BFH Beschluss v. - V B 159/07

Konkretisierung von Beweisanträgen; Verbot der Verböserung nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO

Gesetze: FGO § 81, FGO § 96 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Immobilien-Vertriebs-GmbH i.L., hatte für die Jahre 1993 und 1994 keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben.

Aufgrund der Feststellungen einer am 22. Mai 2000 begonnenen Außenprüfung der Steuerfahndung (Bericht vom 1. Oktober 2000) sowie gestützt auf die Angaben in einem Schreiben des Nachtragsliquidators der Klägerin vom 7. Juni 2000 an das Amtsgericht B samt Anlagen sowie auf die Umsatzsteuererklärungen der Klägerin vom 15. Juni 2000 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) mit Bescheiden vom 20. Februar 2001 die Umsatzsteuer für 1993 auf 4 172 DM und die Umsatzsteuer für 1994 auf ./. 836 DM fest. Dabei legte das FA der Steuerberechnung Lieferungen und Leistungen zu 15 % in Höhe von 373 204 DM (Steuer hierauf 55 980,60 DM) für 1993 und in Höhe von 317 559 DM (Steuer hierauf 47 633,85 DM) für 1994 sowie Vorsteuerbeträge in Höhe von 51 808,13 DM für 1993 und in Höhe von 48 469,47 DM für 1994 zugrunde. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin ohne Begründung Einsprüche ein, die mit Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2004 als unbegründet zurückgewiesen wurden.

Zur Begründung ihrer daraufhin erhobenen Klage trug die Klägerin u.a. vor, ihr Nachtragsliquidator habe die Umsatzsteuererklärungen aufgrund der nach Beschlagnahme verschiedener Unterlagen durch die Steuerfahndung noch vorhandenen Bankunterlagen erstellt. Bei nochmaliger Überarbeitung und Besprechung habe sich herausgestellt, dass die Zahlungseingänge nicht auf Lieferungen und sonstigen Leistungen beruhten, sondern dass es sich dabei „um Einlagen der Gesellschafter bzw. von nahestehenden Personen bzw. um Zahlungen der Schwestergesellschaft” gehandelt habe. Hierzu beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. April 2007, Frau K und Herrn H als Zeugen sowie ihren Nachtragsliquidator als Partei zu vernehmen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beantragte die Klägerin ausweislich der darüber gefertigten Niederschrift vor der Stellung des Klageantrags (Festsetzung der Umsatzsteuer für 1993 auf ./. 51 803,13 DM und der Umsatzsteuer für 1994 auf 48 469,47 DM), „die Herren H. und K. sowie Frau K. als Zeugen zu vernehmen”.

Das FG wies die Klage —ohne Beweisaufnahme— als unbegründet ab. Es führte u.a. aus, die Klage betreffend das Streitjahr 1994 sei unbegründet, weil der Klägerin der begehrte —und in dem angefochtenen Bescheid anerkannte— Vorsteuerabzug in Höhe von 48 469,47 DM nicht zustehe. Denn sie habe trotz Aufforderung mit Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Vorsteuerbeträge nicht anhand von Eingangsrechnungen nachgewiesen.

Die Klage betreffend das Streitjahr 1993 sei ebenfalls unbegründet. Das FA habe der Besteuerung zu Recht Umsätze von 373 204 DM zugrunde gelegt. Bei den Zahlungen in dieser Höhe handele es sich um Entgelte für steuerbare und steuerpflichtige Umsätze, wie sich aus der Anlage zum Schreiben des späteren Nachtragsliquidators der Klägerin vom 7. Juni 2000 an das Amtsgericht B ergebe. Ein Vorsteuerabzug stehe der Klägerin wegen Nichtvorlage von Eingangsrechnungen nicht zu.

Den unsubstantiierten Beweisanträgen der Klägerin habe das Gericht nicht nachgehen müssen. Auch die Steuerunterlagen der Firmen X und Y, die die Klägerin zum Beleg des Hintergrundes der Zahlungseingänge beantragt hatte, seien nicht beizuziehen gewesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer auf Verfahrensmängel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

II Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet. Die von ihr geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

1. Die Rüge der Klägerin, das FG sei seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 FGO) dadurch nicht ausreichend nachgekommen, dass es die von ihr —der Klägerin— genannten Zeugen nicht gehört habe, geht fehl.

a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das FG einem Beweisantrag nur dann nachkommen muss, wenn dieser substantiiert ist (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63; vom 17. März 2003 VII B 269/02, BFH/NV 2003, 825; vom 2. März 2006 XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132). Das setzt voraus, dass das Beweisthema und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen genau angegeben wurden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485; vom 12. Dezember 2007 I B 134/07, BFH/NV 2008, 736).

b) Vor diesem Hintergrund hat das FG im Streitfall zu Recht die von der Klägerin beantragte Beweisaufnahme unterlassen. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag, die Herren H und K sowie Frau K als Zeugen zu vernehmen, reicht insoweit nicht aus, weil damit kein Beweisthema bezeichnet wird.

Aber auch wenn man insoweit auf den mit Schriftsatz vom 30. April 2007 von der Klägerin gestellten Beweisantrag abstellt, ist dieser nicht hinreichend bestimmt genug. Dass es sich bei den als steuerpflichtig erklärten Lieferungen und Leistungen „um Einlagen” gehandelt habe, ist keine im Bereich des Tatsächlichen liegende Frage, sondern eine rechtliche Wertung. Zudem ist die weitere Behauptung, es handle sich um Einlagen „der Gesellschafter bzw. von nahestehenden Personen bzw. um Zahlungen der Schwestergesellschaft” völlig unbestimmt.

2. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Klägerin, das FG hätte die Steuerunterlagen der Firmen X und Y beiziehen müssen.

Das FG hat hierzu ausgeführt, es habe im Streitfall zur Beiziehung der genannten Akten keinen Anlass gesehen, weil die Klägerin nicht hinreichend deutlich gemacht habe, wie sie hieraus den Hintergrund der Zahlungseingänge hätte ermitteln wollen, da sie ebenfalls schriftsätzlich vorgetragen habe, nach ihrer Kenntnis gebe es hinsichtlich des Nachweises der Zahlungen nur mündliche Absprachen.

Diese Begründung steht im Einklang mit der vom FG dazu angegebenen Rechtsprechung (, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.) und entspricht dem Akteninhalt. Sie ist deshalb nicht zu beanstanden.

3. Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin ferner nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verstoßen, indem es entschieden hat, die vom FA im angefochtenen Bescheid berücksichtigten Vorsteuerbeträge seien nicht abziehbar.

Da Streitgegenstand im finanzgerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheides ist, hindert das Verbot der Verböserung (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) das Gericht nicht, innerhalb des vom FA festgesetzten Steuerbetrages einzelne Besteuerungsgrundlagen —wie hier die abziehbaren Vorsteuerbeträge— in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für den Steuerpflichtigen wie für das FA günstiger oder ungünstiger zu beurteilen, als dies in dem angefochtenen Steuerbescheid geschehen ist, und dies in den Gründen seiner Entscheidung darzulegen (vgl. , BFHE 101, 498, BStBl II 1971, 424, m.w.N.).

4. Schließlich liegt der von der Klägerin in diesem Zusammenhang gerügte Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO nicht vor.

Entgegen ihrem Vorbringen konnte sie von der „Diskussion des Vorsteuerabzugs in der mündlichen Verhandlung” nicht „völlig unvorbereitet” getroffen sein, da die Klägerin bereits durch die Anordnung des FG gemäß § 79b Abs. 2 FGO vom 29. März 2007 aufgefordert war, u.a. die für 1993 und 1994 geltend gemachten Vorsteuerbeträge anhand von Eingangsrechnungen nachzuweisen und zu belegen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1347 Nr. 8
NAAAC-82768