BAG Urteil v. - 9 AZR 645/08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 187; BGB § 242; BGB § 288; BGB § 291; BGB § 362; BRKG § 1; BRKG § 2; BRKG § 3; BRKG § 4; BRKG § 5; GewO § 106; ZPO § 319; ZPO § 559; BG LSA § 88; BAT-O (vom i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 13 vom ) § 42; BAT-O (vom i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 13 vom ) § 70; TV-L (vom ) § 23; TV-L (vom ) § 37

Instanzenzug: LAG Sachsen-Anhalt, 8 Sa 595/07 vom ArbG Halle, 4 Ca 914/07 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Tatbestand

Die Parteien streiten über "große" Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 2 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG).

Die Klägerin ist beim beklagten Land als angestellte Grundschullehrerin tätig. Für das Arbeitsverhältnis galt bis jedenfalls kraft vertraglicher Vereinbarung der BAT-O vom idF des Änderungstarifvertrags Nr. 13 vom . Seit ist der TV-L vom anzuwenden. Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung der Klägerin betrug im Schuljahr 2006/2007 22 Unterrichtsstunden.

Die Klägerin war an der Grundschule S eingesetzt. Das beklagte Land ordnete sie für das Schuljahr 2006/2007 - von August 2006 bis Juli 2007 - aus dienstlichen Gründen mit drei Unterrichtsstunden von der Grundschule S an die Grundschule O ab.

Die Klägerin beantragte unter dem die Genehmigung von Dienstreisen für die Abordnung und gab als Beförderungsmittel ihr privates Kraftfahrzeug an. Sie machte ein erhebliches dienstliches Interesses an der Benutzung ihres privaten Kraftfahrzeugs geltend und verlangte dafür "große" Wegstreckenentschädigung. Zur Begründung führte sie aus, zwei Dienstgeschäfte an einem Tag ausführen zu müssen. Die erste Stunde müsse sie an der Grundschule S halten, die dritte, vierte und fünfte Stunde an der Grundschule O.

Das beklagte Land genehmigte die Dienstreisen und das private Kraftfahrzeug als Beförderungsmittel mit Verfügung vom . Das Land lehnte es ab, "große" Wegstreckenentschädigung zu leisten.

Der endgültige Stundenplan wurde erst nach dem Antrag vom erstellt und eine Woche vor Schulbeginn bekannt gegeben. Der Stundenplan sah vor, dass die Klägerin dienstags in der ersten Stunde an der Grundschule S und von der dritten bis fünften Stunde an der Grundschule O zu unterrichten hatte. Die Klägerin musste nach dem Stundenplan außerdem am ersten Freitag jedes Monats in der Zeit von 8:30 bis 9:30 Uhr eine Hospitation im Kindergarten in R wahrnehmen. An diesem Tag war sie um 9:45 Uhr wieder an der Grundschule S zum Unterricht eingeteilt. Die Klägerin hätte den Unterricht dienstags und die Hospitation freitags nicht wie vom Stundenplan vorgesehen halten und wahrnehmen können, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutzt hätte. Die einfache Entfernung zum Kindergarten R betrug vier Kilometer.

Mit Schreiben vom widersprach die Klägerin der Genehmigung ihrer "Reisekostenrückerstattung". Sie wies darauf hin, dass ihr eine Wegstreckenentschädigung von 0,30 Euro pro Kilometer zustehe.

Die Klägerin beantragte unter dem vor Beginn der Hospitation die Genehmigung von Dienstreisen für die Fahrten von S nach R. Sie gab als Beförderungsmittel ihr privates Kraftfahrzeug an und machte auch für diese Dienstreisen ein erhebliches dienstliches Interesse geltend.

Das beklagte Land genehmigte die Dienstreisen für die Hospitation und das private Kraftfahrzeug als Beförderungsmittel mit Verfügung vom . Das Land erklärte, ein erhebliches dienstliches Interesse an der Nutzung des privaten Kraftfahrzeugs bestehe nicht.

