BGH Beschluss v. - II ZR 77/08

Leitsatz

[1] Lässt die Begründung der angefochtenen Entscheidung nur den Schluss zu, dass die Entscheidung des Gerichts auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn des Parteivortrags erfassenden Wahrnehmung beruht, liegt darin ein Verstoß des Gerichts gegen den Anspruch der betroffenen Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Jena, 7 U 486/07 vom LG Erfurt, 8 O 13/06 vom

Gründe

I.

Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat. Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, die Klägerin könne von den Beklagten aus der Verletzung gesellschafterlicher Treuepflichten (Beklagte zu 2 und 3) bzw. aus § 826 BGB (Beklagter zu 1) keinen Schadensersatz verlangen, den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1.

a)

Das Berufungsgericht hat es zwar nicht für ausgeschlossen gehalten, dass die ARGE B. /K. (nachfolgend: ARGE) die Abnahme des im Rahmen der Liefergemeinschaft (= BGB-Gesellschaft zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2 und 3) auf die Klägerin entfallenden Anteils des zu liefernden Frostschutzkieses zu Unrecht abgelehnt hat. Dies ist daher zugunsten der Klägerin im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als richtig zu unterstellen. Das Berufungsgericht hat gleichwohl das klageabweisende Urteil bestätigt, weil es sich aufgrund des Sachvortrags der Parteien und der von diesen vorgelegten Unterlagen nicht davon zu überzeugen vermochte (§ 286 ZPO), dass die Abnahmeverweigerung der ARGE auf einem kollusiven Zusammenwirken zwischen ihr und den Beklagten beruht hat, das das Ziel hatte, die Klägerin zugunsten der übrigen Gesellschafter der Liefergemeinschaft von den Belieferungs- und den damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten auszuschließen.

b)

Bei seiner Bewertung des Sachvortrags hat das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nur unvollständig zur Kenntnis genommen und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Die Klägerin hat vorgetragen und durch die Benennung von Zeugen unter Beweis gestellt, dass den - zwischen den Parteien unstreitigen - nächtlichen Schottertransporten aus dem Werk der K. GmbH & Co. KG (= Gesellschafterin der ARGE) an das Werk der Beklagten zu 3 die mit dem Geschäftsführer und Oberbauleiter der ARGE und zugleich leitenden Mitarbeiter der K. GmbH & Co. KG H. getroffene Vereinbarung zugrunde lag, dass diese Lieferungen im Gegenzug "zur Abwehr der Lieferungen der Klägerin" erfolgen sollten und dementsprechend erfolgt seien. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag zwar im Tatbestand kurz erwähnt, er ist ausweislich der Begründung jedoch nicht in die Entscheidungsfindung eingeflossen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn dieses Vortrags der Klägerin zugrunde gelegt hat. Anders ist nicht erklärlich, dass ein derart wichtiges, für ein kollusives Verhalten sprechendes Indiz unerwähnt geblieben ist.

c)

Durch die Verkennung des Kerngehalts des Vortrags der Klägerin hat das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen (Sen. Beschl. v. - II ZR 207/07, ZIP 2008, 2311 Tz. 4). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner ist dieser Vortrag nicht wegen mangelnder Substantiierung unbeachtlich. Zur Substantiierung der Behauptung, die Beklagten hätten mit dem Geschäftsführer der ARGE zu Lasten der Klägerin ein Kompensationsgeschäft mit dem Ziel der Herausdrängung der Klägerin aus der Liefergemeinschaft geschlossen, gehört entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner nicht der Vortrag, "wer, wann, wo, mit wem" diese Vereinbarung getroffen hat. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist, und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien besteht. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (Sen. Urt. v. - II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848 m.w.Nachw.; Beschl. v. - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 Tz. 8). Da die Klägerin bei derartigen Absprachen selbstverständlich nicht anwesend war, genügt sie ihrer Darlegungslast, wenn sie die Tatsache einer Absprache in das Wissen von Zeugen stellt, die an dem Gesamtvorgang beteiligt waren.

2.

a)

Das Übergehen des Vortrags der Klägerin ist entscheidungserheblich. Eine Absprache, wie die von der Klägerin behauptete, ist, wenn es um den Nachweis eines kollusiven Zusammenwirkens geht, an dem der Benachteiligte naturgemäß selbst nicht beteiligt ist und hinsichtlich dessen er daher nur Umstände und Anzeichen aufzeigen kann, die ein solches Vorgehen belegen, eine wichtige, besonders aussagekräftige Indiztatsache. Wäre die Absprache im Berufungsverfahren bewiesen worden, ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht die übrigen von der Klägerin vorgetragenen und durch Unterlagen belegten Indiztatsachen, anders, d.h. zugunsten der Klägerin, bewertet hätte (§ 286 ZPO).

b)

Gegen die Entscheidungserheblichkeit der Gehörsverletzung wenden sich die Beschwerdegegner vergeblich mit ihrer Ansicht, die Klägerin könne mangels Vortrags zur Auseinandersetzung der Liefergemeinschaft den Schadensersatzanspruch ohnehin nicht mit Erfolg geltend machen (sog. Durchsetzungssperre). Zudem sei der Anspruch der Höhe nach nicht schlüssig dargetan und die Klage auch deshalb abzuweisen gewesen. Dabei verkennen die Beschwerdegegner, dass das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keinen Anlass hatte, Feststellungen zur Auflösung der BGB-Gesellschaft, zu einem evtl. trotz noch nicht beendeter Auseinandersetzung bestehenden, isoliert durchsetzbaren Anspruch der Klägerin (siehe insoweit Sen. Urt. v. - II ZR 111/92, ZIP 1993, 919, 920; v. - II ZR 231/93, ZIP 1994, 1846; v. - II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1209) und zur Schadenshöhe zu treffen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht, wenn es die Beweisaufnahme durchgeführt hätte, bei der anschließenden Bewertung der weiteren Indizien zu der Überzeugung eines kollusiven Vorgehens der Beklagten zu Lasten der Klägerin gelangt wäre, und es sich - evtl. auf nach Hinweis (§ 139 ZPO) erfolgtem ergänzenden Vortrag der Parteien - von dem Bestehen eines durchsetzbaren Schadensersatzanspruchs in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe überzeugt hätte.

III.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nach Erhebung der angetretenen Beweise das Vorhandensein eines kollusiven Vorgehens der Beklagten zu Lasten der Klägerin erneut unter Einbeziehung des gesamten Sachvortrags und aller in den Akten befindlichen Unterlagen zu würdigen und, soweit danach erforderlich, die Durchsetzbarkeit und die Höhe der Schadensersatzforderung zu prüfen haben. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass für den Fall, dass die Liefergemeinschaft noch nicht auseinandergesetzt sein sollte, eine Umdeutung des Leistungsantrags der Klägerin in einen Feststellungsantrag in Betracht kommt (st. Sen.Rspr., s. nur Urt. v. - II ZR 103/01, NZG 2002, 519; v. - II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1210 jeweils m.w.Nachw.).

Fundstelle(n):
DStR 2009 S. 758 Nr. 15
NJW 2009 S. 2137 Nr. 29
WM 2009 S. 1154 Nr. 24
ZIP 2009 S. 1031 Nr. 21
WAAAD-17900

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja