine andere Einheit eingegliedert wird. Darüber hinaus wird sich in der Regel der Arbeitsort verändern, was - von Bagatellfällen abgesehen - bereits eine Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG darstellt ( - zu B II 3 der Gründe mwN, BAGE 66, 57).

b) Eine betriebsübergreifende Versetzung bedarf nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG regelmäßig der Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs. Sein Beteiligungsrecht dient dem Schutz der kollektiven Interessen der von ihm repräsentierten Belegschaft sowie den Individualinteressen der von einer solchen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer.

aa) Das Beteiligungsrecht aus § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG soll es dem Betriebsrat des abgebenden Betriebs ermöglichen, der beabsichtigten Versetzung seine Zustimmung bei Vorliegen von Verweigerungsgründen iSd. § 99 Abs. 2 BetrVG zu versagen und den Arbeitgeber gerichtlich anzuhalten, den Arbeitnehmer ohne Änderung seines bisherigen Arbeitsbereichs im Betrieb weiterzubeschäftigen. Die Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG setzt den Fortbestand der Einheit voraus, für die der Betriebsrat errichtet ist. Nach der gesetzlichen Konzeption ist seine Mitwirkung bei Vorliegen von Zustimmungsverweigerungsgründen auf die Unterlassung der beabsichtigten Versetzung oder deren Aufhebung (§ 101 BetrVG) gerichtet, sofern sie zunächst vorläufig durchgeführt worden ist. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer in seinem bisherigen Arbeitsbereich zu belassen oder ihn dort wieder einzusetzen.

bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezweckt das Beteiligungsrecht nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorrangig den Schutz der vorhandenen Belegschaft. Deren Interessen können durch eine betriebsübergreifende Versetzung schon deswegen berührt sein, weil die verbleibenden Arbeitnehmer einer Arbeitsverdichtung ausgesetzt sind, die jedenfalls eine Zustimmungsverweigerung als möglich erscheinen lässt ( - Rn. 24, BAGE 116, 223). Der Betriebsrat hat aber auch die Interessen der Beschäftigten wahrzunehmen, die bei der Auswahlentscheidung des Arbeitgebers unberücksichtigt geblieben sind.

cc) Darüber hinaus soll das Beteiligungsrecht auch die individuellen Interessen des von einer solchen Versetzung betroffenen Arbeitnehmers wahren, demgegenüber der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes von der beabsichtigen Maßnahme absehen müsste. Ist der Arbeitnehmer nicht mit der Versetzung einverstanden, kann der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung darauf stützen, dass die Versetzung diesen ohne rechtfertigenden Grund benachteiligt ( - zu B II 3 a bb der Gründe, BAGE 66, 57). Entgegen der Auffassung des Betriebsrats dient das Beteiligungsrecht aber nicht dazu, das Direktionsrecht des Arbeitgebers einer umfassenden Kontrolle zu unterziehen oder dem betroffenen Arbeitnehmer durch die Zustimmungsverweigerung ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zu verschaffen.

dd) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des abgebenden Betriebs besteht allerdings nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung in den anderen Betrieb einverstanden ist. In einem solchen Fall bedarf weder der Arbeitnehmer eines Schutzes noch ist die Beteiligung des Betriebsrats im Interesse der von ihm repräsentierten Belegschaft geboten. Deren Schutz kann nicht erreicht werden, da ein versetzungswilliger Arbeitnehmer ebenso das Arbeitsverhältnis beenden und neu begründen könnte und demzufolge der Betriebsrat auch bei Vorliegen eines gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgrundes sein Ausscheiden aus dem Betrieb letztlich nicht verhindern kann ( - Rn. 24 f., BAGE 116, 223).

c) Dahinstehen kann, ob die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs nach vorheriger Betriebsstilllegung den Versetzungsbegriff iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch erfüllt, weil diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach auf den Wechsel zwischen zwei Arbeitsbereichen ausgerichtet ist. Denn bei einer solchen Maßnahme hat jedenfalls der Betriebsrat des stillgelegten Betriebs im Rahmen seines Restmandats nicht mitzuwirken. Dessen Einbeziehung ist nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts weder zur Wahrung von Belegschaftsinteressen noch zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer geboten.

aa) Die Zuweisung von anderen Tätigkeiten im Unternehmen berührt keine kollektiven Interessen der vom restmandatierten Betriebsrat repräsentierten früheren Belegschaft. Eine Betriebsgemeinschaft, die durch solche Maßnahmen des Arbeitgebers nachteilig betroffen sein könnte, besteht nach der endgültigen Einstellung der Betriebstätigkeit und Auflösung der betrieblichen Organisation nicht mehr. Ebenso fehlt es an einer Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, die unter dem Gesichtspunkt der betriebsinternen Verteilungsgerechtigkeit einer Kontrolle zu unterwerfen wäre. Von der Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs sind sämtliche Arbeitnehmer der aufgelösten Einheit betroffen, deren Arbeitsverhältnis anlässlich der Stilllegung nicht beendet wird.

bb) Die Individualinteressen der von einer solchen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer verlangen ebenfalls keine Beteiligung des restmandatierten Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Diese werden durch das Mitbestimmungsrecht bei Betriebsänderungen (§§ 111 - 113 BetrVG) hinreichend gewahrt. Eine Betriebsstilllegung stellt unter den Voraussetzungen des § 111 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 BetrVG eine Betriebsänderung dar. Über sie ist zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich und ein Sozialplan (§ 111 Satz 1, § 112 Abs. 1 BetrVG) abzuschließen. Es ist Aufgabe der Betriebsparteien, im Rahmen solcher Vereinbarungen die Anforderungen, unter denen die Übertragung einer anderweitigen Tätigkeit zulässig ist, abstrakt oder einzelfallbezogen festzulegen. So können etwa persönliche und fachliche Zumutbarkeitskriterien für die Zuweisung einer geänderten Tätigkeit geregelt werden, durch die die wechselseitigen Interessen des Arbeitgebers und der Belegschaft zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Auf diese Weise wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers begrenzt und dem Bedürfnis der betroffenen Arbeitnehmer Rechnung getragen, das Arbeitsverhältnis nur unter angemessenen Beschäftigungsbedingungen fortzusetzen. Demgegenüber ginge der durch das Beteiligungsrecht bei betriebsübergreifenden Versetzungen bezweckte Schutz des einzelnen Arbeitnehmers ins Leere. Das auf die Fortsetzung der Beschäftigung im bisherigen Arbeitsbereich gerichtete Regelungsziel der §§ 99, 101 BetrVG kann durch eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht mehr erreicht werden. Nach der endgültigen Stilllegung des Betriebs und der damit verbundenen Auflösung der betrieblichen Organisation endet die Existenz der bisherigen betriebsverfassungsrechtlichen Einheit. Hierdurch entfällt zugleich die Einsatzmöglichkeit für die dort zuvor beschäftigten Arbeitnehmer. Eine Zustimmungsverweigerung könnte dem Arbeitnehmer ausschließlich ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung verschaffen. Dies widerspräche aber der Schutzfunktion des Beteiligungsrechts.

4. Danach hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Aufhebungsantrag des Betriebsrats unbegründet ist. Die SNL S war zum Zeitpunkt der Einleitung des Zustimmungsverfahrens am bereits mehr als drei Jahre stillgelegt. Die Arbeitgeberin konnte dem Arbeitnehmer B daher ohne die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Tätigkeiten in der Niederlassung BRIEF B-Z zuweisen.

a) Einer Entscheidung des Senats über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats an den von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom beantragten Maßnahmen steht nicht entgegen, dass durch rechtskräftigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Saarland vom (- 2 TaBV 16/07 -) der Antrag der Arbeitgeberin, mit dem die Beendigung des Restmandats des Betriebsrats der SNL S festgestellt werden sollte, abgewiesen worden ist. Selbst wenn danach rechtskräftig feststünde, dass der Betriebsrat zum Zeitpunkt der Anhörung am noch ein Restmandat wahrgenommen hat, erstreckte sich die Bindungswirkung nicht zugleich auf das Bestehen eines Zustimmungsverweigerungsrechts an den von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom beantragten Maßnahmen. Über den Umfang der vom Betriebsrat wahrzunehmenden Beteiligungsrechte ist in dem Verfahren - 2 TaBV 16/07 - nicht entschieden worden. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr den Globalantrag der Arbeitgeberin schon deswegen als unbegründet abgewiesen, weil der Betriebsrat jedenfalls wegen seiner Beteiligtenstellung in dem von der Arbeitgeberin eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren ein Restmandat ausübe.

b) Dahinstehen kann, ob das Landesarbeitsgericht nach dem von ihm gewählten Begründungsweg den Ablauf des Herrn B betreffenden Beteiligungsverfahrens in der Niederlassung BRIEF B-Z im Jahr 2006 weiter aufklären musste. Die in diesem Zusammenhang vom Betriebsrat erhobene Aufklärungsrüge betrifft keinen entscheidungserheblichen Sachverhalt. Der Aufhebungsantrag ist schon deshalb unbegründet, weil die Arbeitgeberin bei der Zuweisung des Arbeitnehmers B zu der Niederlassung BRIEF B-Z Beteiligungsrechte des Betriebsrats der ehemaligen SNL S nicht verletzt hat.

c) Auf die zwischen den Beteiligten umstrittenen und von den Vorinstanzen erörterten Fragen nach der Rechtzeitigkeit der Zustimmungsverweigerung und der ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats kam es danach nicht mehr an.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DAAAD-40601