Die Klägerin hielt den Unterricht. Sie führte auch die Hospitation wie im Stundenplan vorgesehen durch. Sie fuhr mit ihrem privaten Kraftfahrzeug von September 2006 bis Dezember 2006 an zwölf Dienstagen von S nach O und von September 2006 bis Januar 2007 an fünf Freitagen von S nach R.

Mit Reisekostenrechnung vom machte die Klägerin für zwölf Hin- und Rückreisen nach O in der Zeit von September 2006 bis Dezember 2006 eine Wegstreckenentschädigung von 51,84 Euro geltend. Sie errechnete für 14,4 km ein Kilometergeld von jeweils 0,30 Euro. Das beklagte Land leistete einen Betrag von 33,60 Euro. Dabei legte es für jede Reise eine Entfernung von 14 km und ein Kilometergeld von 0,20 Euro zugrunde.

Mit Reisekostenrechnung vom beantragte die Klägerin eine Wegstreckenentschädigung von 12,00 Euro für fünf Hin- und Rückfahrten anlässlich der Hospitation. Das Land leistete 8,00 Euro.

Das beklagte Land lehnte die Anträge auf "große" Wegstreckenentschädigung mit Schreiben vom und (erneut) ab.

Mit ihrer dem beklagten Land am zugestellten Klage verlangt die Klägerin restliche "große" Wegstreckenentschädigung von insgesamt 22,24 Euro für zwölf Hin- und Rückfahrten nach O sowie fünf Hin- und Rückfahrten nach R. Sie hat behauptet, die Strecke von S nach O betrage 14,4 km. Die Klägerin meint, es genüge, dass das erhebliche dienstliche Interesse an der Kraftwagennutzung tatsächlich bestanden habe.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie Differenzreisekosten

a) für die Wegstreckenentschädigung Dienstreise S - O in Höhe von 18,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie

b) für die Wegstreckenentschädigung Dienstreise S - R in Höhe von 4,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe bei den Dienstreisen von S nach O jeweils nur 14 km zurückgelegt. Sie habe gegenüber der Schulleiterin erklärt, dass sie für die Dienstreisen ihren privaten Pkw benutzen wolle. Dieser Wunsch sei in die Stundenplangestaltung eingegangen. Hätte die Klägerin erklärt, öffentliche Verkehrsmittel benutzen zu wollen, wäre der Stundenplan daran angepasst worden. Das Land meint, es sei nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 BRKG zwingend erforderlich, dass ein erhebliches dienstliches Interesse an der privaten Nutzung des Kraftfahrzeugs vor Antritt der Dienstreise anerkannt werde. Ein erhebliches dienstliches Interesse habe zudem nicht bestanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision des beklagten Landes ist großteils erfolglos.

A. Die Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf "große" Wegstreckenentschädigung für zwölf Hin- und Rückreisen von S nach O iHv. insgesamt 50,40 Euro. Für fünf Reisen von S nach R und zurück steht der Klägerin "große" Wegstreckenentschädigung von 12,00 Euro zu. In Höhe von 33,60 Euro und 8,00 Euro sind die Ansprüche durch Teilerfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Klägerin kann noch 20,80 Euro verlangen. Die Ansprüche für die bis unternommenen Fahrten beruhen auf § 42 Abs. 1 Buchst. a BAT-O, die für die daran anschließenden Fahrten auf § 23 Abs. 4 TV-L, jeweils iVm. § 88 Abs. 1 des Beamtengesetzes SachsenAnhalt (BG LSA) und § 3 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 2 Satz 1 BRKG. Weitergehende Ansprüche hat die Klägerin nicht. Sie hat nicht schlüssig dargelegt, dass die Strecke von S nach O und zurück die von ihr behaupteten 14,4 km und nicht nur die vom Land abgerechneten 14 km beträgt.

I. Für die Parteien galt im maßgeblichen Zeitraum von September 2006 bis Januar 2007 jedenfalls kraft einzelvertraglicher Vereinbarung zunächst der BAT-O, ab November 2006 der TV-L. Nach § 42 Abs. 1 Buchst. a BAT-O sind für die Erstattung der Auslagen für Dienstreisen (Reisekostenvergütung) die für die Beamtinnen und Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. § 23 Abs. 4 TV-L sieht vor, dass diese Bestimmungen für die Erstattung von Reisekosten entsprechende Anwendung finden. Solche tariflichen Verweisungen auf beamtenrechtliche Vorschriften sind zulässig ( - Rn. 23 und 34; - 6 AZR 111/03 - zu I 1 der Gründe, ZTR 2004, 443). Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. BG LSA erhält der Beamte Reisekostenvergütung in entsprechender Anwendung der für die Bundesbeamten geltenden Rechtsvorschriften. § 88 BG LSA sieht für die Berechnung von Fahrtkosten bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs keine vom Bundesreisekostengesetz abweichenden Bestimmungen vor. Deshalb sind die Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes anzuwenden.

II. Die Ansprüche der Klägerin ergeben sich aus den einzelvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Regelungen iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BRKG.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BRKG erhalten Dienstreisende auf Antrag eine Vergütung der dienstlich veranlassten notwendigen Reisekosten. § 2 Abs. 1 Satz 1 BRKG bestimmt, dass Dienstreisen Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststätte sind. Die von der Klägerin durchgeführten Fahrten nach O und R waren Dienstreisen in diesem Sinn.

a) Die Reisen nach O und R dienten der Erledigung von Dienstgeschäften.

aa) Dienstgeschäfte eines Beamten sind die ihm in seinem konkreten Amt zur unmittelbaren Erledigung übertragenen Dienstaufgaben (vgl. zB 6 C 23.78 - zu II der Gründe, ZBR 1980, 354; - juris Rn. 27). Dienstgeschäfte eines Angestellten sind daher die ihm zur unmittelbaren Erledigung übertragenen Arbeitsaufgaben.

bb) Der dienstags in O gehaltene Unterricht und die Hospitation in R am ersten Freitag des Monats gehörten nach dem Stundenplan zu den Arbeitsaufgaben, die der Klägerin zur unmittelbaren Erledigung übertragen waren. Mit Stundenplänen wird angestellten Lehrkräften die Weisung iSv. § 106 Satz 1 GewO erteilt, zu den vorgegebenen Zeiten die vorgesehenen Fächer zu unterrichten. Die Fahrten nach O und R ermöglichten damit die Erledigung der Dienstgeschäfte.

b) Die Klägerin hatte die Dienstgeschäfte in O und R außerhalb ihrer Dienststätte wahrzunehmen.

aa) Dienststätte iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 BRKG ist die Stelle, an der regelmäßig Dienst versehen wird (Reimann in Meyer/Fricke Reisekosten im öffentlichen Dienst 4. Aufl. Stand September 2009 BRKG/Kommentar § 2 Rn. 25; vgl. auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVwV) vom Ziff. 2.1.3). Der Bedienstete hatte nach früherem Recht nur einen Dienstort (vgl. zum Rechtszustand vor der Novelle des BRKG - Rn. 14 mwN, AP BRKG § 2 Nr. 2). Seit der Neufassung des Bundesreisekostengesetzes durch das Gesetz zur Reform des Reisekostenrechts vom (BGBl. I S. 1418) knüpft der Begriff der Dienstreise an den der Dienststätte an. Der Bedienstete hat reisekostenrechtlich lediglich eine Dienststätte.

bb) Die Klägerin war mit drei Unterrichtsstunden wöchentlich an die Grundschule in O und mit einer Zeitstunde monatlich an die Kindertagesstätte in R abgeordnet. Ihr wurde im Hinblick auf den untergeordneten zeitlichen Anteil ihrer Arbeitspflichten in O und R bei einer Unterrichtsverpflichtung von 22 Wochenstunden keine neue Dienststätte zugewiesen. Ihre Dienststätte blieb die Grundschule in S. Dort hatte sie regelmäßig und überwiegend Unterricht zu halten.

c) Die Dienstreisen wurden vom beklagten Land mit Verfügungen vom und genehmigt.

2. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 BRKG umfasst die Reisekostenvergütung ua. die Wegstreckenentschädigung nach § 5 BRKG. Der Dienstreisende darf nach §§ 4 und 5 BRKG wählen, ob er ein öffentliches Verkehrsmittel oder einen Kraftwagen benutzt. Für die Art der Reisekostenvergütung kommt es nur darauf an, welches Beförderungsmittel der Dienstreisende tatsächlich wählt (vgl. Reimann in Meyer/Fricke BRKG/Kommentar § 5 Rn. 13).

3. Die Klägerin hat Anspruch auf "große" Wegstreckenentschädigung von 0,30 Euro je Kilometer zurückgelegter Strecke.

a) An der Benutzung des Kraftfahrzeugs der Klägerin bestand objektiv ein erhebliches dienstliches Interesse iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BRKG.

aa) Ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung eines Kraftwagens ist stets anzunehmen, wenn das Dienstgeschäft, das der Dienstreisende zu erledigen hat, ohne den Kraftwagen nicht durchgeführt werden kann. Für die Beurteilung kommt es auf die konkreten vom Dienstreisenden zu erledigenden Arbeitsaufgaben an. Wird dem Arbeitnehmer durch Weisung eine bestimmte Arbeit übertragen, ist zu prüfen, ob diese konkrete Tätigkeit nur erledigt werden kann, wenn der Kraftwagen benutzt wird. Trifft das zu, kann ein erhebliches dienstliches Interesse unter keinem Gesichtspunkt verneint werden.

bb) Dienstgeschäfte der Klägerin waren der Unterricht in O und die Hospitation in R nach den Vorgaben des Stundenplans. Die Klägerin konnte die zeitliche Lage der Dienstgeschäfte nicht ändern. Sie musste nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) ihren Kraftwagen benutzen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wären die Dienstgeschäfte zeitlich nicht zu koordinieren gewesen.

cc) Entscheidend für das erhebliche dienstliche Interesse ist allein die mit dem Stundenplan erteilte Weisung. Es kommt nicht darauf an, ob der Stundenplan anders hätte gestaltet werden können oder die Klägerin an der Benutzung ihres Kraftwagens selbst interessiert war.

b) Dem Anspruch der Klägerin auf "große" Wegstreckenentschädigung steht nicht entgegen, dass das erhebliche dienstliche Interesse nicht vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt wurde (§ 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG). Das ergibt eine Auslegung der Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes nach Wortlaut, Zusammenhang, Zweck und Gesetzesgeschichte.

aa) Bei einer tariflichen Verweisung auf Gesetzesvorschriften gelten diese Vorschriften als tarifliche Rechtsnormen. Deshalb sind die Grundsätze der Tarifauslegung heranzuziehen ( - zu I 2 und II 1 der Gründe, ZTR 2004, 443). Bei einzelvertraglicher Verweisung auf Tarifnormen ist regelmäßig anzunehmen, dass die Vertragsparteien den Tarifvertrag in seinem tariflichen Verständnis auf ihr Arbeitsverhältnis anwenden wollen (vgl. - Rn. 45, NZA-RR 2009, 314). Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen entwickelten Regeln (Senat - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 43 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 30).

bb) Bei der einfach-gesetzlichen Auslegung ist vom Wortlaut, dem systematischen Gesamtzusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck, soweit er im Gesetz erkennbar Ausdruck gefunden hat, auszugehen (Senat - 9 AZR 219/07 - Rn. 20, AP BErzGG § 17 Nr. 12).

cc) Die Auslegung der Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes ergibt, dass die von § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG vorgesehene schriftliche oder elektronische Feststellung des erheblichen dienstlichen Interesses in der Anordnung oder Genehmigung vor Antritt der Dienstreise keine konstitutive Voraussetzung für einen Anspruch auf "große" Wegstreckenentschädigung ist. Entscheidend ist allein, dass ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung des Kraftfahrzeugs besteht.

