BFH Beschluss v. - III B 161/07

Terminsverlegung wegen Erkrankung des zuständigen Partners einer Sozietät

Gesetze: FGO § 119 Nr. 3, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, ZPO § 227

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin und ihr Ehemann (Kläger) sind Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und haben die von ihnen gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts bevollmächtigt. Für die Streitjahre 1994 und 1995 wurden sie zunächst als Eheleute unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach Aufhebung des Vorbehaltes legten sie dagegen Einspruch ein und beantragten getrennte Veranlagung. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hob den Bescheid über die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehaltes auf, veranlagte sie am getrennt und setzte jeweils Zinsen zur Einkommensteuer fest. Außerdem setzte das FA gegen die Kläger unter der Steuernummer der Zusammenveranlagung am Zinsen für 1994 und für 1995 fest.

Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, die mündliche Verhandlung habe ohne Prozessbevollmächtigten der Kläger stattfinden können. Ob die Klägerin ihre Verhinderung am Abend vor der mündlichen Verhandlung ausreichend glaubhaft gemacht habe, könne dahinstehen. Da die Vollmacht auf eine Sozietät ausgestellt sei, hätte nach dem (BFH/NV 2005, 1578) auch die Verhinderung des ebenfalls bevollmächtigten Klägers glaubhaft gemacht werden müssen, was nicht geschehen sei. Deshalb habe es, das FG, von einer Vertretungsmöglichkeit ausgehen und das Vorliegen erheblicher Gründe für eine Terminsverlegung verneinen dürfen. Die Klage sei unbegründet, da der geänderte Zinsbescheid vom im Hinblick auf die Zusammenveranlagung nach § 233a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) habe ergehen können. Die mit den getrennten Einkommensteuerbescheiden verbundenen Zinsfestsetzungen vom hätten auf die streitigen Zinsbescheide keinen verfahrensrechtlichen Einfluss.

Gegen das finanzgerichtliche Urteil erhob nur die Klägerin Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision. Sie trägt vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und die Entscheidung des FG beruhe auf einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Der Antrag auf Terminsverlegung sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden. Die Erkrankung der für die Bearbeitung zuständigen Klägerin und die von der behandelnden Ärztin verordnete Bettruhe sowie das von ihr angeordnete Reiseverbot seien dem FG rechtzeitig mitgeteilt und durch Atteste belegt worden. Die Annahme des FG, das andere Sozietätsmitglied —der Kläger— hätte den Termin wahrnehmen können, sei unzutreffend. Dem FG sei telefonisch mitgeteilt worden, dass sich der Kläger im Ausland aufhalte. Im Übrigen hätte er sich nicht mehr in das Verfahren einarbeiten können, da die ärztliche Behandlung der Klägerin am Vorabend der mündlichen Verhandlung erst um 17.30 Uhr abgeschlossen worden sei und der Kläger am nächsten Morgen spätestens um 8.00 Uhr hätte aufbrechen müssen.

Da der Wechsel der Veranlagungsart nach dem (BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690) ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO darstelle, bestimme sich der Zinslauf nicht, wie vom FG angenommen, nach § 233a Abs. 5 AO, sondern beginne erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt worden sei (§ 233a Abs. 2 a AO).

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.

1. Zu Recht macht die Klägerin geltend, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO lägen vor. Das angefochtene Urteil verletzt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes), weil das FG zur Sache mündlich verhandelt und entschieden hat, obwohl sie am Vorabend der mündlichen Verhandlung wegen Erkrankung eine Verlegung des Termins beantragt und dabei angegeben hatte, dass sich der Kläger im Ausland befinde.

a) Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung). Zu diesen erheblichen Gründen gehört auch die Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten (vgl. Senatsbeschluss vom III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240, m.w.N.), die bei kurzfristigen Anträgen glaubhaft zu machen ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1578).

Kann der Prozessbevollmächtigte wegen Krankheit einen anberaumten Termin nicht wahrnehmen, so ist das Gericht gleichwohl nicht an der Durchführung des Termins gehindert, wenn die Prozessvollmacht —wie im Streitfall— auf eine Sozietät ausgestellt ist und der Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann. Hinderungsgründe für eine Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den zuständigen Sachbearbeiter müssen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden (BFH-Beschlüsse vom X B 23/96, BFH/NV 1998, 726, und vom I B 3/98, BFH/NV 1999, 626); ohne einen solchen Vortrag darf das Gericht von dem Bestehen einer Vertretungsmöglichkeit ausgehen und demgemäß das Vorliegen „erheblicher Gründe” für eine Terminsverlegung verneinen (, BFH/NV 2004, 1282). Eine kurzfristige Terminsvertretung durch einen Kollegen kann allerdings wegen fehlender Einarbeitungszeit unzumutbar sein, wenn es sich um eine umfangreiche Sache oder um nicht einfache Rechtsfragen handelt (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 626). Dem Antrag auf Terminsaufhebung ist daher im Zweifel zu folgen, sofern nicht begründeter Anlass für die Absicht einer Prozessverschleppung besteht (Senatsurteil vom III R 87/89, BFH/NV 1991, 830).

b) Nach diesen Grundsätzen hätte das FG nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern den anberaumten Termin antragsgemäß verlegen müssen. Denn die Klägerin hatte ihre Verhinderung insbesondere durch ärztliches Attest glaubhaft gemacht, und von der Möglichkeit und Zumutbarkeit ihrer kurzfristigen Vertretung durch den Kläger konnte nicht ausgegangen werden.

In der unterlassenen Terminsverlegung ist ein Verfahrensmangel zu sehen (Versagung rechtlichen Gehörs, § 119 Nr. 3 FGO), auf dem das Urteil des FG beruht.

2. Auf die Begründetheit der Sachrüge kommt es nicht an.

3. Das angefochtene Urteil war gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 406 Nr. 3
RAAAD-03656