BGH Beschluss v. - 4 StR 89/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 177 Abs. 4 Nr. 2 a; StGB § 223

Instanzenzug: LG Saarbrücken, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch wegen tateinheitlich verwirklichter Körperverletzung nach § 223 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil dieses Delikt auf der Konkurrenzebene von § 177 Abs. 4 Nr. 2 a StGB verdrängt wird (vgl. BGH StraFo 2004, 396; Fischer StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 105).

2. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts halten, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, entgegen der Auffassung der Revision sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Auch die aus den vorgenannten Gründen gebotene Änderung des Schuldspruchs nötigt nicht zur Aufhebung der verhängten Einzelstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht eine noch mildere als die angesichts der Tat sehr maßvolle Strafe verhängt hätte, zumal das Landgericht den Tatbestand der Körperverletzung bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat.

3. Die Revision beanstandet mit der zulässig erhobenen auf eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gestützten Verfahrensrüge jedoch zu Recht, dass das Landgericht eine Entscheidung über die Kompensation für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung unterlassen hat.

Seit seiner Festnahme am Tattage, dem , befand sich der Angeklagte, der sich bei seiner haftrichterlichen Vernehmung am geständig eingelassen hatte, auf Grund des gegen ihn erlassenen Haftbefehls bis zu dessen Außervollzugsetzung unter Auflagen am in dieser Sache in Haft, so dass er bis zur Urteilsverkündung am durch die lange Verfahrensdauer besonderen Belastungen ausgesetzt war. Das Verfahren musste deshalb mit besonderer Beschleunigung betrieben werden, weil die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Beschleunigung des Verfahrens nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl gelten, sondern darüber hinaus auch für einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl von Bedeutung sind (vgl. BVerfG StV 2003, 30 und 2006, 87, 88). Dies ist jedoch nach Aufhebung des auf den anberaumten Hauptverhandlungstermins nicht in der gebotenen Weise geschehen. Auf die Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft Saarbrücken mit Schreiben vom teilte der Vorsitzende mit Verfügung vom lediglich mit, dass eine Terminierung vor Mai 2007 nicht möglich sei. Der Ende Mai 2007 auf den bestimmte Termin wurde wegen Verhinderung des Sachverständigen aufgehoben. Der auf den bestimmte Termin wurde aufgehoben, weil dieser Termin "in einer vorrangigen Haftsache" benötigt wurde. Der danach nicht nur vorübergehend bestehende Engpass in der Verhandlungskapazität vermag die seit dem bis zum Beginn der Hauptverhandlung in dieser Sache eingetretene Verfahrensverzögerung nicht zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom - 4 StR 456/05 = wistra 2006, 226 und Senatsbeschluss vom - 4 StR 666/07).

Die wegen des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gebotene Kompensation für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat der neue Tatrichter nachzuholen. Dabei wird er den Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des (NJW 2008, 860) zu beachten haben. Der neu erkennende Tatrichter wird zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen haben. Hieran anschließend wird zu prüfen sein, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, was unter den hier gegebenen Umständen vor dem Hintergrund der Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren fern liegen dürfte, muss diese Feststellung in den Urteilsgründen hervortreten. Reicht sie als Entschädigung nicht aus, so hat der neue Tatrichter festzulegen, welcher bezifferte Teil der Freiheitsstrafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt (zur Bemessung vgl. Rdn. 4).

Fundstelle(n):
DAAAC-80664

1Nachschlagewerk: nein