(1) Für die abweichende Auffassung der Revision scheint zunächst der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG zu sprechen. Danach "muss" das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt der Dienstreise festgestellt werden.

(2) Zusammenhang und Zweck des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG machen jedoch deutlich, dass die zu treffende Feststellung als bloße Verfahrensanweisung dem Schutz des Dienstreisenden und dem Dokumentationsinteresse der öffentlichen Verwaltung dient. Die unterbliebene Feststellung soll den Anspruch demgegenüber nicht ausschließen, wenn tatsächlich ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung des Kraftwagens besteht.

(a) Dafür spricht bereits § 3 Abs. 1 Satz 1 BRKG. Diese Bestimmung begründet einen Anspruch auf Vergütung der dienstlich veranlassten notwendigen Reisekosten, wenn der Dienstreisende einen entsprechenden Antrag stellt.

(b) Welche Reisekostenvergütung zu leisten ist, ergibt sich aus §§ 4 ff. BRKG. Wird ein Kraftwagen genutzt, ist § 5 BRKG anzuwenden. Die Norm bestimmt in Abs. 1 Satz 1, dass für Fahrten mit anderen als den in § 4 genannten Beförderungsmitteln eine Wegstreckenentschädigung gewährt wird. § 5 Abs. 1 Satz 1 BRKG begründet damit ein subjektives Recht auf Wegstreckenentschädigung als Unterfall der Reisekostenvergütung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 BRKG. Das zeigt die Formulierung "wird gewährt".

(c) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BRKG beträgt die Wegstreckenentschädigung bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Das Wort "beträgt" wird in § 5 Abs. 2 Satz 1 BRKG aufgegriffen, der die "große" Wegstreckenentschädigung regelt. Dort heißt es: "Besteht an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse, beträgt die Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke." Diese Formulierung deutet darauf hin, dass es für eine "große" Wegstreckenentschädigung nur darauf ankommt, dass ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung eines Kraftwagens besteht.

(d) Das Auslegungsergebnis des allein maßgeblichen Bestands eines erheblichen dienstlichen Interesses für den Anspruch auf "große" Wegstreckenentschädigung wird dadurch gestützt, dass der Begriff des "erheblichen dienstlichen Interesses" in § 5 Abs. 2 Satz 1 BRKG ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Er ist gerichtlich voll überprüfbar.

(aa) Mit der Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs wird dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Der materielle Sinngehalt des unbestimmten Rechtsbegriffs und seine besondere Bedeutung ergeben sich aus der Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang (vgl. 1 WB 31.08 - Rn. 41, Buchholz 449 SG § 3 Nr. 48). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dienstliche Interessen vom Dienstherrn oder Arbeitgeber durch verwaltungspolitische oder organisatorische Entscheidungen geprägt werden. Diese Entscheidungen können von den Gerichten nur beschränkt überprüft werden (vgl. 2 C 21.03 - juris Rn. 10, BVerwGE 120, 382).

(bb) Der unbestimmte Rechtsbegriff des erheblichen dienstlichen Interesses verdeutlicht, dass es nicht von den subjektiven Vorstellungen des Dienstherrn oder Arbeitgebers abhängt, ob er ein solches Interesse an der Benutzung eines Kraftwagens bejaht. Der Dienstherr oder Arbeitgeber hat nur bei den organisatorischen Vorgaben zur Erledigung der Dienstgeschäfte einen beschränkt überprüfbaren Spielraum. Bei der rechtlichen Würdigung, ob die tatsächlich vorhandenen Gegebenheiten ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung des Kraftwagens begründen, kommt ihm dagegen kein Beurteilungsspielraum zu.

(e) § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG hindert die Entstehung der Ansprüche der Klägerin nicht. Dort ist bestimmt, dass das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden muss. Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG machen deutlich, dass es sich dabei nicht um eine konstitutive Anspruchsvoraussetzung, sondern um eine bloße Verfahrensanweisung handelt, die der Planungssicherheit des Dienstreisenden und dem Dokumentationsinteresse der öffentlichen Verwaltung dient.

(aa) Schon der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG lässt es bei einer Feststellung bewenden und deutet damit auf ein nicht anspruchsbegründendes Merkmal hin. Eine Feststellung ist das Ergebnis einer Prüfung. Diese Prüfung dient dazu, die tatsächlichen Grundlagen zu klären, auf denen die rechtliche Würdigung eines erheblichen dienstlichen Interesses beruht.

(bb) Der zwingende Charakter des Worts "muss" widerspricht einer bloßen deklaratorischen Wirkung der Feststellung des erheblichen dienstlichen Interesses nur vermeintlich. Das zeigt der Zusammenhang des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG mit den anspruchsbegründenden Normen in § 3 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BRKG. In dieser Systematik kommt eine doppelte Zielsetzung des Gesetzgebers zugunsten des Dienstreisenden und der handelnden Behörde zum Ausdruck.

(aaa) Die Vorschrift schützt das Informationsbedürfnis des Dienstreisenden. Er soll die positive oder negative Feststellung des Dienstherrn oder Arbeitgebers berücksichtigen können. Eine positive Feststellung kann zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen, wenn der Dienstreisende auf sie vertrauen darf.

(bbb) Zugleich soll die Feststellung gegenüber anderen Behörden - zB gegenüber dem Bundesrechnungshof oder den Landesrechnungshöfen - eine ordnungsgemäße Tatsachenermittlung gewährleisten und dokumentieren. § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG verpflichtet die Behörde, die tatsächlichen Grundlagen eines erheblichen dienstlichen Interesses an der Benutzung eines Kraftwagens vor Antritt der Dienstreise zu prüfen und aktenkundig zu machen. Damit soll entsprechend dem Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Haushaltsmittel sichergestellt werden, dass rechtzeitig überprüft wird, ob und wie der Einsatz unwirtschaftlicher Beförderungsmittel vermieden werden kann.

(cc) Die Gesetzesgeschichte steht einem Verständnis der vorherigen Feststellung des erheblichen dienstlichen Interesses als Sachverhaltsprüfung im Sinne einer Verfahrensanweisung nicht entgegen.

(aaa) In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, die Feststellung sei ausschließlich vorab zu treffen (BT-Drucks. 15/4919 S. 12). Daraus lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber über das Erfordernis der Sachverhaltsfeststellung hinaus ein konstitutives Tatbestandsmerkmal für die "große" Wegstreckenentschädigung schaffen wollte (aA ohne Auseinandersetzung mit Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG Reimann in Meyer/Fricke BRKG/Kommentar § 5 Rn. 26).

(bbb) Ein in der Gesetzesbegründung ausgedrückter Zweck der "großen" Wegstreckenentschädigung spricht vielmehr dafür, in der vorherigen Feststellung des erheblichen dienstlichen Interesses kein konstitutives Merkmal zu sehen. In der Begründung ist ausgeführt, der Satz von 30 Cent für die "große" Wegstreckenentschädigung orientiere sich an dem heutigen Satz bei Benutzung eines "dienstlich anerkannten privateigenen Kraftfahrzeugs". Das "dienstlich anerkannte privateigene Kraftfahrzeug" war ein in § 6 Abs. 2 BRKG aF geregeltes Institut, das durch die Neufassung des Bundesreisekostengesetzes aufgegeben wurde (BT-Drucks. 15/4919 S. 12). Der Satz von 30 Cent soll auch Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie die Abnutzung des Kraftfahrzeugs berücksichtigen. Dieses Ziel zeigt sich noch immer in Wortlaut und Zusammenhang der Gesetzesneufassung. Besteht ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sollen auch die sog. Vorhaltekosten anteilig in pauschalierter Form ausgeglichen werden. Der Dienstherr macht sich die Vorteile des Kraftwagens zunutze.

III. Den Ansprüchen steht nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegen. Selbst wenn die Klägerin im Vorfeld geäußert haben sollte, sie werde auf jeden Fall ihren Kraftwagen benutzen, wäre die Geltendmachung der "großen" Wegstreckenentschädigung nicht treuwidrig. Das beklagte Land hätte den Stundenplan durch Weisung gegenüber der Schulleitung so gestalten können, dass die Dienstreisen ohne Unterrichtsausfall mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätten durchgeführt werden können. Dann wäre die Zahlung einer "großen" Wegstreckenentschädigung zu vermeiden gewesen.

IV. Die Restforderungen der Klägerin sind nicht erloschen. Sie beantragte die Reisekostenvergütungen in voller Höhe mit den Reisekostenrechnungen vom und rechtzeitig und schriftlich innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 3 Abs. 1 Satz 2 BRKG beim beklagten Land. Sie hielt auch die sechsmonatigen tariflichen Ausschlussfristen ein. Die Reisekostenrechnungen genügen den Anforderungen an schriftliche Geltendmachungen iSv. § 70 Abs. 1 BAT-O und § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L.

V. Die Klägerin kann hinsichtlich der Dienstreisen von S nach O nur für eine Strecke von 14 km "große" Wegstreckenentschädigung beanspruchen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Grundschule in O ca. 7 km von der Grundschule in S entfernt ist. In seiner rechtlichen Würdigung ist das Berufungsgericht von einem Differenzanspruch in "rechnerisch unstreitiger Höhe von 18,24 Euro" ausgegangen. Damit fehlen bindende Tatsachenfeststellungen für eine Strecke von 14,4 km. Die Klägerin hat ihren entsprechenden Vortrag trotz Gegenvorbringens des beklagten Landes nicht substantiiert. Das ergibt sich aus den im Berufungsurteil wiedergegebenen streitigen Ausführungen der Parteien. Daher ist für die zwölf Dienstreisen nach O nur von einer Wegstrecke von 14 km auszugehen. Die Ansprüche der Klägerin errechnen sich:

- 12 Dienstreisen x 14 km x 0,30 Euro = 50,40 Euro

- 5 Dienstreisen x 8 km x 0,30 Euro = 12,00 Euro

Mit Blick auf die Summe von 62,40 Euro und die vom beklagten Land bereits geleisteten 41,60 Euro kann die Klägerin noch den Unterschiedsbetrag von 20,80 Euro beanspruchen.

VI. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin könne schon seit Prozesszinsen verlangen. Die Verzinsungspflicht für Prozesszinsen beginnt nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB erst mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit, die hier am eintrat (vgl. Senat - 9 AZR 791/07 - Rn. 64 mwN, AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17). Die Klägerin hat erst ab Anspruch auf Prozesszinsen.

VII. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen dem Klageantrag lediglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zugesprochen. Die Entscheidungsformel des Berufungsurteils ist insoweit zu berichtigen. Es handelt sich um ein erkennbares Versehen und damit um eine offenbare Unrichtigkeit iSv. § 319 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht wollte der Klägerin ersichtlich nicht weniger Zinsen zusprechen, als sie beantragt hatte. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht teilweise zurückgewiesen, sondern ihr in vollem Umfang stattgegeben. Der Senat ist als das mit der Sache befasste Rechtsmittelgericht für die Berichtigung zuständig (Senat - 9 AZR 733/07 - Rn. 28 mwN, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 22 = EzA GewO § 107 Nr. 1).

B. Die Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts war trotz der geringfügigen Zuvielforderung der Klägerin nicht aufzuheben. Die Mehrforderung hat keine höheren Kosten verursacht (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das beklagte Land hat nach § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Kosten seiner überwiegend erfolglosen Revision zu tragen. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist auch bei einem nur teilweise erfolgreichen Rechtsmittel anzuwenden (vgl. Zöller/Herget ZPO 28. Aufl. § 97 Rn. 8).

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 244 Nr. 5
DB 2010 S. 286 Nr. 5
EAAAD-35444