BSG Urteil v. - B 4 AS 39/08 R

Leitsatz

Um feststellen zu können, ob ein Kind, über Einkommen verfügt, das seinen Eltern zurechenbar ist, muss zuvor von seinem Einkommen eine Versicherungspauschale von 30 Euro abgesetzt werden.

Gesetze: SGB II F: § 7 Abs 3 Nr 4; SGB II F: § 7 Abs 3 Nr 4; SGB II F: § 9 Abs 2; SGB II F: § 9 Abs 2; SGB II F: § 11 Abs 1 S 1; SGB II F: § 11 Abs 1 S 1; SGB II F: § 11 Abs 1 S 3; SGB II F: § 11 Abs 1 S 3; SGB II F: § 11 Abs 1 S 3; SGB II F: § 11 Abs 2 Nr 3; SGB II F: § 11 Abs 2 S 1 Nr 3; Alg II-V F: § 3 Nr 1; Alg II-V F: § 3 Abs 1 Nr 1

Instanzenzug: SG Neuruppin, S 13 AS 319/06 vom LSG Berlin-Potsdam, L 25 AS 946/06 vom

Gründe

I

Streitig ist, ob die Klägerin im Zeitraum vom bis unter Abzug von Versicherungspauschalen in Höhe von je 30 Euro vom Einkommen ihrer beiden minderjährigen Kinder Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem SGB II hat.

Die Klägerin ist alleinstehend und alleinerziehend. Sie lebt mit ihren beiden 1995 und 2005 geborenen Kindern in einer Wohnung zusammen. Die ältere Tochter erhielt im streitigen Zeitraum von ihrem leiblichen Vater Unterhalt in Höhe von monatlich 231 Euro, die jüngere einen Betrag von monatlich 177 Euro. Ferner wurde der Klägerin für beide Kinder je 154 Euro Kindergeld monatlich gezahlt. Die Kosten für die Unterkunft nahm die Beklagte mit insgesamt 294,54 Euro einschließlich Heizkosten an. Tatsächliche Aufwendungen für Versicherungen der beiden Kinder sind der Klägerin nicht entstanden.

Die Beklagte bewilligte im gesamten streitigen Zeitraum 456,58 Euro monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Leistung setzte sich wie folgt zusammen: 331 Euro Regelleistung/Ost plus 119 Euro Leistung für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung plus 98,18 Euro anteilige Kosten der Unterkunft (294,54 : 3 [Haushaltsmitglieder]) = 548,18 Euro minus 121,60 Euro Kindergeld als Einkommen und dieses reduziert um 30 Euro Versicherungspauschale. Die Leistung für die beiden Kinder setzte die Beklagte mit Null Euro fest, weil ihr Einkommen ihren Bedarf übersteige. Sie ging dabei von einem Bedarf der beiden Mädchen von je 297,18 Euro aus (199 Euro Sozialgeld/Ost plus 98,18 Euro anteilige Kosten der Unterkunft). Dem stellte sie auf Seiten der älteren Tochter monatlichen Unterhalt in Höhe von 231 Euro und 154 Euro Kindergeld gegenüber, sodass sich ein Überschuss von 87,82 Euro ergab (297,18 Euro minus 231 Euro = 66,18 Euro; 154 Euro minus 66,18 Euro = 87,82 Euro). Bei der jüngeren Tochter errechnete sie einen Überschuss von 33,82 Euro (297,18 Euro Bedarf minus 177 Euro Unterhalt = 120,18 Euro; 154 Euro Kindergeld minus 120,18 Euro = 33,82 Euro).

Das Sozialgericht Neuruppin hat die auf höhere Leistungen nach dem SGB II gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom ), das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat der Berufung stattgegeben, soweit die Leistung unter Berücksichtigung von Kindergeld berechnet worden sei, das einen Betrag von 31,60 Euro übersteige (Urteil vom ). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin bilde keine Bedarfsgemeinschaft mit ihren Kindern, da diese ihren Bedarf durch eigenes Einkommen decken könnten. Der den Bedarf der Kinder übersteigende Anteil des Kindergeldes sei zwar bei der Klägerin als Einkommen zu berücksichtigen. Von dem den Bedarf der Kinder übersteigenden Anteil des Kindergeldes seien jedoch, bevor es als Einkommen bei der Klägerin berücksichtigt werde, ebenfalls 30 Euro Versicherungspauschale je Kind in Abzug zu bringen (121,60 Euro minus [3 x 30 Euro =] 90 Euro = 31,60 Euro).

Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, die Versicherungspauschale sei nur einmal bei der Berechnung des Alg II in Abzug zu bringen. Die Klägerin bilde mit den Kindern eine Bedarfsgemeinschaft. Dies folge aus § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom (BGBl I, 558). Die Kinder benötigten "fremdes" Einkommen in Gestalt des Kindergeldes, um ihren Bedarf zu decken. Demzufolge sei von ihrem "Kindergeld-Einkommen", das eigentlich das Einkommen der Mutter sei, auch nur einmal eine Versicherungspauschale iS des § 3 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung [Alg II-V] (idF vom , BGBl I, 2622) in Abzug zu bringen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom vollständig zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

Zutreffend hat das LSG erkannt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum einen um 60 Euro monatlich höheren Anspruch auf Alg II hatte als von der Beklagten durch die angefochtenen Bescheide bewilligt. Die Beklagte hat es rechtswidrig unterlassen, eine Versicherungspauschale in Höhe von je 30 Euro monatlich in die Berechnung zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit der Kinder der Klägerin einfließen zu lassen. Hieraus ergibt sich ein um zweimal 30 Euro monatlich niedrigeres bei der Klägerin zu berücksichtigendes Einkommen.

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide vom 11.6. und in der Fassung des Bescheides vom , dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom sowie der Bescheid vom in der Fassung des Bescheides vom , dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom . Streitig ist mithin die Gewährung von Alg II im Zeitraum vom bis , denn in den zuvor genannten Bescheiden wird die Leistungsbewilligung auf den Zeitraum vom 1.7. bis und 1.1. bis begrenzt. Soweit mit Folgebescheiden für anschließende Zeiträume weitere Leistungen bewilligt worden sind, sind diese nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Ausdehnung des Klagegegenstandes auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume kommt bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II regelmäßig nicht in Betracht (s dazu näher Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vom - B 11b AS 1/06 R, BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; vom - B 7b AS 4/06 R).

2. Die Klägerin ist leistungsberechtigt iS des § 7 SGB II (a.). Ihre Kinder sind nicht Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin (b.). Zur Ermittlung des Umfangs der Hilfebedürftigkeit der Kinder ist eine Versicherungspauschale in Höhe von je 30 Euro monatlich von den Unterhaltszahlungen an die Kinder in Abzug zu bringen. Hiernach ergibt sich ein als Einkommen der Klägerin zu wertendes überschießendes Kindergeld in Höhe von 61,64 Euro (c.). Bei der Berechnung des Alg II-Anspruchs der Klägerin ist dieser Betrag als zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 31,64 Euro, also erst nach Abzug einer weiteren Versicherungspauschale, ihrem Hilfebedarf gegenüberzustellen (d.).

a. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BGBl I, 2954) erhalten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere ist die Klägerin auch hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II. Sie hat einen Hilfebedarf, der sich aus der Höhe der Regelleistung (§ 20 Abs 2 Satz 1 SGB II) von 331 Euro, einer Leistung für Mehrbedarf auf Grund Alleinerziehung (§ 21 Abs 3 SGB II) von 119 Euro und den anteiligen Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs 1 SGB II) von 98,18 Euro (1/3 Kopfteil von 294,54 Euro) ergibt. Von diesem Gesamtbedarf von 548,18 Euro sind maximal 121,64 Euro als zu berücksichtigendes Einkommen in Abzug zu bringen (dazu sogleich), sodass ein zur Gewährung von Alg II führender Hilfebedarf verbleibt.

b. Die minderjährigen Kinder der Klägerin waren im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II und damit nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom (BGBl I, 2014) nicht Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin.

Nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom (aaO) gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen (Nr 1 - der erwerbsfähige Hilfebedürftige), soweit sie sich nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können. Im vorliegenden Fall können die beiden Kinder ihren Lebensunterhalt iS des SGB II nach den bindenden Feststellungen des LSG aus eigenem Einkommen sicherstellen.

Die ältere Tochter hatte ein Einkommen aus Unterhaltszahlungen von ihrem leiblichen Vater in Höhe von 231 Euro monatlich. Dem stand ein Bedarf in Höhe des Sozialgeldes von 199 Euro (§ 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 iVm § 20 Abs 2 SGB II) und der anteiligen Unterkunftskosten von 98,18 Euro (zusammen: 297,18 Euro) gegenüber. Nach Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen verblieb ein ungedeckter Bedarf von 66,18 Euro. An die jüngere Tochter wurden Unterhaltsleistungen von monatlich 177 Euro erbracht. Auch bei ihr stand dem ein Bedarf in Höhe von 297,18 Euro gegenüber, sodass ohne das Kindergeld ein Hilfebedarf von 120,18 Euro verblieb. Dieser nach Unterhaltszahlung verbleibende "Resthilfebedarf" wird gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BGBl I, 2954) durch die Kindergeldzahlung in Höhe von monatlich 154 Euro gedeckt.

Nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II ist das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Das Kindergeld soll vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Aus diesem Grunde nimmt das Kindergeld ebenso wie das sonstige Einkommen und Vermögen des minderjährigen Kindes nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II teil (s im Einzelnen - SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 34) und rechtfertigt eine vom Einkommensteuergesetz (EStG) abweichende Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindes.

Verfügt das minderjährige Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Der nicht zur eigenen Unterhaltssicherung benötigte Teil des Kindergeldes wird sodann dem Kindergeldberechtigten - entsprechend den Regeln des EStG - als Einkommen zugerechnet.

c. Zur Ermittlung des Umfangs des Hilfebedarfs der Kinder ist von deren Einkommen - hier der Unterhaltszahlungen - eine Versicherungspauschale von je 30 Euro monatlich vorab in Abzug zu bringen.

§ 3 Alg II-V regelt, welche Pauschbeträge vom Einkommen abzusetzen sind. § 3 Nr 1 Alg II-V bestimmt: "Als Pauschbeträge sind abzusetzen: Von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II leben, ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II". Zwar haben die mit der Klägerin nicht in Bedarfsgemeinschaft lebenden minderjährigen Kinder tatsächliche Aufwendungen für private Versicherungen iS des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II nicht geltend gemacht. Dieses ist nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG ( - SozR, aaO, RdNr 42), der sich der erkennende Senat anschließt, jedoch unschädlich. Die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro gemäß § 3 Nr 1 Alg II-V ist grundsätzlich unabhängig davon in Abzug zu bringen, ob tatsächlich Beiträge zu privaten Versicherungen aufgewendet worden sind.

Aus dem Gesamtzusammenhang, in dem § 3 Nr 1 Alg II-V steht, sowie dem Sinn und Zweck der Norm iVm §§ 9 und 11 SGB II folgt, dass bereits zur Ermittlung des Hilfebedarfs die Versicherungspauschale vom Einkommen in Abzug zu bringen ist. Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus eigenem Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Ob und ggf in welchem Umfang eine Person hilfebedürftig iS des SGB II ist, ergibt sich (unmittelbar) aus dem ihr vom Gesetzgeber grundsicherungsrechtlich zugebilligten pauschalierten (im Wesentlichen §§ 20, 21, 23 und 28 SGB II) und tatsächlichen (§ 22 SGB II) Bedarf im Verhältnis zu den ihr zur Verfügung stehenden eigenen Kräften und Mitteln iS des § 9 SGB II. Einkommen als Mittel der Selbsthilfe ist nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen, wenn es sich um Einnahmen in Geld oder Geldeswert handelt. Dabei regelt § 11 Abs 2 SGB II, welche Beträge vom Einkommen abzusetzen sind.

Dies gilt ebenfalls, soweit nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II zu bestimmen ist, ob das minderjährige Kind sich seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen beschaffen kann und ob ggf vom Kindergeld ein Rest verbleibt, der einem hilfebedürftigen Elternteil als Einkommen zuzurechnen ist. Auch in diesem Fall ist der Hilfebedarf nach den Regeln des SGB II zu ermitteln, dh unter Beachtung von § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II bzw sofern keine tatsächlichen Aufwendungen geltend gemacht werden, unter Anwendung von § 13 Nr 3 SGB II iVm § 3 Nr 1 Alg II-V. Jede andere Berechnungsweise würde den Vorgaben von Gesetz und Verordnung widersprechen und zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Liegen die Voraussetzungen des § 3 Nr 1 Alg II-V vor, dh leben minderjährige (hilfebedürftige) Kinder nicht in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern, wird von ihrem Einkommen ein Pauschbetrag in Abzug gebracht. Andererseits geht die Norm bei minderjährigen Kindern gerade davon aus, dass sie mit ihren Eltern nicht in Bedarfsgemeinschaft leben, was im Wesentlichen dann der Fall ist, wenn sie mit diesen nicht in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder sie zwar in häuslicher Gemeinschaft mit ihren Eltern leben, jedoch ihren Lebensunterhalt durch eigenes Einkommen/Vermögen selbst decken können. Hinge die Berücksichtigung der Pauschale tatsächlich davon ab, ob Hilfebedürftigkeit auch ohne Abzug der Versicherungspauschale vorliegt, und hinge die Beantwortung der Frage nach der Hilfebedürftigkeit wiederum davon ab, ob der maßgebliche Grenzwert zwar ohne Berücksichtigung, nicht jedoch bei Berücksichtigung der Pauschale überschritten wird, wäre ein Zirkelschluss nicht auszuschließen. Vor allem könnte der "Nichtabzug" der Versicherungspauschale zur Versagung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II führen, weil "unbereinigtes" Einkommen dem nach §§ 20, 21, 22 und 28 SGB II berechneten Bedarf gegenüberzustellen wäre. Kann das Kind seinen eigenen Bedarf durch Leistungen zB nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Kindergeld decken, wäre es nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern/einem Elternteil; Gründe dafür, ihm in einem solchen Fall des "Auf-eigenen-Beinen-Stehen-müssens" die Versicherungspauschale zu versagen, sind nicht erkennbar. Wird es bei Abzug der Versicherungspauschale von seinem Einkommen hilfebedürftig, ist es als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft auch leistungsberechtigt nach dem SGB II ( B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Zwar hat der 14. Senat des BSG die Möglichkeit des Abzugs der Versicherungspauschale vom Kindergeld verneint, wenn das Kindergeld das einzige Einkommen der Bedarfsgemeinschaft ist und es an tatsächlichen Aufwendungen des Kindes für eine Versicherung fehlt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn jedenfalls dann, wenn das Kind auf Grund eigenen Einkommens auch bei Berücksichtigung der Versicherungspauschale "aus der Bedarfsgemeinschaft herausfällt", ist nur das um die Versicherungspauschale bereinigte Einkommen zur Feststellung seiner "Hilfebedürftigkeit" heranzuziehen.

Die Kinder fallen entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht in die Bedarfsgemeinschaft "zurück" oder bleiben Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, weil sie ihren Lebensunterhalt letztendlich nur durch die Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen sicherstellen können. Es ist bereits dargelegt worden, dass das Kindergeld nach den Regeln des SGB II zuvörderst der Unterhaltssicherung des Kindes dienen soll. Es ist daher, solange der Lebensunterhalt nicht anders sichergestellt werden kann, dem Kind in Abweichung von der einkommenssteuerrechtlichen Zuordnung als Einkommen zuzurechnen. Erst wenn die Unterhaltssicherungsfunktion auf andere Weise erfolgt, wird das Kindergeld als Einkommen iS des § 11 SGB II bei dem Erziehungsgeldberechtigten zur Deckung seines Hilfebedarfs berücksichtigt (vgl - SozR, aaO). Das Kindergeld ist mithin im System des SGB II nicht "fremdes" Einkommen des Kindes, sondern wird umgekehrt erst dann Einkommen des Kindergeldberechtigten, wenn durch das Kindergeld die ihm eigene Funktion der Existenzsicherung des Kindes erfüllt worden ist. Hieraus folgt zugleich auch, dass ein Kind, das seinen eigenen Bedarf ua durch Kindergeld decken kann, nicht entgegen § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II wegen des Kindergeldbezugs Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist.

Eine solche Schlussfolgerung kann auch nicht aus der Neufassung des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom (BGBl I, 558) gezogen werden. Bis zum lautete die auch im vorliegenden Fall noch anzuwendende Fassung: "Dies gilt auch für das Kindergeld für minderjährige Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird." In der Neufassung sind die Worte "minderjährige Kinder" durch "zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder" ersetzt worden. Mit dieser Änderung sollte aber keineswegs die Regelung des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II für den Fall der Bedarfsdeckung durch Kindergeld außer Kraft gesetzt werden. Es handelt sich vielmehr um eine Folgeregelung zur Ausdehnung der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II auf junge Erwachsene bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (s Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 11. Ausschuss, BT-Drucks 16/688, S 14). Eine weitergehende inhaltliche Änderung war damit nicht verbunden.

d. Das "überschießende" Kindergeld ist mithin Einkommen der Klägerin nur insoweit, als es nach Abzug der 30-Euro-Pauschale für jedes Kind nicht zur Bedarfsdeckung des Kindes benötigt wird. Als Einkommen zu berücksichtigen ist es bei der Klägerin allerdings nur in Höhe des Betrags, der sich nach Absetzung auch einer Versicherungspauschale bei ihr ergibt.

Von dem errechneten Hilfebedarf der Klägerin in Höhe von 548,14 Euro sind demnach 31,64 Euro bedarfsmindernd in Abzug zu bringen. Daraus ergibt sich rechnerisch ein Leistungsanspruch der Klägerin in Höhe von 516,64 Euro. Der Tenor der hier angefochtenen Entscheidung des LSG weist zwar einen zu berücksichtigenden Betrag von 31,60 Euro anstatt wie hier 31,64 Euro aus. Dieser rechnerische Unterschied ist jedoch deswegen ohne Bedeutung, weil die Beklagte andererseits bei ihren Grundannahmen von einer um 0,04 Euro höheren Leistung ausgegangen ist.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte es bisher offensichtlich versäumt hat, die Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II anzuwenden. Danach wäre der Klägerin eine Leistung in Höhe von 517 Euro monatlich im streitigen Zeitraum zu zahlen. Da jedoch nur die Beklagte Revision eingelegt hat, war es dem Senat verwehrt eine weitergehende Verurteilung im Sinne dieser Ausführungen vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
FAAAD-29597