BAG Urteil v. - 2 AZR 209/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: KSchG § 1a

Instanzenzug: ArbG Zwickau, 6 Ca 1286/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 1a KSchG.

Der Kläger war in der Zeit vom bis zum bei der Beklagten als gehobener Baufacharbeiter beschäftigt. Er erhielt zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.769,43 Euro.

Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum . Im Kündigungsschreiben ist ua. ausgeführt:

"Unter der Voraussetzung, dass Sie gegen die voranstehende Kündigung keine Kündigungsschutzklage erheben und keine vorherige (d.h. vor dem ) Wiedereinstellung bzw. Zurücknahme der Kündigung erfolgt, bieten wir Ihnen hiermit eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 Euro, zur Zahlung fällig am , an."

Der Kläger erhob keine Kündigungsschutzklage. Die Beklagte zahlte ihm beim Ausscheiden eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 Euro.

Mit seiner, der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger die Differenz zwischen dem gezahlten Abfindungsbetrag und einer sich nach der Berechnung gemäß § 1a KSchG ergebenden Abfindung in Höhe von 11.501,30 Euro geltend gemacht. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihm die nach § 1a KSchG zu berechnende Abfindungshöhe, da sie ihm im Kündigungsschreiben vom ein Angebot iSd. § 1a KSchG gemacht habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.501,30 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten hieraus seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, es sei lediglich eine individuelle Abfindungsvereinbarung mit einer Abfindung in Höhe von 6.000,00 Euro angeboten worden und zustande gekommen. Sie habe zu keinem Zeitpunkt eine Abfindung gemäß § 1a KSchG anbieten wollen und auch nicht angeboten.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Bruttodifferenzbetrages verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die Zahlung des Differenzbetrages.

Gründe

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat im Wesentlichen angenommen, dem Kläger stehe kein weiterer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zu. Die Beklagte habe dem Kläger keine Abfindung iSv. § 1a KSchG angeboten. Da sie ihm nur einen erheblich niedrigeren Abfindungsbetrag als nach § 1a Abs. 2 KSchG angeboten habe, sei ein Abfindungsanspruch in der angegebenen Höhe auf vertraglicher Grundlage zustande gekommen. Dies ergebe die Auslegung des Kündigungsschreibens vom . Insbesondere sei durch die Formulierung "wir bieten an" für den Kläger deutlich erkennbar geworden, dass die Beklagte abweichend von der gesetzlichen Regelung eine Vertragslösung angeboten habe.

B. Der Senat folgt den Ausführungen des Berufungsgerichts im Ergebnis und in der Begründung.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 1a Abs. 2 KSchG zu. Die Voraussetzungen des § 1a KSchG sind nicht erfüllt.

I. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt der Anspruch den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

II. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 1a KSchG mit zutreffender Begründung verneint. Das Schreiben der Beklagten vom enthält keinen Hinweis iSv. § 1a KSchG. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung dieses Schreibens der Beklagten ist frei von Rechtsfehlern und hält den Angriffen der Revision stand.

1. § 1a KSchG steht der Auslegung eines Kündigungsschreibens als eigenständiges, von den Voraussetzungen des § 1a KSchG unabhängiges Abfindungsangebot nicht entgegen. Die Regelung des § 1a KSchG setzt keinen generell unabdingbaren Mindestanspruch bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen fest ( - EzA KSchG § 1a Nr. 3 und - 2 AZR 807/06 -). Die Arbeitsvertragsparteien sind auch bei einer betriebsbedingten Kündigung frei, eine geringere oder höhere als die vom Gesetz vorgesehene Abfindung zu vereinbaren ( - AP KSchG 1969 § 1a Nr. 4 = EzA KSchG § 1a Nr. 2; - 2 AZR 663/06 - aaO und - 2 AZR 807/06 -). Dies schließt auch die Möglichkeit ein, dass der Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung von dem ungenutzten Verstreichenlassen einer Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig macht. Es hätte einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers bedurft, um die mit einem Ausschluss einer von § 1a KSchG abweichenden Vereinbarung verbundene Beschränkung der Vertragsfreiheit zu rechtfertigen ( - aaO und - 2 AZR 807/06 -; vgl. auch Preis DB 2004, 70, 73).

2. Die Frage, ob der Arbeitgeber den Hinweis nach § 1a KSchG erteilt oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat, ist durch Auslegung des Kündigungsschreibens zu ermitteln ( -AP KSchG 1969 § 1a Nr. 4 = EzA KSchG § 1a Nr. 2; - 2 AZR 663/06 - EzA KSchG § 1a Nr. 3 und - 2 AZR 807/06 -; vgl. auch KR-Spilger 8. Aufl. § 1a KSchG Rn. 60). Dabei ist revisionsrechtlich zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Hinweis bzw. einem Angebot des Arbeitgebers regelmäßig um eine atypische (Willens-)Erklärung des Arbeitgebers handeln wird, deren Auslegung grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts und deshalb vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob hierbei die Rechtsnormen über die Auslegung richtig angewandt worden sind, der Tatsachenstoff vollständig verwertet und nicht gegen allgemeine Denkgesetze und Erfahrungsgrundsätze verstoßen worden ist (vgl. bspw. - BAGE 27, 218, 227; - 7 AZR 318/06 - AP TzBfG § 14 Nr. 38). Allerdings darf bei der Auslegung der Erklärung nicht vorschnell auf ein Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung geschlossen werden. Aus dem Kündigungsschreiben muss sich vielmehr der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben ( - aaO und - 2 AZR 807/06 -; siehe auch Preis DB 2004, 70, 73). Enthält das Kündigungsschreiben einen vollständigen Hinweis nach § 1a KSchG, so spricht dies für einen Anspruch des Arbeitnehmers nach dieser Norm.

a) Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte durch § 1a KSchG eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess geschaffen werden: Der Arbeitgeber "muss in der schriftlichen Kündigungserklärung (§ 623 BGB) als Kündigungsgrund dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 angeben. ... Außerdem muss der Arbeitgeber ... darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer die gesetzliche Abfindung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchen kann, wenn er die dreiwöchige Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 verstreichen lässt. Dadurch, dass der Arbeitgeber beide Angaben schriftlich mitteilen muss, werden irrtümliche Erklärungen vermieden. Durch die gesetzliche Schriftform und den gesetzlich vorgegebenen Inhalt der Kündigungserklärung wird für den Arbeitnehmer die erforderliche Rechtsklarheit und Beweissicherung geschaffen. Der Arbeitnehmer kann jetzt frei darüber entscheiden, ob er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung der gesetzlich festgesetzten Abfindung gegen sich gelten lässt oder ob er Kündigungsschutzklage erhebt, bevor die Kündigung wegen Ablaufs der Klagefrist als von Anfang an rechtswirksam gilt (§ 7)" (BT-Drucks. 15/1204 S. 12).

b) Will ein Arbeitgeber hiernach dem Arbeitnehmer mit Ausspruch der Kündigung ein Angebot auf Abschluss eines Beendigungsvertrages unterbreiten, ohne jedoch die gesetzliche Abfindung nach § 1a KSchG anbieten zu wollen, so ist er aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Beweissicherung gehalten, dies in der schriftlichen Kündigungserklärung eindeutig und unmissverständlich zu formulieren, insbesondere welche Abfindung er unter welchen Voraussetzungen anbietet ( -aaO und - 2 AZR 807/06 -; siehe auch Preis DB 2004, 70, 73). Der Arbeitnehmer muss nach Erhalt des Kündigungsschreibens innerhalb von drei Wochen nämlich entscheiden, ob er gegen die Zahlung der angebotenen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder ob er eine Kündigungsschutzklage erheben will. Zusätzlich muss er bei Zugang der Kündigung klar erkennen können, ob der Arbeitgeber ihm ein Angebot nach § 1a KSchG oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat. Er muss wissen, worauf er sich einlässt. Andernfalls könnte sich erst bei Zahlung der Abfindung nach Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. hierzu Senat - 2 AZR 45/06 -Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 3 = EzA KSchG § 1a Nr. 1) herausstellen, dass der Arbeitgeber ein von § 1a Abs. 2 KSchG abweichendes Angebot unterbreiten wollte. Der Arbeitnehmer hätte dann wegen § 4 KSchG häufig keine oder eine nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich überprüfen zu lassen. Es wären dann - soweit es den Bestandsschutz angeht - zu Lasten des Arbeitnehmers unumkehrbare Fakten geschaffen. Der Arbeitnehmer müsste im Übrigen die Abfindung zur vollständigen Disposition stellen, denn mit der Klageerhebung würde er die Voraussetzung für jeden möglichen Abfindungsanspruch selbst beseitigen.

3. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Rahmens ist es im Entscheidungsfall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht das im Kündigungsschreiben vom enthaltene Angebot nicht als ein solches nach § 1a KSchG qualifiziert hat.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den Wortlaut dieses Kündigungsschreibens in den Vordergrund gerückt. Da es sich um die Auslegung eines individuellen Schreibens handelt, hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass die Beklagte mit der Formulierung "wir bieten an" eine von der gesetzlichen Regelung des § 1a KSchG abweichende Formulierung, die eine Vertragslösung nahe legt, gewählt hat. Vor allem durfte es aber darauf abstellen, dass die Beklagte mit der im Schreiben vom benannten Abfindungshöhe ein von § 1a KSchG deutlich und unmissverständlich abweichendes Angebot unterbreitet hat (zur deutlich abweichenden Abfindungshöhe als wesentliches Abgrenzungskriterium: vgl. auch - aaO und - 2 AZR 807/06 -). Die Beklagte hat nämlich im Vergleich zu der nach dem Gesetz zu zahlenden Abfindung dem Kläger hier lediglich eine Abfindung von rund der Hälfte - und dazu noch pauschaliert auf einen runden Betrag - angeboten. Damit musste auch für den Kläger erkennbar werden, dass ihm die Beklagte jedenfalls kein dem Gesetz entsprechendes Abfindungsangebot ohne Wenn und Aber unterbreiten wollte. Dies gilt umso mehr als nach dem Angebot der Beklagten die Abfindung für den Fall der Zurücknahme der Kündigung sogar wieder entfallen sollte. Ein revisionsrechtlich relevanter Auslegungsfehler des Landesarbeitsgerichts ist dementsprechend nicht erkennbar.

III. Die Kosten der erfolglosen Revision hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 2290 Nr. 42
DB 2009 S. 124 Nr. 3
DStR 2008 S. 2229 Nr. 46
NJW 2009 S. 319 Nr. 5
EAAAC-92533

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein