BGH Beschluss v. - V ZR 190/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 411 Abs. 3; ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3

Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder), 13 O 263/05 vom OLG Brandenburg, 5 U 133/06 vom

Gründe

I.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom erwarben die Kläger von der Beklagten und ihrem am verstorbenen Ehemann ein Hausgrundstück für 153.000 € unter Ausschluss der Haftung der Veräußerer für Sachmängel. Im Januar 2003 stellten die Kläger Feuchtigkeitsschäden im Keller des Hauses fest.

Mit der Behauptung, die Verkäufer hätten sie bei Abschluss des Kaufvertrags im Hinblick auf die Feuchtigkeit arglistig getäuscht, verlangen die Kläger den Ersatz von Sanierungskosten. Ihre Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

II.

Das angefochtene Urteil ist auf die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 544 Abs. 7 ZPO).

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings den in einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingereichten Schriftsatz enthaltenen Vortrag der Kläger nicht zugelassen, der frühere Beklagte zu 2 habe dem von ihnen benannten Zeugen Sch. (auf BU 7 fälschlich "Schu. " genannt) von ihm angebrachte Bohrlöcher gezeigt und hierzu erklärt, durch die Bohrungen wolle er versuchen, den Keller trocken zu legen. Zwar war den Klägern in der letzten erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ein Schriftsatznachlass gewährt worden, aber nur im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom . Darin haben sich diese zu der Höhe der Klageforderung ausgelassen und die Behauptung der Kläger bestritten, das Haus nur verkauft zu haben, um den Kosten für die Kellersanierung aus dem Weg zu gehen. Mit diesem Vorbringen hat der Vortrag der Kläger betreffend das Gespräch zwischen dem früheren Beklagten zu 2 und dem benannten Zeugen über die Bohrlöcher nichts zu tun. Das Berufungsgericht hat somit den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör insoweit nicht verletzt.

2. Ohne Erfolg rügen die Kläger einen weiteren Gehörsverstoß dahingehend, dass das Berufungsgericht den im selbständigen Beweisverfahren tätig gewesenen Sachverständigen nicht zur Erläuterung seines Gutachtens geladen hat, obwohl dies zur Klärung von Zweifeln oder zur Beseitigung von Unklarheiten notwendig gewesen sei. Zum einen haben die Kläger die Anhörung des Sachverständigen nicht beantragt (siehe dazu , NJW-RR 2007, 1294). Zum anderen hat das Berufungsgericht nicht ermessensfehlerhaft von der Ladung des Sachverständigen zwecks Erläuterung des Gutachtens von Amts wegen abgesehen (vgl. § 411 Abs. 3 ZPO). Denn dass das Berufungsgericht die Schlussfolgerung des Sachverständigen als nicht nachvollziehbar angesehen hat, ist nicht entscheidungserheblich. Es hat nämlich - das Vorhandensein von Feuchtigkeit bei Vertragsschluss und die Richtigkeit der Schlussfolgerung des Sachverständigen unterstellend - die Ansicht vertreten, dass sich allein aus dem Vorhandensein von Feuchtigkeitsschäden nicht deren Ausmaß und Erkennbarkeit für die Beklagten ergebe. Damit hat es eine Arglist der Beklagten trotz etwaiger Feuchtigkeit für nicht bewiesen gehalten.

3. Schließlich rügen die Kläger erfolglos einen Gehörsverstoß dahingehend, dass das Berufungsgericht ihnen keinen Hinweis "auf einen neuen Aspekt bei der Würdigung des Sachverständigengutachtens" erteilt habe (§ 139 ZPO). Das Landgericht habe das Gutachten für unerheblich gehalten, weil sich aus ihm keine Schlussfolgerungen auf ein arglistiges Verhalten der Beklagten ziehen ließe; demgegenüber habe das Berufungsgericht Zweifel an den Feststellungen des Sachverständigen zum Alter der Feuchtigkeitserscheinungen geäußert. Den "neuen Aspekt" gibt es somit nicht; wie vorstehend ausgeführt, hat sich das Berufungsgericht auf denselben Standpunkt wie das Landgericht gestellt, nämlich dass das Sachverständigengutachten - auch wenn von Feuchtigkeit auszugehen sei - keine Arglist der Beklagten beweise.

4. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) wegen einer Abweichung des Berufungsgerichts von dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertretenen Obersatz zuzulassen, dass die mündliche Anhörung eines gerichtlichen Sachverständigen nach § 411 Abs. 3 ZPO dann geboten ist, wenn sie zur Klärung von Zweifeln oder Beseitigung von Unklarheiten unumgänglich ist. Denn diese Abweichung gibt es nicht. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht auf dem Rechtssatz, dass der Tatrichter den Sachverständigen auch dann nicht zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens laden muss, wenn er Zweifel an seinem Gutachten hat oder Unklarheiten festgestellt hat. Für das Berufungsgericht war vielmehr entscheidungserheblich, dass das Gutachten - trotz unterstellter Feuchtigkeit - keinen Beweis für ein arglistiges Verhalten der Beklagten bietet. Deshalb bestand für das Berufungsgericht kein Klärungsbedarf.

5. Das Berufungsgericht hat jedoch das Verfahrensgrundrecht der Kläger nach Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass es ihren erstmals in der zweiten Instanz gehaltenen Vortrag zu dem Inhalt ihrer Unterredung mit der Voreigentümerin des Grundstücks nicht zugelassen hat. Damit hat es die Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO unrichtig angewandt und einen Gehörsverstoß begangen (vgl. , NJW-RR 2007, 1033; Senat, Beschl. v. , V ZR 271/04, NJW 2005, 2624).

a) Zur Begründung der Nichtzulassung des Vortrags hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Kläger nichts dazu vorgetragen hätten, weshalb sie erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bzw. in der zweiten Instanz zu entsprechendem Vortrag und Beweisantritt in der Lage gewesen seien. Nachdem die Beklagten auch noch nach der Einholung des Sachverständigengutachtens in dem selbständigen Beweisverfahren das Vorliegen von Feuchtigkeit und auch die Kenntnis von einer etwaigen Feuchtigkeit bestritten hätten, hätten sich die Kläger nicht auf das Ergebnis des im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens verlassen dürfen. Sie seien vielmehr im Rahmen ihrer Prozessförderungspflicht gehalten gewesen, vor Klageerhebung, jedenfalls aber noch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, Erkundigungen über den Gebäudezustand während der Besitzzeit der Verkäufer anzustellen. Dabei habe die Befragung der Nachbarn, aber auch der Voreigentümerin, auf der Hand gelegen.

Danach ist bereits der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft. Den Klägern kann nämlich Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht vorgeworfen werden, weil sie nicht gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen haben. Sie mussten sich nicht vor Prozessbeginn bzw. vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung solche Informationen wie die in der zweiten Instanz vorgetragenen beschaffen. Vielmehr sind sie ihrer Prozessförderungspflicht ausreichend dadurch nachgekommen, dass sie vor der Klageerhebung ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens, die genügend objektive Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Feuchtigkeit bieten, zur Grundlage ihrer Klage gemacht haben. Bei dieser Sachlage mussten sie weitere ihnen nicht bekannte Umstände, die für ein arglistiges Verhalten der Verkäufer sprechen, nicht ermitteln (vgl. , NJW 2003, 200, 202 [zu § 528 Abs. 2 ZPO a.F.]).

b) Das angefochtene Urteil beruht auf diesem Fehler. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die von den Klägern benannte Zeugin die in ihr Wissen gestellten Tatsachen bestätigt und das Berufungsgericht nach einer dann gebotenen erneuten Würdigung sämtlicher Umstände ein arglistiges Verschweigen der Feuchtigkeit durch die Verkäufer bejaht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
OAAAC-85967

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein