BGH Beschluss v. - VIII ZR 241/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 584; BGB § 624; BGB § 723; ZPO § 543 Abs. 2

Instanzenzug: LG Potsdam, 13 S 57/08 vom AG Rathenow, 4 C 511/07 vom

Gründe

Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich, soweit sie der revisionsrechtlichen Prüfung unterliegt, im Ergebnis als richtig, da bereits die Auslegung der Parteivereinbarungen ergibt, dass jedenfalls für den Beklagten ein ordentliches Kündigungsrecht des Stromlieferungsvertrages nicht besteht, solange eine öffentliche Erschließung der Grundstücksparzelle des Klägers nicht erfolgt ist. Auf die Rechtsfrage, derentwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, kommt es daher nicht an; sie ist im Übrigen bereits geklärt.

I.

1.

Die Revision ist nur beschränkt zugelassen.

Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt:

"Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil sie die Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die Frage, ob ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Schuldrechts unter Einhaltung einer Frist analog §§ 624 und 723 Abs. 1 Satz 1 BGB kündbar ist, für erforderlich hält im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO."

Da diese Rechtsfrage ausschließlich für die Feststellungsanträge des Klägers zu 2 a, b sowie korrespondierend hierzu für die Widerklage des Beklagten zu 2 entscheidungserheblich ist, ist die Revision auch nur für diese Streitgegenstände zugelassen. Diese stellen einen klar abgrenzbaren Teil des Rechtsstreits dar, der selbständig durch Teilurteil entschieden werden könnte (vgl. , NJW 2007, 144 Tz. 8).

2.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.

Die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ist bereits - konträr zur Auffassung des Berufungsgerichts - vom Bundesgerichtshof beantwortet worden (, NJW-RR 2006, 1427, 1428, Tz. 5; vgl. auch Urteil vom - III ZR 74/07, NJW 2008, 1064, Tz. 23). In beiden nach der Schuldrechtsreform ergangenen Urteilen hat der Bundesgerichtshof die grundsätzliche Möglichkeit bejaht, ein Dauerschuldverhältnis in entsprechender Anwendung der §§ 584, 624, 723 BGB ordentlich unter Einhaltung einer Frist zu kündigen. Auf beide in den genannten Entscheidungen zu beurteilende Sachverhalte kam gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB neues Schuldrecht zur Anwendung. Daran ist festzuhalten.

3.

Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Auch wenn grundsätzlich ein ordentliches Kündigungsrecht des zwischen den Parteien bestehenden Stromlieferungsvertrages nicht ausgeschlossen ist, verhilft dies der Revision nicht zum Erfolg, da die Parteien nach der vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei vorgenommenen Auslegung der zur Stromversorgung des Klägers getroffenen vertraglichen Regelungen eine ordentliche Kündigung jedenfalls durch den Beklagten solange ausgeschlossen haben, als eine öffentliche Erschließung der Grundstücksparzelle des Klägers nicht erfolgt ist.

a)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein ordentliches Kündigungsrecht eines Dauerschuldverhältnisses nicht, soweit und solange es durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen worden ist (, NJW-RR 2006, 117, 120, Tz. 42; Urteil vom - X ZR 79/92, NJW-RR 1993, 1460 unter II 2). So liegt es hier.

aa)

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der zwischen den Parteien maßgebliche Grundstückskaufvertrag vom hinsichtlich der Erschließung in § 5 folgenden Wortlaut:

"Die Erschließung des Kaufobjekts mit den öffentlichen Leitungen, Wasser und Elektroenergie erfolgt über das Flurstück 23/9.

Gegenwärtig erfolgt die Versorgung des Kaufobjekts mit Wasser und Elektroenergie über die Parzelle 30 auf dem Flurstück 23/8 (Parzellenpächter: M. D. ). Die Leitungsführung von der Parzelle 30 zum Kaufobjekt ist dem Verkäufer nicht bekannt. Dem Käufer steht es frei, die erforderliche privatschriftliche Vereinbarung mit Herrn M. D. zu treffen. Der Verkäufer gestattet, die Versorgungsleitungen Wasser und Strom auf den ihm gehörenden weiteren Grundstücken zu belassen. Käufer dieser Grundstücke kann er jedoch nicht verpflichten, das erforderliche Leitungsrecht dem Käufer zu gewähren. Wird dem Käufer zukünftig das erforderliche Leitungsrecht nicht gewährt, verpflichtet er (Kursivsetzung durch den Senat) sich, das Kaufobjekt an die öffentlichen Versorgungsleitungen anzuschließen, die über das Grundstück 23/9 führen."

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts konnte und kann das verkaufte Grundstück nicht über die vorstehend erwähnte Parzelle 23/9, jedoch (nunmehr) über die Parzelle 23/8 an die öffentliche Versorgung angeschlossen werden.

Das Amtsgericht - auf dessen Tatbestand das Berufungsurteil Bezug nimmt - hat festgestellt, dass die Stromversorgung des Grundstücks des Klägers seit Sommer 2004 vom Flurstück 23/10 erfolgte, das im Eigentum des Beklagten steht. Dort befindet sich ein Stromverteilerkasten, von dem aus eine Stromleitung zur Parzelle des Klägers führt. Grundlage der Stromversorgung über das Grundstück des Beklagten war das Angebot des Beklagten (u.a.) an den Kläger in einem Rundschreiben vom , Strom gegen Zahlung eines monatlichen Unkostenbeitrags von 10 EUR für "Kosten, Wartung, Verwaltung und Abrechnung" zu liefern; bezüglich des Verbrauchs sollte monatlich ein Abschlag gezahlt werden, der mit der Jahresverbrauchsrechnung verrechnet werden sollte. Dieses Angebot hat der Kläger nach der von der Revision nicht angegriffenen Würdigung des Berufungsgerichts konkludent angenommen, indem er in der Folgezeit Strom aus dem vom Beklagten zur Verfügung gestellten Verteilerkasten entnahm. Zu dem Angebot des Beklagten ist es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts deshalb gekommen, weil sich in der Zwischenzeit herausgestellt hatte, dass eine öffentliche Versorgung über das Flurstück 23/9 nicht möglich war.

bb)

Das Berufungsgericht hat vor diesem Hintergrund naheliegend - und von der Revision nicht angegriffen - angenommen, der Zweck des in dem Rundschreiben angebotenen Stromlieferungsvertrages habe darin gelegen, die im Grundstückskaufvertrag vom vom Beklagten versprochene, aber tatsächlich fehlende (öffentliche) Stromversorgung sicherzustellen, die wesentlich für die Nutzbarkeit des Grundstücks gewesen sei. Indem sich der Beklagte zur Stromlieferung bereiterklärt habe, habe er möglichen Schadensersatzansprüchen des Klägers begegnen wollen. Der Kläger selbst sei nicht verpflichtet gewesen, sich um einen Stromanschluss zu kümmern. Der auf der Grundlage des Rundschreibens vom geschlossene Stromlieferungsvertrag sehe keine Verpflichtung des Klägers, vielmehr nur das Recht hierzu vor. Auch aus dem Grundstückskaufvertrag ergebe sich keine dementsprechende Pflicht des Klägers, wohl aber eine Pflicht des Beklagten. Zwar lasse der Wortlaut des letzten Satzes von § 5 des Grundstückskaufvertrages isoliert betrachtet eine Auslegung dahin zu, der Kläger sei verpflichtet, sich um eine öffentliche Versorgung zu kümmern. Im Gesamtkontext der Regelung in § 5 sei der Satz aber dahin zu verstehen, dass mit demjenigen ("er"), der verpflichtet sei, eine öffentliche Versorgung sicherzustellen, nicht der Kläger, sondern der Beklagte gemeint sei. Diese Auslegung der vertraglichen Regelungen der Parteien durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denk- oder Erfahrungssätze verstößt oder wesentliche Umstände des Einzelfalls außer Acht gelassen hat (BGHZ 111, 110, 115). Das ist nicht der Fall. Die Auslegung ist vielmehr naheliegend und wird den beiderseitigen Interessen im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen gerecht.

Das Risiko der Stromlieferung ist damit zwischen den Parteien klar verteilt worden. Der Kläger hatte lediglich das Recht, nicht aber die Pflicht, sich selbst um einen eigenen (öffentlichen) Anschluss zu kümmern. Hingegen war der Beklagte aufgrund der kaufvertraglichen Regelung in der (Versorgungs-) Pflicht, sah das offenbar auch selbst so und wollte dieser Pflicht nachkommen. Anders sind das Angebot in dem Rundschreiben und die nachfolgenden Stromlieferungen über sein Grundstück nicht zu verstehen. Damit haben die Parteien vertraglich aber eine ordentliche Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Stromlieferungsvertrages, jedenfalls durch den Beklagten, ausgeschlossen, solange es eine öffentliche Versorgung nicht gibt.

Aus diesen Gründen hat das Berufungsgericht es für den Beklagten auch als zumutbar erachtet, an dem Stromlieferungsvertrag weiter festzuhalten, und ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB rechtsfehlerfrei verneint.

Das Berufungsgericht hat damit im Ergebnis zu Recht den Feststellungsanträgen des Klägers zu 2 a, b stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

II.

Es besteht Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Fundstelle(n):
XAAAD-33096

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein