BFH Urteil v. - IV R 87/05

Umdeutung der namens einer vollbeendeten KG erhobenen Klage; betriebliche Veranlassung von Verlusten aus dem Handel mit Dax-Optionsscheinen und aus Devisentermingeschäften

Leitsatz

Erhebliche Verluste eines Tiefbauunternehmens aus dem Handel mit DAX-Optionsscheinen und Devisentermingeschäften können Betriebsausgaben sein, wenn die Geschäfte stets im Namen des Unternehmens abgeschlossen, über dessen betriebliche Bank- und Wertpapierkonten abgewickelt, in der Buchführung erfasst und Gewinne im Betriebsergebnis ausgewiesen worden sind und die Geschäfte zur Stärkung des Betriebskapitals objektiv geeignet und ausschließlich durch den Betrieb des Unternehmens veranlasst gewesen sind.
Der betriebliche Veranlassungszusammenhang spekulativer Finanzgeschäfte ist stets zu verneinen, wenn sich ein Verlust aus dem betreffenden Geschäft bereits im Zeitpunkt dessen Widmung zu betrieblichen Zwecken bzw. der erstmaligen Behandlung als betriebliches Geschäft abzeichnet.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, HGB § 161, HGB § 126 Abs. 2, HGB § 125, AO § 183

Instanzenzug: ,

Gründe

I. Streitig ist, ob erhebliche Verluste aus dem Handel mit DAX-Optionsscheinen und Devisentermingeschäften als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.

Der während des anhängigen Revisionsverfahrens verstorbene frühere Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), Herr K., war Gesellschafter der S-KG, die durch Umwandlung zum aus der S-GmbH hervorgegangen ist. An der S-KG waren Herr K. als Komplementär mit einer Festeinlage von 490 000 DM (= 98 v.H.) und Frau S. mit einer Kommanditeinlage von 10 000 DM (= 2 v.H.) beteiligt. Frau S. ist verstorben. Erbe nach Frau S. ist der Beigeladene. Die S-KG betrieb ein Tiefbauunternehmen und war auf die Ausführungen von größeren Erdbewegungen wie z.B. beim Bau von ICE-Strecken und Bundesautobahnen spezialisiert.

Auf Grund der guten Ertragslage verfügte die S-KG trotz erheblicher Investitionen in Fahrzeug- und Maschinenpark in den Jahren 1992 bis 1994 über freie Mittel von mehreren Millionen DM. Ein Teil dieser Gelder wurde als Termin- bzw. Festgeld angelegt. Mit weiteren freien Mitteln wurden Wertpapiergeschäfte, in der Hauptsache der An- und Verkauf von DAX-Optionsscheinen, getätigt; außerdem wurden in erheblichem Umfang Devisentermingeschäfte, überwiegend in US-Dollar, als sog. Differenzgeschäfte abgeschlossen. Im Allgemeinen wurde mit Beträgen zwischen zwei und sechs Millionen US-Dollar operiert. Sämtliche Geschäfte wurden über betriebliche Konten (Giro- bzw. Wertpapierkonten) der S-KG, vertreten durch deren geschäftsführenden Gesellschafter Herrn K., abgewickelt und in der laufenden Buchhaltung der S-KG zeitnah erfasst.

Im Streitjahr 1994 ist aus diesen Geschäften ein Verlust in Höhe von 1 762 941 DM angefallen. Der Verlust ergibt sich aus dem Saldo der im Streitjahr erzielten Kursgewinne von 1 008 254 DM und den Kursverlusten von 2 771 195 DM.

In der Feststellungserklärung für das Streitjahr 1994 erklärte die S-KG einen Gewinn nach Verrechnung mit den vorerwähnten Verlusten in Höhe von 586 256 DM.

Im Rahmen einer Außenprüfung, die auch die Veranlagungszeiträume 1992 und 1993 betraf, vertrat der Prüfer die Auffassung, dass ein Betriebsausgabenabzug der Verluste aus den Devisentermingeschäften und dem Handel mit DAX-Optionsscheinen, die sich allein in den Jahren 1992 bis 1994 auf insgesamt rund 5 327 000 DM belaufen haben, wegen des spekulativen und branchenuntypischen Charakters der Geschäfte zu versagen sei. Die Wertpapierbestände (Optionsscheine), welche in der Handelsbilanz ausgewiesen seien, seien nicht dem gewillkürten Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen des Herrn K. zuzurechnen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) folgte den Ergebnissen der Außenprüfung und erließ gerichtet an die S-KG gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) für die jeweiligen Prüfungsjahre (und für 1995) geänderte Feststellungsbescheide.

Dagegen wurde namens der S-KG Einspruch eingelegt, der sich auf sämtliche geänderten Feststellungsbescheide für 1992 bis 1995 bezog.

Im Einvernehmen und auf Antrag der S-KG erließ das FA die —auf den Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1994 beschränkte— Einspruchsentscheidung vom , mit der der Rechtsbehelf der S-KG als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Einspruchsentscheidung weist im Rubrum als Einspruchsführerin die S-KG aus.

Mit der Klage wird geltend gemacht, dass die von der S-KG erzielten Verluste aus den Devisentermingeschäften und den Optionsgeschäften steuerlich anzuerkennen seien. Die Verluste seien betrieblich veranlasst, weil die Geschäfte, aus denen sie entstanden seien, dem Betrieb der S-KG zuzuordnen gewesen seien. Im Rubrum der Klageschrift wird ausschließlich die S-KG genannt. Allerdings lautet der Eingangssatz, dass die Klage „namens und im Auftrag des Klägers” (meint: Herrn K.) erhoben wird. Die der Klageschrift beigefügte Vollmacht lautet ebenfalls auf die S-KG und ist offensichtlich von Herrn K. unterschrieben worden.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Die Entscheidung vom 5 K 2546/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1333 veröffentlicht.

Bereits mit notariellem Vertrag vom wurde die S-KG —erneut— auf die S-GmbH umgewandelt. Die Eintragung der S-GmbH ins Handelsregister erfolgte am .

Die erneute Umwandlung der S-KG auf die S-GmbH ist im bisherigen Verfahren übersehen worden.

Gegen das Urteil des FG richtet sich die Revision des FA.

Während des Revisionsverfahrens ist am das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn K. eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt R bestellt worden. Der Insolvenzschuldner ist am verstorben. Das Insolvenzverfahren wird daher als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt.

Auf Nachfrage des Berichterstatters hat der Insolvenzverwalter erklärt, dass er den Rechtsstreit gemäß § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) aufnimmt, soweit der erkennende Senat die Klage als solche des Herrn K. auslegt.

Zur Begründung der Revision führt das FA aus, das FG-Urteil sei schon wegen der Unzulässigkeit der Klage aufzuheben. Die Klage sei von der S-KG zu einem Zeitpunkt erhoben worden, zu dem sie bereits nicht mehr existent und damit nicht mehr klagebefugt gewesen sei.

Zudem rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht habe das FG die Verluste aus dem DAX-Optionshandel und den Devisentermingeschäften bei der Ermittlung der Einkünfte der S-KG berücksichtigt. Die Geschäfte seien durch den persönlich haftenden Gesellschafter K mit Eigenmitteln der S-KG abgewickelt worden. Die Geschäftsführungsbefugnis des K habe sich jedoch gemäß § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages nur auf alle gewöhnlichen und/oder branchenüblichen Geschäfte erstreckt. Für andere Geschäfte, worunter auch die hier streitigen Options- und Termingeschäfte fielen, sei die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich gewesen. Eine entsprechende Beschlussfassung der Gesellschaft habe im Zeitpunkt der Geschäftsabwicklung nicht vorgelegen. Die Wertpapiergeschäfte des Herrn K. seien daher nicht betrieblich veranlasst gewesen. Die Verluste seien Herrn K. vielmehr auf dessen Vermögensebene zuzurechnen. Eine nachträgliche konkludente Genehmigung durch die vorangegangene Bilanzaufstellung könne die Zuordnung nicht mehr ändern, da, entgegen der Annahme des FG, betrieblichen Vorgängen, die vom Willen des Steuerpflichtigen abhingen, keine ex-tunc-Wirkung beigelegt werden könne.

Das FA beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht für zulässig und begründet erachtet. Der angefochtene Bescheid für 1994 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat das FG angenommen, dass die Verluste aus den Wertpapiergeschäften und den Devisentermingeschäften in Höhe von 1 762 941 DM betrieblich veranlasst waren.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Das FG ist zu Unrecht von der Klägerstellung der S-KG ausgegangen. Mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister war die S-KG voll beendet. Damit ist auch ihre Befugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO entfallen, für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen. Nach der Vollbeendigung sind allein die von dem angefochtenen Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugt. Eine namens der S-KG erhobene Klage wäre danach unzulässig.

Gleichwohl führte die fehlerhafte Adressierung der Einspruchsentscheidung nicht zu deren Unwirksamkeit, da sie sich trotz Adressierung an die Gesellschaft an deren Gesellschafter richtete und dem Bevollmächtigten gemäß § 183 Abs. 2 und 3 AO bekannt gegeben worden ist (vgl. , BFH/NV 2000, 1074). Entspricht das Rubrum der Klageschrift, in diesem Fall dem der Einspruchsentscheidung, hat das FA die fehlerhafte Klägerbezeichnung dem Grunde nach veranlasst. Da aber für das FA erkennbar war, dass die Klage zulässigerweise nur von den ehemaligen Gesellschaftern der voll beendeten Gesellschaft erhoben werden konnte, kann auch die Klage gegen den Wortlaut nur dahin ausgelegt werden, dass sie von einem oder allen ehemaligen Gesellschaftern eingelegt worden ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 146, und , BFH/NV 2005, 162). Dass die Klage von dem rechtskundigen Prozessvertreter erhoben worden ist, steht der Auslegung in diesem Fall nicht entgegen.

Da die Prozessvollmacht aber ersichtlich nur von Herrn K. erteilt worden ist, kann die Klageschrift nur dahin ausgelegt werden, dass sie namens des Herrn K. erhoben worden ist.

c) Diese Auslegung hat zur Folge, dass der gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugte Erbe der Kommanditistin Frau S. notwendig beizuladen ist (§ 60 Abs. 3 FGO). Die unterlassene Beiladung, die gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO auch im Revisionsverfahren erfolgen kann, hat der erkennende Senat mit Beschluss vom nachgeholt.

2. Zu Recht hat das FG der Klage auch in der Sache stattgegeben. Die Verluste aus dem Handel mit den DAX-Optionsscheinen und den Devisentermingeschäften waren betrieblich veranlasst.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH stellen Devisen- oder Warentermingeschäfte ebenso wie Aktienoptionsgeschäfte spekulative Geschäfte dar, die vorwiegend im privaten Bereich getätigt werden (, BFH/NV 1997, 114; vom XI R 1/96, BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, und vom VIII R 63/96, BFHE 188, 358, BStBl II 1999, 466, jeweils m.w.N.). Sie können aber auch betrieblich veranlasst sein. Dies erfordert, dass nach Art, Inhalt und Zweck des zu beurteilenden Geschäfts ein (wirtschaftlicher) Zusammenhang mit dem Betrieb besteht (vgl. , BFHE 133, 379, BStBl II 1981, 658, unter 2. der Gründe; in BFH/NV 1997, 114, unter 2.a der Gründe). Ein solcher Zusammenhang mit dem Betrieb setzt nicht notwendigerweise voraus, dass es sich um ein branchentypisches Geschäft handelt. Bei branchenuntypischen Geschäften ist der betriebliche Zusammenhang allerdings sorgfältig zu prüfen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1997, 114, unter 2.a der Gründe, und in BFHE 188, 358, BStBl II 1999, 466). Die Zuordnung solcher Risikogeschäfte zur betrieblichen Sphäre setzt daher zunächst einen eindeutigen, nach außen verbindlich manifestierten Zuordnungsakt des Steuerpflichtigen voraus (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil in BFHE 133, 379, BStBl II 1981, 658, unter 2.a und b der Gründe; , BFH/NV 1996, 474, unter 1.b der Gründe, m.w.N.). Insoweit ist von wesentlicher Bedeutung, ob die Risikogeschäfte von vornherein als betriebliche Geschäfte behandelt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 114, unter 2.a der Gründe).

Des Weiteren erfordert eine betriebliche Zuordnung, dass die Geschäfte im Zeitpunkt ihrer Vornahme bzw. Durchführung auch objektiv geeignet sind, den Betrieb (durch Verstärkung dessen Kapitals) zu fördern. Diese Anforderungen entsprechen den Grundsätzen, die der BFH für die Bildung des gewillkürten Betriebsvermögens aufgestellt hat, insbesondere dem Erfordernis eines Förderungszusammenhangs (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 114, unter 2.a der Gründe, mit umfangreichen Nachweisen). Der betriebliche Veranlassungszusammenhang ist für die Devisen- oder Warentermingeschäfte gleichermaßen zu beurteilen wie für die Aktienoptionsgeschäfte. Für die Zuordnung zum betrieblichen Bereich ist deshalb ohne Bedeutung, ob das Geschäft durch den bilanziellen Ausweis eines Aktivpostens im Betriebsvermögen abgebildet werden kann.

Der betriebliche Veranlassungszusammenhang der spekulativen Finanzgeschäfte ist stets zu verneinen, wenn sich ein Verlust aus dem betreffenden Geschäft bereits im Zeitpunkt dessen Widmung zu betrieblichen Zwecken bzw. der erstmaligen Behandlung als betriebliches Geschäft abzeichnet (BFH-Urteil in BFHE 188, 358, BStBl II 1999, 466).

An der objektiven Eignung eines Geschäfts zur Förderung des Betriebes fehlt es indessen nicht schon allein deshalb, weil es Risiken in sich birgt; denn die mehr oder minder stark ausgeprägte Risikoträchtigkeit von Geschäften gehört zum Wesen einer jeden unternehmerischen Betätigung (vgl. z.B. , BFH/NV 1985, 80, unter 2.b der Gründe, m.w.N.). Bei der Ausführung branchentypischer Geschäfte ist deshalb regelmäßig von deren objektiver Eignung zur Förderung des Betriebes auszugehen (vgl. z.B. , BFHE 121, 199, BStBl II 1977, 287). Je weiter sich jedoch Art und Inhalt des zu beurteilenden Geschäfts von der Haupttätigkeit des Unternehmens entfernen, um so größer erweist sich die Gefahr von Verlusten; denn um so weniger vermag der Unternehmer die Chancen und Risiken des Geschäfts und damit dessen objektive Eignung zur Förderung des Betriebes zutreffend einzuordnen. Die Anforderungen an die Feststellung der objektiven Eignung des Geschäfts zur Stärkung des Betriebskapitals müssen deshalb in entsprechendem Maße steigen (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 114, unter 2.a der Gründe).

b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe auf den Streitfall erweist sich die Revision des FA als unbegründet.

(1) Nach den für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat die S-KG bereits bei den jeweiligen Abschlüssen der streitigen Options- und Devisentermingeschäfte unmissverständlich ihren Willen bekundet, die betreffenden Geschäfte ihrer betrieblichen Sphäre zuzuordnen (Widmung zu betrieblichen Zwecken). So sind die streitigen Geschäfte stets im Namen der S-KG abgeschlossen, über deren betriebliche Bank- und Wertpapierkonten abgewickelt und in der laufenden Buchführung erfasst worden. Hinsichtlich der Devisentermingeschäfte wurden auch nicht nur die Belastungsbuchungen, sondern ebenso die Gutschriften aus Differenzgewinnen erfasst und im Betriebsergebnis ausgewiesen.

(2) Auch die weitere Würdigung des FG, die von der S-KG getätigten spekulativen Geschäfte seien objektiv zur Stärkung des Betriebskapitals geeignet gewesen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Nach ständiger Rechtsprechung bindet die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG nach § 118 Abs. 2 FGO den BFH, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist. Das gilt nur dann nicht, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstößt, oder ihr zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu Grunde liegen (vgl. , BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359).

Das FG hat insoweit rechtsfehlerfrei auf das umfangreiche kaufmännische Wissen und die unternehmerischen Erfahrungen des Herrn K. (Komplementär der S-KG) verwiesen, welches sich nicht zuletzt an dem erheblichen geschäftlichen Erfolg der S-KG auf ihrem eigentlichen unternehmerischen Betätigungsfeld widergespiegelt habe. Ebenfalls ohne Verstoß gegen die Denkgesetze konnte das FG zu dem Schluss gelangen, dass Herr K. auf Grund der seit Jahren getätigten spekulativen Geschäfte hinsichtlich Art, Inhalt und Abwicklung der Options- und Devisentermingeschäfte nicht unerfahren und er durchaus in der Lage gewesen sei, die diesen Geschäften anhaftenden Risiken und Chancen zu erkennen und entsprechend am Markt zu agieren. Zu Recht hat das FG in diesem Zusammenhang auch gewürdigt, dass die S-KG sich bei der Durchführung der Geschäfte auch der fachkundigen Beratung und Mitwirkung der Hausbank bedient habe. Dem FG ist auch darin zu folgen, dass die gute Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens es der S-KG erlaubt habe, sich nach Gewinnchancen auf den Märkten außerhalb ihres eigentlichen Betätigungsfeldes umzusehen. Die S-KG verfügte nach den Feststellungen des FG über liquide Mittel zwischen 2 Mio. DM und 3,5 Mio. DM, denen vergleichsweise geringe Fremdverbindlichkeiten gegenüberstanden. Zudem war der Bedarf an Sachinvestitionen in das Unternehmen befriedigt. Nach den Feststellungen des FG hat die S-KG zudem bewusst in die streitigen Finanzmarktgeschäfte investiert, da diese bei allen Verlustrisiken, den Vorteil geboten hätten, dass das Kapital nicht in Höhe der Basiswerte, sondern nur in Höhe der möglicherweise auszugleichenden Kursverluste bzw. in Höhe der Optionsprämien bzw. der Glattstellungsbeträge eingesetzt und gebunden gewesen sei. Auch hätten die einzelnen getätigten Finanzgeschäfte keine Größenordnung angenommen, die zu einer konkreten Gefährdung der finanziellen Grundlagen des eigentlichen Unternehmens der S-KG hätte führen können. Die S-KG habe mit der Dollarparität bzw. dem DAX-Index Basiswerte gewählt, bei denen extreme Preis- und Kursschwankungen nicht zu erwarten gewesen seien. Eine Beendigung des Engagements hätte bei eintretenden verlustträchtigen Entwicklungen kurzfristig erfolgen können.

Aus diesen Feststellungen hat das FG den —selbst unter Anwendung des bei branchenfremden Risikogeschäften gebotenen strengen Maßstabs— möglichen und daher für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Schluss gezogen, dass die von der S-KG getätigten Geschäfte zur Stärkung des Betriebskapitals objektiv geeignet und ausschließlich durch den Betrieb veranlasst gewesen seien.

Dem FG ist auf Grund der obigen Feststellungen auch dahin zu folgen, dass die getätigten Finanzgeschäfte im Streitfall trotz ihres spekulativen Charakters nicht in die Nähe von Glücksspielen zu rücken, sie vielmehr Ausdruck wirtschaftlichen Handelns im Rahmen professioneller Anlagestrategien gewesen seien, um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen.

(3) Schließlich hat das FG auch dem Einwand des FA, dass Herr K. die Finanzgeschäfte ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung getätigt habe, im Ergebnis zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Herr K. war als Komplementär gemäß §§ 161 Abs. 2, 125 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) zur Vertretung der S-KG (im Außenverhältnis) ermächtigt. Gemäß §§ 161 Abs. 2, 126 Abs. 2 HGB gilt die Vertretungsmacht gegenüber Dritten unbeschränkt. Wie unter II.2.b (1) dargelegt, sind die Finanzgeschäfte stets im Namen und auf Rechnung der S-KG durchgeführt worden. Die Finanzgeschäfte sind daher stets der S-KG zuzurechnen gewesen, unabhängig davon, ob Herr K. im Innenverhältnis seine Geschäftsführungsbefugnis gemäß §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 2 HGB überschritten haben sollte. Die vom FA behauptete Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis des Herrn K. ist daher schon vom Ansatz her nicht geeignet, diesem die namens der S-KG durchgeführten Finanzgeschäfte steuerlich zuzurechnen und die damit zusammenhängenden Verluste aus dem betrieblichen Veranlassungszusammenhang der S-KG zu lösen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1650 Nr. 10
EStB 2009 S. 347 Nr. 10
KAAAD-27368