BGH Beschluss v. - I ZB 35/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3; MarkenG § 90 Abs. 2 Satz 1

Instanzenzug: Bundespatentgericht, 28 W(pat) 128/05 vom

Gründe

I. Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der am in das Markenregister eingetragenen Wortmarke Nr. 303 22 436

"Hanse Naturkost"

für die Waren der Klasse 29, 30 und 31 "Konfitüren; Zucker; Samenkörner" Widerspruch erhoben aus den folgenden drei deutschen Marken:

Nr. 397 21 946

eingetragen am für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und 42 "Pizza; belegte Brote; Snack-Artikel (auch tiefgefroren) bzw. Snacks, Aufläufe, Sandwich; Speiseeis; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Verpflegung von Gästen, Catering",

Nr. 301 59 500

eingetragen am für die Waren der Klasse 30 "Brot, feine Back- und Konditorwaren"

und Nr. 302 63 026

HANSE EXPRESS

eingetragen am für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und 43 "Pizza; belegte Brote; Snacks, hauptsächlich bestehend aus Teigwaren mit Belägen aus Wurst- und Fleischwaren und/oder Fisch und/oder Gemüse und/oder Obst; Aufläufe, hauptsächlich bestehend aus Teigwaren mit Belägen aus Wurst- und Fleischwaren und/oder Fisch und/oder Gemüse und/oder Obst; Sandwich; Speiseeis; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Verpflegung von Gästen, Catering".

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Widersprüche mit der Begründung zurückgewiesen, es bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Die dagegen eingelegte Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.

II. Die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden hat keinen Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, da die Widersprechende im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel - hier: die Versagung rechtlichen Gehörs - rügt und diese Rüge im einzelnen begründet (, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 - turkey & corn).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Widersprechende nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144).

a) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Widersprechenden nicht berücksichtigt, wonach der Zeichenbestandteil "HANSE" deswegen geeignet sei, die sich gegenüberstehenden Marken zu prägen, weil der Begriff "Hanse" heute keinen Bezug mehr zu einem historischen Kaufmannsverbund oder einer bestimmten geographischen Region habe, so dass er auf den im Streitfall konkret betroffenen Warengebieten keinerlei Bedeutungsgehalt habe, sondern als Phantasiebezeichnung verstanden werde.

Das Bundespatentgericht hat seine Annahme, die Kennzeichnungskraft des Wortes "Hanse" sei jedenfalls in Wortkombinationen wie denen der Widerspruchsmarken "HANSEBÄCKER", "HANSE SEMMEL" und "HANSE EXPRESS" von Haus aus schwach, nicht allein darauf gestützt, dass das Wort "Hanse" in den Wortkombinationen der Widerspruchsmarken als eine allgemeine Bezugnahme auf die Hanse - im Sinne der mittelalterlichen Kaufmannsgilde und des geographischen Raums, in dem sie Handel getrieben hat - in Erscheinung trete. Es hat seine Auffassung, das Namenselement "Hanse" sei ungeeignet, in einheitlichen Begriffs- und Namensbildungen aus sich heraus auf ein bestimmtes Herkunftsunternehmen hinzuweisen und damit im markenrechtlichen Sinne kennzeichnend zu wirken, vielmehr vor allem damit begründet, dass es sich dabei um ein übliches, verbreitetes Namenselement handele. Hierzu hat es - unter Hinweis auf zahlreiche Beispiele - ausgeführt, der Wortbestandteil "Hanse" stelle eine gebräuchliche Gemeinsamkeit mit den Namen einer Vielzahl anderer Einrichtungen und Organisationen her und sei deswegen gerade zur Individualisierung eines bestimmten Namensträgers oder Markeninhabers ungeeignet. Da diese Begründung die Entscheidung selbständig trägt, beruht der Beschluss des Bundespatentgerichts jedenfalls nicht - wie § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG voraussetzt - auf einer möglichen Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. , GRUR 1997, 637, 638 f. = WRP 1997, 762 - Top Selection).

b) Aus diesem Grund hat auch die Rüge der Rechtsbeschwerde keinen Erfolg, das Bundespatentgericht habe das Vorbringen der Widersprechenden nicht zur Kenntnis genommen, der Begriff "HANSE" eigne sich schon deshalb nicht als geographische Herkunftsangabe, weil mit ihm die Herkunft aus den verschiedensten Hansestädten in Deutschland (z.B. Bremen, Hamburg, Lübeck, Schwerin, Wismar, Köln, Dortmund und Münster) und im Ausland (z.B. Brügge, London, Bergen, Nowgorod) gemeint sein könne, und der Verkehr ihn auch tatsächlich nicht mehr als geographische Herkunftsangabe ansehe.

Auch bei der Erwägung des Bundespatentgerichts, der Ausdruck "Hanse/Hansa" habe wegen der geographischen Beschränkung der Tätigkeiten der Hanse im deutschen Raum immer auch einen geographischen Anklang, der auf eine Herkunft der angebotenen Waren aus den deutschen Küstengebieten oder aus der norddeutschen Tiefebene hinweise, was sich ebenfalls kennzeichnungsschwächend auswirke, handelt es sich lediglich um eine Hilfsüberlegung zu der die Entscheidung selbständig tragenden Beurteilung, der Wortbestandteil "Hanse" sei als verbreitetes Namenselement in derartigen Wortkombinationen nicht kennzeichnungskräftig. Dies macht schon die einleitende Formulierung "es kommt im Übrigen hinzu" deutlich.

c) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Wortelement "HANSE" in den Widerspruchsmarken in einheitliche Gesamtbegriffe eingebunden sei, vielmehr liege eine Reduzierung der Widerspruchsmarken auf den Bestandteil "HANSE" durchaus nahe, setzt sie lediglich ihre eigene Bewertung der Beurteilung des Bundespatentgerichts entgegen. Dass das Bundespatentgericht Vorbringen der Widersprechenden unbeachtet gelassen hat, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

d) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Bundespatentgericht habe offenbar das Argument der Widersprechenden nicht in Erwägung gezogen, dass der Bestandteil "HANSE", selbst wenn er als kennzeichnungsschwach anzusehen wäre, immer noch deutlich kennzeichnungskräftiger wäre als die weiteren Bestandteile der Widerspruchsmarken und der weitere Bestandteil der angegriffenen Marke, die für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen glatt beschreibend seien und daher überhaupt keine Kennzeichnungskraft aufwiesen.

Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, die Widersprechende nehme zu Unrecht an, die für sie eingetragenen Wortkombinationen würden schon deshalb von dem Wortbestandteil "Hanse" geprägt, weil deren weitere Wortbestandteile "BÄCKER", "SEMMEL" und "EXPRESS" ihrerseits kennzeichnungsschwach seien. Diese Schlussfolgerung sei nur dann richtig, wenn es einen markenrechtlichen Grundsatz gäbe, wonach Gesamtbegriffe und Wortkombinationen immer von einem ihrer Wortbestandteile geprägt würden. Einen solchen Grundsatz gebe es aber nicht. Das Bundespatentgericht hat damit, anders als die Rechtsbeschwerde meint, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Widersprechenden richtig erfasst und ausreichend berücksichtigt.

e) Die Rechtsbeschwerde beanstandet vergeblich, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Widersprechenden übergangen, im Streitfall bestehe auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr. Die Widersprechende hat hierzu vorgetragen, sie benutze den Bestandteil "HANSE" als Stammbestandteil für mehrere Marken, jeweils in Kombination mit einem oder mehreren Bestandteilen; da die angemeldete Marke den Bestandteil "Hanse" übernehme und - nach dem Muster der Widerspruchsmarken - einen weiteren (beschreibenden) Bestandteil ("Naturkost") hinzufüge, gehe der Verkehr auch bei Produkten, die unter dieser Marke vertrieben würden, von einer Herkunft aus ihrem Unternehmen aus.

Das Bundespatentgericht hat dieses Vorbringen der Widersprechenden berücksichtigt. Es hat gemeint, eine mittelbare Verwechslungsgefahr könne ausgeschlossen werden, weil die Widersprechende ein Bekanntwerden des Markenbestandteils "Hanse" als markenrechtliches Stammzeichen ihres Unternehmens nicht schlüssig dargetan habe. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Bundespatentgericht bei dieser Beurteilung entscheidungserhebliches Vorbringen der Widersprechenden außer Betracht gelassen hat.

Mit der Argumentation der Widersprechenden, der Verkehr orientiere sich naturgemäß an dem zumindest durchschnittlich kennzeichnungsstarken, nicht beschreibenden Bestandteil "HANSE", da die weiteren Bestandteile dieser Marken allesamt glatt beschreibend seien ("BÄCKER"; "EXPRESS"; "SEMMEL") und damit über keinerlei Kennzeichnungskraft verfügten, hat das Bundespatentgericht sich bereits in anderem Zusammenhang (vgl. oben unter II 2 d) - ablehnend - auseinandergesetzt. Den Vortrag der Widersprechenden, der angesprochene Verkehr sei an die Verwendung der Bestandteile "HANSE" als Stammbestandteil gewöhnt, weil sie den Begriff "Hansa" seit 1897 und die Begriffe "Hanse" und "Hansebäcker" seit 1986 benutze, hat das Bundespatentgericht gleichfalls berücksichtigt, aber für unzureichend gehalten: Zu Art und Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarken "HANSE SEMMEL" und "HANSE EXPRESS" habe die Widersprechende nicht im Einzelnen vorgetragen. Ihr konkreter Tatsachenvortrag zur Benutzung der Widerspruchsmarke "Konditorei Junge HANSEBÄCKER" gebe keinen Aufschluss über den tatsächlichen Bekanntheitsgrad dieser Widerspruchsmarke bei den angesprochenen Verkehrskreisen.

f) Die Rechtsbeschwerde macht ferner ohne Erfolg geltend, die Ausführungen des Bundespatentgerichts dazu, dass das Wort "Hanse" von Haus aus kennzeichnungsschwach sei, seien offensichtlich von der Berichterstatterin des Marken-Beschwerdesenats selbständig recherchiert und in der mündlichen Verhandlung nur teilweise angesprochen worden. Da die Rechtsbeschwerde nicht vorträgt, welche angeblich selbständig recherchierten Tatsachen in der mündlichen Verhandlung nicht angesprochen worden seien, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Bundespatentgerichts auf der behaupteten Versagung des rechtlichen Gehörs beruhen könnte.

g) Die Rechtsbeschwerde rügt schließlich ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Hinweis des Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung "Hanse-Immobilien" des Oberlandesgerichts Hamburg, nach dessen Auffassung keine Rede davon sein könne, dass das Wort "Hanse" in einer Geschäftsbezeichnung als bloße geographische Angabe erscheine, außer acht gelassen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann daraus, dass das Bundespatentgericht die ihm in der mündlichen Verhandlung überreichte Kopie dieser Entscheidung nicht zu den Akten genommen hat, nicht geschlossen werden, dass es das Vorbringen der Widersprechenden zu dieser - im Übrigen auch in Fachzeitschriften veröffentlichten (GRUR 1993, 987) - Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat. Davon abgesehen beruht der Beschluss des Bundespatentgerichts nicht auf der Annahme, das Wort "Hanse" werde als geographische Angabe verstanden (vgl. oben unter II 2 a und b).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

Fundstelle(n):
XAAAC-86680

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein