OFD Hannover - G 1401 - 9 - StO 254

Ertragsteuerliche Beurteilung von ärztlichen Laborleistungen

BStBl 2009 I S. 398

„Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur ertragsteuerlichen Beurteilung von ärztlichen Laborleistungen Folgendes:

I. Erbringung von Laborleistungen durch einen niedergelassenen Laborarzt

Der Laborarzt erzielt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn er – ggf. unter Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte – auf Grund der eigenen Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (sogenannte Stempeltheorie). Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Hierfür sind die Praxisstruktur, die individuelle Leistungskapazität des Arztes, das in der Praxis anfallende Leistungsspektrum und die Qualifikation der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit liegt im Einzelfall z. B. dann nicht vor, wenn die Zahl der vorgebildeten Arbeitskräfte und die Zahl der täglich anfallenden Untersuchungen eine Eigenverantwortlichkeit ausschließen.

II. Erbringung von Laborleistungen durch eine Laborgemeinschaft

1. Definition der Laborgemeinschaft

Nach § 25 Abs. 3 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) ist eine Laborgemeinschaft eine Gemeinschaftseinrichtung von Vertragsärzten, welche dem Zweck dient, labormedizinische Analysen in derselben gemeinschaftlich genutzten Betriebsstätte zu erbringen. Die Gesellschaften besitzen aus diesem Grund die für das Labor notwendigen Räume, stellen das Hilfspersonal ein und beschaffen die notwendigen Apparate und Einrichtungen. Die Gesellschafter haben in der Regel gleiche Investitionseinlagen zu leisten und sind am Gesellschaftsvermögen in gleicher Höhe beteiligt.

Laborgemeinschaften können in unterschiedlichen Organisationsformen – wie z. B. als Leistungserbringer, als Abrechnungseinheit oder als Laborgemeinschaft mit einer gesonderten Betriebsführungs- oder Laborgesellschaft – tätig werden.

2. Ertragsteuerliche Beurteilung

Unabhängig von der jeweiligen Organisationsform kommt es für die ertragsteuerliche Beurteilung auf die Gewinnerzielungsabsicht (§ 15 Abs. 2 EStG) an.

a) Erbringung von Laborleistungen ausschließlich an Mitglieder

Bei einer Laborgemeinschaft handelt es sich ertragsteuerlich regelmäßig um eine Kosten-/Hilfsgemeinschaft, die lediglich den Gesellschaftszweck\u201e Erlangung wirtschaftlicher Vorteile durch gemeinsame Übernahme von Aufwendungen\u201c verfolgt, d. h. die auf gemeinsame Rechnung getätigten Betriebsausgaben im Einzelnen auf ihre Mitglieder umzulegen. Die Ausgliederung aus der Einzelpraxis erfolgt ausschließlich aus technischen Gründen. Die Laborgemeinschaften sollen lediglich kostendeckend arbeiten, jedoch keinen Gewinn erzielen. Eine Gewinnerzielungsabsicht liegt daher grundsätzlich nicht vor.

Ist eine Ärztegemeinschaft an einer lediglich kostendeckend arbeitenden Laborgemeinschaft beteiligt, entsteht keine Mitunternehmerschaft i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, so dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für die gesamte Ärztegemeinschaft nicht anwendbar ist. Die Einnahmen aus einer Laborgemeinschaft oder aus Laborleistungen sind in diesem Fall unmittelbar den Einnahmen aus selbständiger Arbeit der beteiligten Ärzte zuzurechnen.

Da die Laborgemeinschaft auf Grund der lediglich kostendeckenden Auftragsabwicklung nicht mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird, ist in diesem Fall eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für die Laborgemeinschaft nicht vorzunehmen. Es sind lediglich die anteiligen Betriebsausgaben gesondert festzustellen. Dies gilt auch für Laborgemeinschaften mit einer großen Zahl von Mitgliedern.

Die Änderung der Abrechnungsgrundsätze zwischen der Laborgemeinschaft und der gesetzlichen Krankenversicherung in Folge der Neureglung des § 25 Abs. 3 BMV-Ä ändert an dieser Rechtsauffassung nichts, wenn die Laborgemeinschaft weiterhin lediglich die Kosten gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse in der Höhe abrechnet, in der diese ihr tatsächlich entstanden sind (§ 25 Abs. 3 Satz 4 BMV-Ä). Der Gewinn wird in diesem Fall weiterhin ausschließlich durch die einzelnen Mitglieder im Rahmen ihrer jeweiligen ärztlichen Tätigkeit erwirtschaftet.

Sind an einer Laborgemeinschaft, die nicht mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird, auch niedergelassene Laborärzte beteiligt, ist eine Umqualifizierung der Einkünfte erst auf der Ebene des niedergelassenen Laborarztes nach den oben dargestellten Grundsätzen zu prüfen.

Erzielt die Laborgemeinschaft hingegen Gewinne, stellt diese keine Kosten-/Hilfsgemeinschaft mehr im o. g. Sinne, sondern eine Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG dar. Für die Prüfung, ob die Laborgemeinschaft in diesem Fall gewerbliche (§ 15 EStG) oder freiberufliche (§ 18 EStG) Einkünfte erzielt, gelten die unter I. dargestellten Grundsätze entsprechend. Danach ist zu prüfen, ob unter. Berücksichtigung der Zahl der Angestellten und der durchgeführten Untersuchungen eine eigenverantwortliche Tätigkeit der an der Laborgemeinschaft beteiligten Ärzte noch gegeben ist. Ist dies zu bejahen und sind nur selbständig tätige Ärzte an der Laborgemeinschaft beteiligt, erzielen sie Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Ist dies zu verneinen und/oder sind nicht nur selbständig tätige Ärzte an der Laborgemeinschaft beteiligt, sind die gesamten Einkünfte der Laborgemeinschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu behandeln. Wegen der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alternative EStG schlägt diese Behandlung dann auch auf die Einkünftequalifizierung der beteiligten Ärztegemeinschaften durch (Abfärbung bei sogenannten „Beteiligungseinkünften”).

b) Erbringung von Laborleistungen an Nichtmitglieder

Erbringt die Laborgemeinschaft auch Laboruntersuchungen für Nichtmitglieder, ist wie bei den niedergelassenen Laborärzten zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Zahl der Angestellten und durchgeführten Untersuchungen eine eigenverantwortliche Tätigkeit der Laborgemeinschaft noch gegeben ist.

III. Anwendungszeitraum

Dieses Schreiben ersetzt das (BStBl 2003 I S. 170). Es gilt für Veranlagungszeiträume ab 2008.”

Zusatz der Oberfinanzdirektion Hannover

Im Zusammenhang mit den ärztlichen Laborleistungen weist die OFD noch auf zwei Besonderheiten hin:

1. Ertragsteuerliche Behandlung der von den Laborgemeinschaften erhobenen Umlagen

Die ertragsteuerliche Behandlung der von den Laborgemeinschaften mangels eigener Einnahmen erhobenen Umlagen bei den beteiligten Ärzten hängt von der Buchung bei den Laborgemeinschaften ab. Hat die Laborgemeinschaft die vereinnahmten Umlagen als Einlagen und damit erfolgsneutral ausgewiesen, so darf der beteiligte Arzt die Zahlung der Umlage nicht als Betriebsausgabe abziehen. Bucht die Gemeinschaft dagegen die Umlagen als Betriebseinnahme, so steht dieser Einnahme die Zahlung des beteiligten Arztes als gewinnmindernde Betriebsausgabe gegenüber. In beiden Fällen wirken sich bei dem beteiligten Arzt im Ergebnis nur die nach der gesonderten Feststellung gem. § 180 Abs. 2 AO auf ihn anteilig entfallenden Aufwendungen der Laborgemeinschaft gewinnmindernd aus.

Die erforderliche übereinstimmende Behandlung bei den beteiligten Ärzten ist durch einen entsprechenden Vermerk auf den ESt 4 B-Mitteilungen sicherzustellen.

Dem für die Veranlagung des Arztes zuständigen Finanzamt bzw. Bearbeiter ist dabei mitzuteilen, ob die Laborgemeinschaft die vereinnahmten Umlagen als Einlagen behandelt hat, so dass sie der Beteiligte im Rahmen seiner Gewinnermittlung nicht als Betriebsausgaben abziehen darf, oder ob die Laborgemeinschaft die Umlagen als Betriebseinnahmen gebucht hat, so dass ein Betriebsausgabenabzug im Rahmen der Gewinnermittlung der Beteiligten in Betracht kommt.

Der durch gesonderte Feststellung des für die Laborgemeinschaft zuständigen Finanzamts ermittelte anteilige Verlustbetrag stellt bei dem beteiligten Arzt in jedem Fall eine Betriebsausgabe dar.

2. Auswirkung des seit dem bestehenden Vergütungssystems

Seit dem werden die laborärztlichen Leistungen in einen analytischen und einen ärztlichen Honorarteil aufgeteilt. Für die analytischen Leistungen werden bundeseinheitliche Kostensätze festgesetzt, während für die Honorierung der ärztlichen Leistungen als neues Element ein Wirtschaftlichkeitsbonus eingeführt wird. Hiermit soll ein Anreiz gesetzt werden, die für das Allgemein- und Speziallabor getrennten Budgets nicht zu überschreiten.

Dieses Verfahren ermöglicht es, die Vergütung für den analytischen vom ärztlichen Honorarteil zu trennen. In diesem Zusammenhang ist die Frage aufgeworfen worden, ob sich aufgrund dieser Trennungsmöglichkeit die bisherige Zuordnung der Tätigkeit zu den freiberuflichen Einkünften i. S. d. § 18 EStG verändert und nunmehr gewerbliche Einkünfte anzunehmen sind.

Nach übereinstimmender Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder wird die steuerliche Behandlung allein durch die Trennung der Laborarbeiten in einen technischen und einen ärztlichen Honorarteil nicht in Frage gestellt. Durch das Vergütungssystem ändert sich nicht die Art der ärztlichen Tätigkeit, d. h. der Charakter der Erfüllung des Untersuchungsauftrages als ärztliche Leistung bleibt unverändert bestehen.

Zu einer anderen Qualifizierung der Einkünfte eines Laborarztes kann es nach ständiger BFH-Rechtsprechung jedoch dann kommen, wenn die Tätigkeit des Arztes nicht mehr als eigenverantwortlich angesehen werden kann (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) – vgl. BStBl 1995 II S. 732. Nach dem (BStBl 1992 II S. 413) ist im Übrigen eine einheitliche Erfassung der Einkünfte nur dann geboten, wenn die Betätigungen sich gegenseitig bedingen und derart miteinander verflochten sind, dass nach der Verkehrsauffassung ein einheitlicher Betrieb anzunehmen ist.

OFD Hannover v. - G 1401 - 9 - StO 254

Fundstelle(n):
OAAAD-22770