BFH Beschluss v. - I B 113/08

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Erlass einer durch einen Veräußerungsgewinn ausgelösten Kirchensteuer

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, KiStG, AO § 227

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) einen Teilerlass der ihm gegenüber festgesetzten Kirchensteuer verlangen kann.

Der Kläger war bis zum Streitjahr (2002) Kommanditist einer KG. Aus der Veräußerung des Kommanditanteils erzielte er im Streitjahr einen Gewinn in Höhe von ca. 5 Mio. €. Dieser Gewinn wurde bei der Festsetzung der Einkommensteuer als nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuernder Veräußerungsgewinn behandelt.

Da der Kläger einer kirchensteuerberechtigten Kirche angehörte, wurde ihm gegenüber für das Streitjahr Kirchensteuer festgesetzt. Die Rechtmäßigkeit dieser Sachbehandlung ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Der Kläger beantragte jedoch, ihm die Hälfte derjenigen Kirchensteuer zu erlassen, die durch den genannten Veräußerungsgewinn ausgelöst worden war. Diesen Antrag lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Kirchensteueramt) ab. Die deshalb erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen ().

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat einen Grund für die Zulassung der Revision nicht dargelegt.

1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2). Wird auf einen dieser Gründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der geltend gemachte Grund in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Wird kein Zulassungsgrund dargelegt, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn im konkreten Einzelfall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im Interesse der Allgemeinheit der Klärung bedarf. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss daher erläutert werden, welche Rechtsfrage in diesem Sinne klärungsbedürftig und in dem jeweiligen Verfahren klärungsfähig ist (BFH-Beschlüsse vom XI B 101/06, BFH/NV 2008, 396; vom X B 87/07, BFH/NV 2008, 605; vom XI B 208/07, XI B 209/07, BFH/NV 2008, 1174). Dem wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht.

a) Der Kläger hat als grundsätzlich bedeutsam zunächst die Frage bezeichnet, ob „die KiSt-Verwaltung durch Gesetz daran grundsätzlich gehindert” sei, „in Veräußerungsfällen einen Teilerlass von der auf den Veräußerungsgewinn zu veranlagenden KiSt zu gewähren”. Er hat indessen nicht aufgezeigt, inwieweit diese Frage klärungsbedürftig oder im Streitfall klärungsfähig sein könnte. Zu beiden Punkten hätte es näherer Ausführungen bedurft:

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Erlass von Steuern stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (, BFHE 184, 193, 196, BStBl II 1998, 7, 9; vom X R 134/98, BFHE 196, 400, 406, BStBl II 2002, 176, 179; vom XI R 29/05, BFH/NV 2006, 1833, 1834, m.w.N.). Bei einer Orientierung an diesem Grundsatz ist die vom Kläger formulierte Frage eindeutig zu verneinen. Ergibt sich aber die Antwort auf eine bestimmte Rechtsfrage schon aus vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung, so bedarf es zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung näherer Ausführungen dazu, dass trotz dieser Rechtsprechung weiterhin ein Klärungsbedarf besteht (, BFH/NV 2008, 603). Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung des Klägers nicht.

Ebenso fehlt es dort an Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der vom Kläger bezeichneten Frage. Solche wären schon deshalb notwendig gewesen, weil das FG den vom Kläger formulierten Rechtssatz nicht aufgestellt hat. Es hat vielmehr die Notwendigkeit einer einzelfallorientierten Betrachtung hervorgehoben und die Entscheidung des Kirchensteueramts an diesem Maßstab gemessen; eine Aussage des Inhalts, dass eine durch einen Veräußerungsgewinn ausgelöste Kirchensteuer „grundsätzlich” nicht erlassen werden dürfe, enthält das angefochtene Urteil weder ausdrücklich noch sinngemäß. Im Kern beanstandet der Kläger denn auch letztlich nur, dass das FG dem Kirchensteueramt zu Unrecht eine ausreichende Ermessensbetätigung bescheinigt habe. Mit dem Vortrag, dass das FG den konkreten Einzelfall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht unrichtig gewürdigt habe, kann eine Zulassung der Revision aber nicht erreicht werden (BFH-Beschlüsse vom IX B 257/07, BFH/NV 2008, 1331; vom IX B 12/08, BFH/NV 2008, 1509; vom IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512, m.w.N.).

b) Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die weiteren in der Beschwerdebegründung aufgeführten Fragen. Abgesehen davon könnten sich diese Fragen nur dann stellen, wenn die erste Frage zu bejahen wäre, wenn also ein Erlass von Kirchensteuer unter den hier obwaltenden Umständen „grundsätzlich” nicht gewährt werden dürfte. Nur dann könnte nämlich darüber zu befinden sein, ob dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn die in der Beschwerdebegründung geschilderten Besonderheiten hinzutreten. Da aber schon die Ausgangsfrage anders zu beantworten ist, stellen sich die vom Kläger formulierten Anschlussfragen nicht.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass jene Fragen auch in der Sache nicht klärungsbedürftig sind. Insbesondere bedarf es keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, dass die Erhebung von Kirchensteuer nicht deshalb sachlich unbillig ist, weil sich der Steuerpflichtige durch einen Austritt aus der Kirche der Steuerpflicht hätte entziehen können. Dieser Grundsatz gilt, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, auch im Hinblick auf eine durch einen Veräußerungsgewinn ausgelöste Kirchensteuer; weshalb daran Zweifel im Sinne eines Klärungsbedürfnisses bestehen könnten, ist weder vom Kläger dargetan worden noch sonst erkennbar. Ebenso bieten weder die Gesetzeslage noch die bisherige Rechtsprechung einen Anknüpfungspunkt für die Annahme, dass eine Steuer erlassen werden müsse, wenn der Steuerpflichtige eine behördliche Äußerung irrtümlich als bindende Zusage gewertet und daraufhin eine steuervermeidende Maßnahme unterlassen hat. Namentlich das dazu vom Kläger zitierte (BFHE 70, 492, BStBl III 1960, 184) betrifft eine gänzlich andere Frage und lässt sich in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht fruchtbar machen. Auf weitere Ausführungen dazu wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.

3. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hält der Kläger deshalb für einschlägig, weil das FG von dem (BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297) abgewichen sei. Daran ist richtig, dass eine Divergenz im Sinne des vor 2001 geltenden Revisionsrechts dem Anwendungsbereich des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO unterfällt. Um eine solche Divergenz darzulegen, muss aber ein das angefochtene Urteil tragender abstrakter Rechtssatz einem abweichenden Rechtssatz aus einer anderen Entscheidung derart gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom IV B 139/06, BFH/NV 2008, 57; vom VIII B 209/06, BFH/NV 2008, 1165). Daran fehlt es im Streitfall. Der Vortrag des Klägers zu diesem Punkt läuft vielmehr darauf hinaus, dass das FG die bezeichnete Entscheidung des BFH nicht beachtet oder unrichtig umgesetzt habe. Ein solcher Fehler begründet jedoch nicht die Zulassung der Revision (Senatsbeschluss vom I B 197/07, BFH/NV 2008, 1355), weshalb die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO auch insoweit nicht gerecht wird.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 114 Nr. 2
CAAAD-02637